Sonntag, November 24

Schon vor dem Spiel zwischen Ajax und Maccabi Tel Aviv hatten Beschimpfungen und Tätlichkeiten den Konflikt hochgeschaukelt. Dann kam es zu wüsten und auch antisemitischen Vorfällen – manche sprechen von einem «Pogrom».

Gewalt von Fans bei Fussballspielen gibt es in Europa zwar immer wieder. In der Nacht auf Freitag hat sich in Amsterdam allerdings der übliche Fussball-Hooliganismus mit den politischen Schockwellen des Gaza-Krieges auf üble Weise vermischt.

Rund um das Europa-League-Spiel Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv kam es zu Gewalttaten gegen israelische Fussballfans. Junge Männer auf Motorrollern fuhren durch die Strassen und griffen Maccabi-Supporter an. Femke Halsema, Amsterdams Stadtpräsidentin, sprach von einer «Hit and run»-Taktik der Angreifer. Es gab aber auch Provokationen vonseiten der Maccabi-Ultras, die laut Polizei einen Taxifahrer angriffen und eine Palästina-Flagge verbrannten.

Auf Videos sind Anhänger des Vereins zu sehen, die in Gesängen auf rassistische Weise Araber beleidigen. Ein Polizeisprecher sagte, Vertreter beider Seiten behaupteten, die jeweils andere habe die Auseinandersetzung gesucht. Amsterdams Stadtpräsidentin Halsema sagte, die Fans des israelischen Klubs seien tätlich angegriffen und mit Feuerwerk beworfen worden. Die Polizei habe immer wieder einschreiten müssen, um die Anhänger aus Israel zu beschützen.

Laut Angaben der Polizei wurden 62 Personen verhaftet, 5 Personen wurden mit leichten Verletzungen ins Spital gebracht. Zur Identität der Verhafteten machten die Behörden keine Angaben. Auf die Frage eines Journalisten, ob es sich um Jugendliche mit marokkanischem Hintergrund handle, sagte Halsema, die Identität der Krawallmacher zu klären, sei Aufgabe der polizeilichen Untersuchung.

Am Freitagmittag hielt die Polizei noch 10 Personen fest, 8 Erwachsene und 2 Minderjährige. Sie sollen vor Gericht gestellt werden. Die verletzten Personen konnten das Spital im Verlauf des Freitags wieder verlassen.

Israels Regierung hatte zuerst angekündigt, spezielle Rettungsflugzeuge mit geschultem Personal in die Niederlande zu schicken, um die Maccabi-Fans nach Hause zu holen. Das wäre ein schwerer Affront gegenüber den Niederlanden gewesen, der insinuiert hätte, die Behörden seien von den Ausschreitungen überfordert gewesen. Das Vorhaben wurde denn auch schnell wieder abgeblasen. Zivile Flugzeuge von kommerziellen Airlines sollen die Supporter zurück nach Israel bringen. Israels Aussenminister Gideon Saar reiste nach Amsterdam, um mit niederländischen Regierungsvertretern zu sprechen.

Politiker äussern sich schockiert und empört

«Die Ereignisse der vergangenen Nacht machen mich wütend», sagte die Stadtpräsidentin Halsema am Freitagmittag. Sie verstehe, dass sich manche Menschen an Pogrome erinnert fühlten. Das provokative Verhalten israelischer Fans dürfe nicht als Entschuldigung für die Ereignisse gelten.

Auch der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof zeigte sich von den antisemitischen Angriffen auf israelische Bürger schockiert. Antisemitische Zwischenfälle hätten seit dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem anschliessenden Krieg in Gaza auch in den Niederlanden zugenommen.

Ausländische Politiker äusserten sich ebenfalls zu den Ausschreitungen in Amsterdam, unter ihnen der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und US-Präsident Joe Biden. Sie nahmen Bezug auf Europas Geschichte. Macron meinte, die Ereignisse erinnerten ihn an die dunkelsten Stunden des Kontinents.

Israels Präsident Isaac Herzog äusserte sich entsetzt. «Mit Grauen sehen wir heute Morgen die schockierenden Bilder und Videos, von denen wir seit dem 7. Oktober gehofft haben, sie nie wieder zu sehen», schrieb er auf der Plattform X.

Die Polizei verhindert eine Ansammlung beim Stadion

Die Spannungen waren bereits in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag gestiegen, wobei die genaue Abfolge der Ereignisse unklar ist. Berichtet wird, dass ein Fan von Maccabi in einen Amsterdamer Kanal geworfen worden sei. Auch seien Plakate mit den palästinensischen Farben von Hausmauern gerissen worden.

Am Donnerstagnachmittag versammelten sich dann die Fans von Maccabi auf dem Dam, einem Platz in der Innenstadt. Sie stimmten ihre Gesänge an und schwenkten Klubfahnen sowie israelische Flaggen. Die Fans aus Tel Aviv erklärten gegenüber der niederländischen Zeitung «NRC», wenn man im Ausland sei, wolle man auch zeigen, woher man komme. Die Stimmung sei von Anfang an feindselig gewesen, immer wieder habe man ihnen «Free Palestine» zugerufen.

Die Krawallmacher versuchten darauf, zum Johan-Cruyff-Stadion zu gelangen, obwohl die Behörden eine Kundgebung dort verboten hatten. Darauf hätten die Jugendlichen antisemitische Parolen wie «Krebsgeschwür Zionisten» und «Krebsgeschwür Juden» gerufen.

Anti-Terrorismus-Behörde sah keine ausserordentlichen Risiken

Vor 86 Jahren, am 9. und 10. November 1938, fanden in Deutschland die Novemberpogrome statt. Stadtpräsidentin Halsema hatte deshalb die Behörde zur Terrorbekämpfung (NCTV) vor dem Spiel gebeten, eine Risikoanalyse vorzunehmen. Doch die Spezialisten sahen keine aussergewöhnliche Bedrohungslage.

Derweil steht in Europa bereits das nächste Fussballspiel bevor, in dessen Umfeld Konflikte zu erwarten sind. Am kommenden Donnerstag werden die Nationalmannschaften Frankreichs und Israels in Paris gegeneinander spielen.

Der Match soll laut Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau wie geplant stattfinden. Eine Absage des Spiels würde bedeuten, sich von Gewaltandrohungen und Antisemitismus einschüchtern zu lassen. Das komme nicht infrage.

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