Montag, Oktober 7

Eine Eskalation an der libanesisch-israelischen Grenze ist vorerst abgewendet. Doch Hizbullah-Chef Nasrallah sagte am Sonntag: «Es wird noch die iranische Antwort und die Antwort der Huthi aus Jemen folgen».

Die libanesische Schiitenmiliz Hizbullah hat am frühen Sonntagmorgen einen Grossangriff auf Israel durchgeführt. Sie hat laut eigenen Angaben 340 Raketen und Dutzende Drohnen auf Israel abgefeuert. Israel spricht von 210 abgeschossenen Raketen.

Der Angriff des Hizbullah erfolgte als Vergeltung für die Tötung des hochrangigen Kommandanten Fuad Shukr in Beirut vor knapp einem Monat durch Israel.

Ein verletzter israelischer Zivilist

Laut Angaben des israelischen Militärs zerstörten ungefähr hundert eigene Kampfjets in den frühen Morgenstunden Tausende von Raketenabschussrampen in Südlibanon. Durch den Präventivschlag wurden laut dem israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant die Hälfte bis zu zwei Drittel der Hizbullah-Raketen nicht abgefeuert.

Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden bei den Angriffen in Südlibanon drei Personen getötet. In Israel wurde ein Marinesoldat getötet und zwei weitere leicht verletzt. Dieser wurde laut einer vorläufigen Untersuchung der Armee von einem Splitter einer israelischen Abwehrrakete getroffen. Ausserdem wurde ein israelischer Zivilist verletzt.

«Die Raketen waren hauptsächlich auf Nordisrael und einzelne wenige Ziele im Zentrum gerichtet», sagte ein Armeesprecher am Sonntagmorgen. Laut eigenen Angaben versuchte der Hizbullah einen Angriff auf das Hauptquartier des israelischen Auslandgeheimdiensts Mossad in der Nähe von Herzliya, nördlich von Tel Aviv.

Ein von Israel am Sonntagmorgen über das ganze Land verhängter Ausnahmezustand wurde einige Stunden nach dem Angriff wieder aufgehoben. Auch der Flughafen Tel Aviv nahm nach zweistündiger Unterbrechung seinen Betrieb wieder auf.

Hizbullah ist zufrieden

Am Sonntagvormittag teilte der Hizbullah mit, dass der Angriff beendet und damit die erste Phase der Vergeltung abgeschlossen sei. Hizbullah-Chef Hassan Nasrallah feierte den Angriff in einer Rede am Abend als einen Sieg. Die israelischen Angaben seien Lügen, alle Raketen hätten ihr angedachtes Ziel erreicht und Israel sei schwerer Schaden zugefügt worden.

Mit einem weiteren Angriff des Hizbullah ist für erste nicht zu rechnen. Nasrallah kündigte an, dass die Vergeltung abgeschlossen sei, falls sich herausstelle, dass das Resultat des Angriffs für den Hizbullah zufriedenstellend sei. An die Libanesen gerichtet sagte er, das Land könne nun vorerst durchatmen. «Es wird noch die iranische Antwort und die Antwort der Huthi aus Jemen folgen», sagte Nasrallah. Einen weiteren Angriff aus Libanon erwähnte der Hizbullah-Chef nicht.

Rückkehr zum Grenzkrieg

Nach Beginn der Angriffe sprach der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant mit seinem amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin. Beide betonten unter anderem, wie wichtig es sei, eine regionale Eskalation zu vermeiden.

Der Hizbullah und Israel befinden sich seit dem 8. Oktober in einem Grenzkrieg, nachdem die Schiitenmiliz in Solidarität mit der Hamas begonnen hat, den Norden Israels zu beschiessen. Nach der gezielten Tötung Fuad Shukrs Ende Juli ist die Furcht vor einer Eskalation des Konflikts an der Nordgrenze grösser geworden. Sollte ein grosser Krieg zwischen dem mit Iran verbündeten Hizbullah und Israel ausbrechen, könnte dies zu einem Flächenbrand in der gesamten Region führen.

Bei einer Kabinettssitzung am Nachmittag sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, der Präventivschlag gegen die Hizbullah-Stellungen sei nicht das «Ende der Geschichte» gewesen. Dieser sei ein weiterer Schritt, um die Situation im Norden zu verändern und israelische Bürger sicher in ihre Häuser zurückzubringen. Seit dem Beginn des Grenzkriegs vor über zehn Monaten wurden rund 60 000 Israeli von der Grenzregion evakuiert.

Es ist davon auszugehen, dass beide Seiten nach dem Vergeltungsschlag der Islamisten aus Libanon wieder zum Grenzkrieg zurückkehren. Der Hizbullah hatte angekündigt, seinen Beschuss erst einzustellen, sobald ein Waffenstillstand im Gazastreifen herrscht. Die Verhandlungen um eine Feuerpause wurden am Sonntag in Kairo fortgesetzt.

Exit mobile version