Dienstag, Oktober 1

Frédéric S. aus B. will wissen, ob Weinexperten mit den Fachjargon-Vokabeln einen besonderen Fetisch pflegen. Welches sind die originellsten oder blumigsten Ausdrücke? Mit welchen Flaschen kann man Weinliebhaber besonders beeindrucken?

Wahrlich: Die Weinsprache kann sehr blumig sein. Obwohl Wein ein emotionales Produkt ist, bevorzuge ich eher nüchterne Beschreibungen, die auch nachvollziehbar sind. Vieles ist Bluff und dient in erster Linie dazu, die eigene Kompetenz hervorzuheben und das Gegenüber zu beeindrucken.

Es ist meiner Meinung nach nicht allzu relevant, ob jetzt in der Nase eher Kirschen, schwarze Beeren oder Pflaumen auszumachen sind. Tutti-Frutti ist nicht mein Ding. Wichtiger ist die Tatsache, ob das Bouquet vielfältig, intensiv, verhalten oder eindimensional ausfällt. Das Gleiche gilt im Gaumen, um ein Beispiel zu nennen: reife oder grüne Gerbstoffe? Eine solche Beschreibung sagt einiges über die Qualität eines Weins aus.

Bitte auch kein Name-Dropping

Bemühend finde ich auch Bezeichnungen wie «männliche oder weibliche Weine». Bei diesen Vokabeln handelt es sich um Phrasen, unter denen man sich wenig vorstellen kann. Ist ein Barolo männlich? Ein Barbaresco feminin? Schwierig. Manchmal will man besonders allwissend sein, etwa in dem Fall: Ich mag eigentlich keine Sancerre-Weine, liebe aber Sauvignon blanc. Dummerweise wird Sancerre aus ebendiesem Sauvignon blanc produziert.

Mit berühmten Etiketten oder sehr bekannten Markenweinen können (fast) alle beeindruckt werden. Die Auswahl solcher Weine ist allerdings weder originell noch eine Garantie dafür, dass sich im Glas ein wirklich einzigartiger Wein befindet. Er ist zwar teuer, aber in vielen Fällen auch austauschbar. Bleibt zum Schluss ein allgemeingültiger Tipp: Man vertraue auf den eigenen Geschmack und sei eher zurückhaltend mit allzu originellen Beschreibungen.

Fragen an: peter.keller@nzz.ch

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