Dienstag, November 26

Die Aktienmärkte erleben weltweit eine Achterbahnfahrt. Auf wiederholte Abstürze folgt eine Stabilisierung, doch die Nervosität unter den Anlegern bleibt hoch.

Der Sommer ist da, doch die Stimmung an den Börsen ist weiterhin miserabel. Ende vergangener Woche waren die Aktienmärkte gar in den Panik-Modus gerutscht und mussten massive Verluste verbuchen.

Am Dienstag kam es zu einer Gegenbewegung: Der japanische Leitindex Nikkei, der noch am Montag einen historischen Absturz von mehr als 12 Prozent erlebte, sprang um ein Zehntel in die entgegengesetzte Richtung.

In Asien, in Europa und in den USA konnten sich die Märkte am Dienstag zumindest zeitweise stabilisieren. Doch die Lage ist sehr fragil, ein erneuter Kurssturz ist jederzeit möglich. Anleger können aus den vergangenen drei Börsentagen einiges lernen.

1. Weit entfernte Geldpolitik wirkt sich global aus

Es war eine Entscheidung, die viele kaum registrierten: Vergangene Woche hob die japanische Zentralbank überraschend den Leitzins von 0,0 auf 0,25 Prozent an, um der dortigen Inflation entgegenzuwirken. Fast zeitgleich stellte die amerikanische Zentralbank Fed Zinssenkungen im September in Aussicht. Angst vor einer Rezession in den USA breitete sich aus.

Viele Profi-Investoren wurden von der Entwicklung auf dem falschen Fuss erwischt. Sie hatten sich in Japan zu niedrigen Zinsen Geld geliehen, um Investments in höher verzinste Anlagen, zum Beispiel US-Technologieaktien, zu finanzieren. Die Entscheidungen der Zentralbanken in Tokio und Washington D.C. führten aber zu, dass der Yen plötzlich erstarkte.

Mit einem stärkeren japanischen Währung funktionierte der Trick der Profi-Investoren plötzlich nicht mehr: Sie mussten schnell Aktien verkaufen, um sich gegen Wechselkursverluste abzusichern – die Aktienkurse sackten in der Folge auf breiter Front ab.

Will heissen: Auch vermeintlich kleine geldpolitische Anpassungen in einem weit entfernten Wirtschaftsraum wie Japan können den eng verflochtenen Kapitalmarkt weltweit erschüttern. Deshalb gilt: Wenn Währungshüter an der Zinsschraube drehen, ist stets Vorsicht geboten.

2. Die «Magnificent Seven»-Aktien sind verwundbar

Seit dem Ende der Corona-Pandemie gab es an der Börse einen «Trade», der fast unschlagbar lukrativ war: Wer als Anleger auf die sogenannten «Magnificent 7»-Aktien setzte, erzielte fast garantiert eine zweistellige jährliche Rendite. Diese sieben Aktien umfassen die grossen amerikanischen Tech-Titel Apple, Microsoft, Alphabet, Meta, Nvidia, Netflix und Tesla.

Auch dieser Trade hat in der vergangenen Woche auf einmal nicht mehr funktioniert. Sogar die Aktien von Börsen-Supertankern wie Apple, Microsoft und Nvidia wurden im Gefolge der Turbulenzen nach unten gerissen und verloren in den letzten drei Handelstagen zwischen 5 und 10 Prozent. Das entspricht angesichts des enormen Gewichts dieser Valoren einer Wertvernichtung von mehreren hundert Milliarden Dollar.

Ob sie die jüngst erlittenen Verluste rasch wettmachen können, ist ungewiss. Denn trotz jüngsten Rückgängen sind die Bewertungen der Tech-Aktien immer noch hoch. Zudem findet angesichts der erwarteten Zinssenkung eine Rotation in andere Sektoren und kleinere Unternehmen statt, die von sinkenden Zinsen profitieren könnten.

Verluste bei den grossen US-Tech-Aktien haben auch Folgen für Anleger, die über Indexfonds (ETF) wie den MSCI World oder Investments in der freiwilligen Vorsorge (dritte Säule) indirekt an den Tech-Riesen beteiligt sind. Geht es diesen schlecht, ist das schlecht für die Performance.

3. Sich auf Hypes wie KI einzulassen, ist gefährlich

Eine Billion Dollar. Zwei Billionen Dollar. Die Bewertungen von «KI-Aktien» wie Nvidia haben in den vergangenen Monaten schwindelerregende Höhen erreicht. Die Titel des Chip-Herstellers haben seit dem Allzeithoch Ende Juli bereits rund 20 Prozent an Wert verloren.

Das zeigt: Auf künstliche Intelligenz zu setzen, kann sehr lukrativ sein, ist aber ebenso risikoreich, wie die letzten Börsentage gezeigt haben. Angesichts der immer noch hohen Bewertung dieser Titel könnte die Korrektur noch weitergehen.

4. Schweizer Aktien schützen nicht vor Turbulenzen

Angesichts des breit angelegten Ausverkaufs bot auch der als sicher geltende Schweizer Aktienmarkt kaum Schutz. So hat der Schweizer Leitindex SMI am Freitag und Montag mit jeweils über 3 Prozent zeitweise mehr als andere europäische Indizes verloren. Grund: Weil der Franken in unsicheren Zeiten eine Fluchtwährung ist und deshalb zulegt, trüben sich die Gewinnaussichten der Unternehmen ein, zudem sehen die Finanzzahlen schlechter aus.

Aktien wie UBS, Swiss Re oder Holcim haben in den letzten Tagen besonders stark verloren. Teilweise spielten dabei auch unternehmensspezifische Gründe eine Rolle. Tatsache ist: Portfolios, die viele Schweizer Titel beinhalten, bieten nur auf lange Frist defensive Eigenschaften. Kurzfristig ist man mit Schweizer Aktien genauso den Schwankungen des Marktes ausgesetzt.

5. Gold hält sich passabel

Der Goldpreis hielt sich während der Marktturbulenzen ziemlich gut. Am Dienstagnachmittag kostete eine Unze Gold 2396 Dollar. Das ist 16 Prozent mehr als Anfang Jahr. Dies ist aus Sicht von Thomas Stucki, Anlagechef bei der St. Galler Kantonalbank (SGKB), beachtlich.

Claudio Wewel, Devisenstratege bei der Bank J. Safra Sarasin, hätte sich von der jüngsten Entwicklung beim Goldpreis noch etwas mehr erhofft. Franken-Anleger hätten jüngst aufgrund der stärkeren Schweizer Währung nicht von der Entwicklung des Goldpreises profitiert, da Gold in Dollar gehandelt wird.

Der Devisenstratege ist trotzdem optimistisch für die weitere Entwicklung. Für Gold spreche das schwierige geopolitische Umfeld sowie die Unsicherheit bezüglich der US-Präsidentschaftswahlen.

6. Der Bitcoin ist kein «digitales Gold»

In der jüngsten schwierigen Marktphase sind Bitcoin und andere Kryptowährungen erneut den Beweis schuldig geblieben, dass sie als eine Art «digitales Gold» für Stabilität im Portfolio von Geldanlegern sorgen können. Vielmehr fiel der Preis für Bitcoin innerhalb der vergangenen fünf Tage bis zum Dienstagnachmittag um 15,5 Prozent auf rund 55 000 Dollar. Vorübergehend sank der Preis sogar unter die 50 000-Dollar-Marke, um sich dann wieder etwas zu erholen.

«Der Bitcoin ist eine Risikoanlage und hängt oft an der Entwicklung der Aktienmärkte», sagt Anlagechef Thomas Stucki. Hinzu komme, dass die Markttiefe bei Kryptowährungen nicht besonders gross sei. Dies führe zu starken Ausschlägen bei den Preisen – in die eine oder die andere Richtung.

7. Der Franken bleibt ein sicherer Hafen – Schweizer Anleger fahren gut mit ihm

Als sicherer Hafen hat sich einmal mehr der Franken erwiesen. Inmitten der Marktturbulenzen legte die Schweizer Währung sowohl gegenüber dem Dollar als auch dem Euro deutlich zu. Die europäische Gemeinschaftswährung war am Montag gegenüber dem Franken bis auf 0,92 Franken gesunken. Dies war der niedrigste Stand seit dem «Franken-Schock» im Januar 2015. Damals hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) zuvor entschieden, den Mindestkurs des Frankens gegenüber dem Euro aufzuheben.

Schweizer Anleger sind gut bedient, wenn sie einen grösseren Teil ihrer Anlagen in Franken halten. So gehen sie nicht das Risiko ein, dass ihr Vermögen aufgrund von Währungseffekten reduziert wird. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Franken schliesslich gegenüber den meisten Währungen deutlich an Wert gewonnen. Kommt es zu Turbulenzen an den Börsen, verlieren Schweizer Anleger mit Anlagen in Fremdwährung oft doppelt: Die Anlage gibt nach und dazu kommt noch der negative Währungseffekt.

Exit mobile version