Sonntag, November 24

In kaum einem anderen Land wurde eine Präsidentschaft des Republikaners so sehr herbeigesehnt wie in Israel. Doch es ist unklar, ob Trump sich wieder so eindeutig hinter seinen Verbündeten stellen wird wie in seiner ersten Amtszeit.

Als am Mittwoch klarwurde, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, war Benjamin Netanyahu einer der Ersten, die ihm gratulierten. Das Telefonat zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten und dem neuen, alten Präsidenten der USA sei warm und herzlich gewesen, hiess es von Netanyahus Büro.

Kaum ein anderer Regierungschef hat so grosse Hoffnungen in den Republikaner gesetzt wie Netanyahu, in kaum einem anderen Land geniesst Trump so viel Zustimmung wie in Israel. Woran liegt das – und wie könnte eine Trump-Präsidentschaft den Krieg in Nahost beeinflussen?

Eine Mehrheit der Israeli unterstützt Trump

In Tel Aviv war in den Tagen vor der Wahl überall Wahlwerbung für Donald Trump zu sehen – Harris-Plakate waren hingegen keine zu sehen. In einer Umfrage des Israeli Democracy Institute gaben rund 65 Prozent der Israeli an, dass Donald Trump für Israel ein besserer Präsident sei. Unter den jüdischen Israeli lag die Zustimmung sogar bei über 70 Prozent. «Die israelische Gesellschaft ist in den letzten Jahren weitaus konservativer geworden und identifiziert sich mehr mit den Republikanern», sagt Asaf Sharif, der zwischen 2007 und 2010 israelischer Generalkonsul in New York war.

Israel hat Trump viel zu verdanken: Während seiner ersten Präsidentschaft verlegte er die amerikanische Botschaft nach Jerusalem, anerkannte die besetzten Golanhöhen als einen Teil Israels und handelte die Friedensabkommen mit arabischen Staaten aus. Auch sein geplantes «Jahrhundertabkommen» für den Nahostkonflikt hatte eine proisraelische Schlagseite: Ein zukünftiger palästinensischer Staat sollte ein Flickenteppich bleiben, und dessen Souveränität von Israel würde stark beschränkt sein. Die Palästinensische Autonomiebehörde liess sich auf den Vorschlag nicht ein.

Ob die zweite Präsidentschaft Trumps ähnliche Resultate zeitigen wird, ist laut Sharif allerdings nicht ausgemacht: «Trumps Schwiegersohn Jared Kushner war der wichtigste Ansprechpartner für die israelische Seite», sagt er. «In der neuen Regierung wird er wahrscheinlich keine Rolle mehr spielen.» Dennoch könne Netanyahu auf die guten Beziehungen zwischen seinem wichtigsten Berater Ron Dermer und Trumps Umfeld zählen. Dermer war zwischen 2013 und 2021 Israels Botschafter in den USA.

Rückt ein Ende des Kriegs näher?

Die israelische Regierung unter Netanyahu erhofft sich von Trump vor allem mehr Rückenwind in der Kriegsführung im Gazastreifen und im Kampf gegen den Hizbullah. Während sich auch der selbsterklärte Zionist Joe Biden hinter Israel stellte, forderte er Israel immer wieder dazu auf, die Not im Gazastreifen zu lindern und ein baldiges Ende des Kriegs in Libanon herbeizuführen.

Die humanitäre Lage im Gazastreifen scheint Donald Trump nur aus einer PR-Perspektive zu beschäftigen. Ende März sagte er der Zeitung «Israel Hayom», dass die Zerstörung in Gaza ein schreckliches Bild für die Welt abgebe. Trump appellierte an Israel, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden («finish the job»).

Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Michigan, wo Trump vergangene Woche die Unterstützung von zwei muslimischen Bürgermeistern erhielt, versprach er auch ein baldiges Ende des Kriegs in Libanon. Seine Charmeoffensive hat sich ausgezahlt: 42 Prozent der Einwohner von Dearborne, einer mehrheitlich muslimischen Stadt in der Nähe von Detroit, stimmten für den Republikaner. Die muslimischen Wähler könnten das Zünglein an der Waage gewesen sein, das Trump zum Sieg in dem Swing State verholfen hat.

Aus Trumps Aussagen lässt sich herauslesen, dass er zwar ein baldiges Ende des Kriegs im Gazastreifen und in Libanon befürwortet, allerdings weitaus weniger auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts pochen wird. Trotzdem ist denkbar, dass Trump nach seiner Amtsübernahme im Januar den Druck auf Israel erhöhen wird, grosse Militäroperationen einzustellen. Er sieht sich denn auch lieber als «Dealmaker» und Friedensstifter denn als Kriegstreiber.

Trump sind die Palästinenser egal

Anders als Biden wird Trump wohl nicht in derselben Vehemenz darauf bestehen, dass Israel einen ausformulierten Plan für den Tag danach im Gazastreifen präsentiert. Die letzte Amtszeit Trumps und vor allem sein «Jahrhundertplan» haben gezeigt, dass ihm palästinensische Anliegen weitgehend egal sind. Für ihn dürfte es kein Problem darstellen, wenn Israel im Gazastreifen ein ähnliches Besetzungsregime wie im Westjordanland etablierte, wie dies Teile der Regierung Netanyahu fordern.

Sollte Trump einen weiteren Anlauf für eine Lösung des Nahostkonflikts nehmen, hätte er wohl einen schweren Stand. Nach über einem Jahr Krieg ist Israel noch weniger zu einer Übereinkunft mit den Palästinensern bereit. «Man darf nicht vergessen, dass Trumps ‹Jahrhundertplan› damals von weiten Teilen der israelischen Rechten abgelehnt wurde», sagt der Politikwissenschafter Gideon Rahat von der Hebräischen Universität Jerusalem im Gespräch.

Denn obwohl nur ein palästinensischer Rumpfstaat entstanden wäre, wäre es trotzdem ein Staat gewesen. Eine diplomatische Normalisierung mit Saudiarabien sei daher auch unter Trump unwahrscheinlich, glaubt Rahat. Ein Abkommen mit der Golfmonarchie müsste Zugeständnisse an die Palästinenser umfassen. «Die israelische Rechte ist zu keinem Kompromiss bereit», sagt Rahat. Israel würde zudem wohl den Siedlungsausbau im besetzten Westjordanland ohne Angst vor amerikanischen Sanktionen fortsetzen.

Kommt der grosse Krieg mit Iran?

Viele in Israel hoffen zudem, von Trump mehr Spielraum im Konflikt mit Iran zu erhalten. Immerhin war es Donald Trump, der eine Politik des «maximalen Drucks» gegenüber Teheran verfolgte und 2020 den Befehl für die Tötung von Kassem Soleimani gab, dem Oberbefehlshaber der Kuds-Einheit der iranischen Revolutionswächter.

Doch es ist fraglich, ob Trump es auf einen Waffengang mit Iran ankommen liesse. Vor wenigen Tagen sagte Trumps designierter Vizepräsident J. D. Vance, dass sich israelische und amerikanische Interessen zwar teilweise überschneiden würden, dies allerdings nicht immer der Fall sein werde. «Unser Interesse besteht ganz klar darin, einen Krieg mit Iran zu vermeiden», sagte Vance.

«J. D. Vance macht die israelische Regierung nervös», sagt der frühere Diplomat Asaf Sharif. Vance sei nicht nur ein Isolationist, er habe auch weniger starke Verbindungen nach Israel als andere Republikaner. Obwohl die israelische Regierung und weite Teile der Öffentlichkeit grosse Hoffnungen in Trump setzen, ist bei weitem nicht klar, dass er Israel in demselben Ausmass unterstützen wird wie in seiner ersten Amtszeit.

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