Freitag, September 20

Der Tod von Ibrahim Akil wäre ein schwerer Schlag gegen den militärischen Arm der Schiitenmiliz. In den vergangenen Stunden hat sich zudem der gegenseitige Beschuss über die Grenze deutlich intensiviert.

Inmitten wachsender Kriegsängste im Nahen Osten hat am Freitagnachmittag eine heftige Explosion die libanesische Hauptstadt Beirut erschüttert. Die israelische Armee teilte kurz darauf mit, sie habe einen «gezielten Angriff» in Beirut durchgeführt. Dieser ereignete sich im Beiruter Vorort Dahiye, einer Hochburg des Hizbullah. Videos in den sozialen Netzwerken zeigten eine von Trümmern übersäte Strasse und teilweise eingestürzte Gebäude. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden mindestens zwölf Menschen getötet, darunter offenbar mehrere Kinder, und sechzig weitere verletzt.

Laut Medienberichten galt der Luftangriff Ibrahim Akil, dem obersten Kommandanten der Radwan-Kräfte, der militärischen Elitetruppe des Hizbullah. Am Freitagabend bestätigte die israelische Armee in einer Mitteilung, dass Akil sowie mehrere weitere Mitglieder der Führungsspitze der Radwan-Kräfte getötet worden seien. Akil habe nicht nur die militärischen Operationen des Hizbullah geleitet, sondern auch einen Plan entworfen, um auf israelisches Gebiet vorzudringen und dort Dörfer zu besetzen. Unabhängig verifizieren lässt sich dies nicht.

In einer Medienkonferenz am Freitagabend sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari, die Hizbullah-Kommandanten hätten sich unter dem zerstörten Gebäude in Dahiye versammelt. «Sie haben sich getroffen, um Terroraktivitäten gegen israelische Zivilisten zu koordinieren», sagte Hagari. Laut dem Armeesprecher tötete die israelische Armee bei dem Angriff neben Akil zehn weitere Hizbullah-Kommandanten.

Krise des Hizbullah vertieft sich

Ibrahim Akil gilt als eine zentrale Figur im Jihad-Rat, dem höchsten militärischen Gremium des Hizbullah. Wegen seiner Beteiligung an zwei Bombenanschlägen auf das US-Konsulat und eine amerikanische Militärbaracke in Beirut im Jahr 1983, bei denen rund 300 Menschen getötet wurden, haben die USA ein Kopfgeld von 7 Millionen Dollar auf den Terroristen ausgesetzt.

Sollten Akil und seine Mitstreiter tatsächlich tot sein, hat Israel der militärischen Kommandostruktur des Hizbullah einen weiteren schweren Schlag versetzt. Ende Juli war bereits Fuad Shukr, ein enger Berater des Hizbullah-Chefs Hassan Nasrallah, durch einen israelischen Angriff in Beirut getötet worden. Israel hatte diesen Vergeltungsschlag lanciert, nachdem eine mutmassliche Hizbullah-Rakete in der Kleinstadt Majdal Shams in den Golanhöhen zwölf Kinder getötet hatte.

Mit dem Luftangriff auf Beirut spitzt sich die bereits zum Bersten gespannte Lage zwischen Israel und dem Hizbullah weiter zu. In den 24 Stunden davor hatte die israelische Luftwaffe Dutzende Stellungen des Hizbullah im südlichen Libanon bombardiert und dabei nach eigenen Angaben mehr als 100 Raketenabschussrampen zerstört, die für unmittelbare Angriffe auf Israel vorbereitet worden waren. Der Hizbullah hat seinerseits am Freitag rund 170 Raketen auf Israels Norden abgefeuert, wovon die Mehrheit abgefangen werden konnte.

Der Schlag gegen den Hizbullah dürfte die Krise der Schiitenmiliz zusätzlich verstärken, die nach dem Angriff auf Pager und Funkgeräte von Dienstag und Mittwoch auch ihr Kommunikationskonzept neu aufstellen muss. Die mutmasslich durch Israel mit Sprengstoff präparierten Geräte sind diese Woche ohne Vorwarnung explodiert und haben dabei mehr als 3000 Menschen verletzt sowie Dutzende weitere getötet. Mit dem Angriff auf Akil hat Israel nun erneut demonstriert, wie sehr seine Geheimdienste die Strukturen der islamistischen Miliz unterwandert haben.

USA pochen auf diplomatische Lösung

Während Israel und der Hizbullah in einen offenen Krieg zu schlittern scheinen, hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu am Freitag angekündigt, seine geplante Reise in die USA um einen Tag zu verkürzen, wo er am 27. September vor der Uno-Generalversammlung sprechen will. Der israelische Armeechef Herzi Halevi hielt derweil Beratungen mit dem nördlichen Armeekommando über die Situation an Israels Nordgrenze ab.

Die USA, Israels wichtigster Verbündeter, zeigten sich besorgt über die eskalierende Lage in Nahost. Gleichzeitig versicherte ein Sprecher des Weissen Hauses, John Kirby, die Zeit für eine diplomatische Lösung der Krise sei noch nicht abgelaufen. «Ein Krieg ist nicht unvermeidlich, und wir werden weiterhin alles tun, was wir können, um ihn zu verhindern.»

Bisher hat der Hizbullah die Einstellung seiner Angriffe allerdings stets an eine Waffenruhe im Gazastreifen geknüpft. Eine solche scheint derzeit ausser Reichweite, und auch Kirby gestand ein, dass man einer Einigung nicht näher gekommen sei. Es sei primär der Hamas-Chef Yahya Sinwar, der mit seiner Blockadehaltung ein Abkommen verhindere.

Exit mobile version