Die Tötung von General Zahedi und anderen hohen Offizieren der iranischen Revolutionswächter in Damaskus ist eine Provokation. Israel muss aufpassen, dass es seine Karten im Schattenkrieg gegen Teheran nicht überreizt.
Bis Montag hatte Israel dieses Jahr 29 Luftangriffe in Syrien geflogen. Die Angriffe richteten sich zumeist gegen Einrichtungen der iranischen Revolutionswächter, des libanesischen Hizbullah und anderer mit Iran verbündeter Milizen. In der Regel sorgten die Angriffe für keine grossen Schlagzeilen: Die Israeli äusserten sich nicht dazu, und auch die Iraner hielten sich bedeckt, um nicht zu einer Reaktion gezwungen zu sein. Wie schon in den vergangenen Jahren zog das Regime in Teheran es vor, seine Präsenz in Syrien in aller Stille weiter auszubauen.
Doch der dreissigste Angriff dieses Jahr war anders. Denn die Raketen, die israelische Kampfjets am Montagnachmittag abfeuerten, trafen ein Gebäude neben der iranischen Botschaft in Damaskus, in dem sich die Konsularabteilung befand. Ein solcher Angriff ist präzedenzlos und markiert in Israels langem Schattenkrieg gegen Iran eine gefährliche Eskalation. Denn diplomatische Einrichtungen geniessen unter dem Völkerrecht besonderen Schutz.
Der Angriff auf das Konsulatsgebäude galt Mohammed Reza Zahedi, Irans höchstem General in Libanon und Syrien. Der 63-Jährige war seit vielen Jahren für die Verbindungen der Revolutionswächter zum Asad-Regime in Syrien und zur Hizbullah-Miliz in Libanon zuständig. Neben Zahedi wurden auch sein Stellvertreter, General Hadi Haji Rahimi, und weitere Offiziere der iranischen Kuds-Brigaden getötet, der Eliteeinheit der Revolutionswächter für Auslandeinsätze.
Ein Angriff auf ein Konsulat ist ein Tabubruch
Zahedi ist der höchste iranische Offizier seit General Kassem Soleimani, der bei einem gezielten Angriff getötet wurde. Der Kommandant der Kuds-Brigaden war am 3. Januar 2020 auf Befehl von Präsident Trump am Flughafen von Bagdad getötet worden. Rechtlich sind solche Angriffe umstritten. Weder die USA noch Israel sind schliesslich im Kriegszustand mit Iran. Politisch ist es zudem eine offene Frage, wie weit die Tötung einzelner Offiziere der eigenen Sicherheit dient.
Die Israeli waren sich dieser Fragen zweifellos bewusst. Sie wussten auch, dass der Angriff auf ein Konsulatsgebäude ein Tabubruch ist. In den vergangenen Jahren hatten sich Israels Luftangriffe meist auf iranische Waffenlager, Militärstützpunkte und Konvois mit Nachschub für den Hizbullah gerichtet. Dabei waren zwar auch regelmässig Angehörige der Revolutionswächter, des Hizbullah und der syrischen Armee getötet worden, doch waren sie nicht das primäre Ziel.
Dies hat sich in letzter Zeit geändert. Schon im Dezember hatte Israel den Kuds-Kommandanten Seyyed Razi Mussawi in Damaskus getötet. Am Freitag bombardierte es ein Waffendepot am Flughafen von Aleppo, wobei über fünfzig syrische Soldaten und Hizbullah-Kämpfer getötet wurden. Mit dem Angriff auf das Konsulat sind die Israeli nun noch weiter gegangen. Dass dies als gezielte Eskalation und Provokation verstanden werden muss, war es ihnen offenbar wert.
Einen offenen Krieg mit Iran kann Israel nicht wollen
Es steht ausser Frage, dass die iranische Militärpräsenz in Syrien eine Bedrohung für Israel darstellt. Ebenso klar ist, dass Israel das Recht hat, sich gegen die Angriffe der Hizbullah-Miliz zu verteidigen, die nach dem Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober eine eigene Front im Norden aufgemacht hat. Die Raketen- und Mörserangriffe der schiitischen Miliz kosten immer wieder Leben und haben Israel gezwungen, über 80 000 Einwohner aus dem Grenzgebiet im Norden zu evakuieren.
Nach sechs Monaten ist aber klar erkennbar, dass weder Iran noch der Hizbullah Interesse an einem grösseren Krieg haben. Das Regime in Teheran scheint vielmehr bemüht, eine gewisse Schwelle nicht zu überschreiten. Israel spekuliert womöglich darauf, dass Iran auch jetzt eine weitere Eskalation vermeiden wird. Doch Israels Strategie ist riskant. Denn der Angriff auf das Konsulat könnte Iran zwingen, härter als bisher zu reagieren, um die Abschreckung wiederherzustellen. Das Ergebnis könnte ein Krieg sein, den auch Israel nicht wollen kann.