Am Mittwoch wurden bei einem israelischen Luftangriff mehrere Söhne des Exil-Chefs der Hamas getötet. Zuvor wurde dessen Schwester in Israel verhaftet. Doch Haniya gibt sich kämpferisch.
Um seine eigene Sicherheit muss sich Ismail Haniya offenbar keine allzu grossen Sorgen machen. Immer wieder reist der der Politbüro-Chef der Hamas nach Iran oder empfängt Besucher in seiner Wahlheimat Katar. Ganz anders hingegen steht es um die Angehörigen des 62-Jährigen: Am Mittwoch wurden drei seiner Söhne in Gaza bei einem israelischen Luftangriff getötet.
Die Männer waren laut dem katarischen Fernsehsender Al Jazeera gemeinsam mit weiteren Personen in einem Auto unterwegs zu einem Familienbesuch im Flüchtlingslager Shati, als Israels Armee zuschlug. Wenig später waren Hazim, Amir und Mohammed Haniya tot, ebenso eine nicht genannte Zahl an Enkeln Haniyas.
Der Hamas-Chef trug den Tod seiner Nachkommen zumindest vordergründig mit Fassung. Ein Video des saudischen Fernsehsenders Al Arabiya zeigt ihn, wie er, kurz nachdem er die Nachricht vom Tod seiner Söhne erhalten hat, spontan betet und dann den Raum verlässt. Wenig später veröffentlichte die Hamas eine Pressemitteilung, in der sie die Toten als Märtyrer würdigte.
Angeblich waren sie Hamas-Kämpfer
Laut israelischen Angaben sollen die Söhne Haniyas Mitglieder des militärischen Flügels der Hamas gewesen sein. Sie seien zum Zeitpunkt des Luftangriffs im Zentrum von Gaza unterwegs gewesen, um dort terroristische Aktionen durchzuführen, sagte Armeesprecher Daniel Hagari.
Kurz zuvor hatten in Kairo noch indirekte Verhandlungen zwischen der Hamas und Israel über eine mögliche Waffenruhe und einen Austausch von Geiseln gegen Gefangene stattgefunden. Allerdings gehen die Gespräche nur schleppend voran. So verlangt die Hamas nach wie vor eine dauerhafte Waffenruhe und einen Abzug der israelischen Truppen aus Gaza.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu will darauf nicht eingehen und bietet höchstens eine temporäre Feuerpause an. Zuletzt hatten die Amerikaner einmal mehr versucht, die Hamas zu einer sechswöchigen Pause zu bewegen. In einer am Dienstag versandten Pressemitteilung beklagte sich diese daraufhin einmal mehr über die angebliche «Sturheit Israels». Sie kündigte jedoch an, den jüngsten Vorschlag prüfen zu wollen.
Die Verhandlungen werden nicht einfacher
Die Tötung von Haniyas Söhnen dürfte die Verhandlungen nicht einfacher gestalten. So betonte der Hamas-Chef in einem Interview mit Al Jazeera, dass der Vorfall keinerlei Einfluss auf die grundsätzliche Position der Hamas haben werde. Die Islamisten-Gruppe rühmt sich immer wieder damit, dass der Tod von Angehörigen hoher Führer für sie keine grössere Bedeutung habe als jener von gewöhnlichen Mitgliedern.
Haniya ist seit 2017 Chef des Politbüros der Hamas. Zuvor war er lange Zeit ihr Gaza-Chef gewesen und hatte unter anderem auch der dortigen Hamas-Regierung vorgestanden. Inzwischen lebt der im Flüchtlingslager Shati geborene Kader allerdings wie die meisten politischen Führer der Hamas im Golfemirat Katar. Wieviel Einfluss er von dort aus auf die Operationen in Gaza hat, ist jedoch fraglich.
Dass die Tötungen vom Mittwoch die kämpfende Truppe um den derzeitigen Gaza-Boss Yahya Sinwar nachhaltig beeindrucken werden, ist deshalb unwahrscheinlich. Zwar ist die Hamas infolge von Israels monatelanger Offensive arg in Rücklage geraten. Doch nachdem Israel am vergangenen Wochenende seine Truppen aus dem Süden des Küstenstreifens zurückgezogen hat, hofft sie jetzt zumindest auf eine Atempause.
Auch Haniyas Schwester wurde verhaftet
Für Haniya hingegen ist der Verlust seiner Söhne der zweite persönliche Schlag, den er innert kurzer Zeit hinnehmen muss. Zuvor hatten die Israeli bereits eine seiner Schwestern verhaftet. Die Frau – die offenbar seit Jahrzehnten im Süden Israels lebt – soll angeblich Kontakte zur Hamas gepflegt haben, was dort strengstens verboten ist.
Offenbar leben drei Schwestern des Hamas-Chefs im Feindesland. Laut einer Recherche der britischen Zeitung «Daily Telegraph» von 2006 sollen sie sogar über die israelische Staatsbürgerschaft verfügen – und Verwandte haben, die in der israelischen Armee dienten. Die Frauen sind jedoch nicht der einzige Bezug Haniyas zu Israel. 2014 wurde angeblich sogar eine seiner Töchter in einem Spital in Tel Aviv behandelt.