Freitag, Oktober 11


Stilkritik

Warum die Bilder des US-amerikanischen Schauspielers mit riesigen Blumensträussen vom Bauernmarkt gerade viral gehen.

Blumen und Männer, das geht in den Augen vieler nach wie vor nicht zusammen. Denn Blumen sind zart, fragil, farbig, dekorativ und organisch geformt. Sprich: feminin. Klassische Männersachen aber sind eher hart, kantig, metallisch, widerstandsfähig. Anhand der Form von Parfumflakons kann man das etwa sehr gut belegen. Und anhand ihrer Inhalte: ein blumiger Männerduft ist schwer zu finden. Nur Kräuter, höchstens Lavendel, scheinen zulässig.

Der US-amerikanische Schauspieler Jeremy Allen White, bekannt für seine Rolle als Koch Carmy Berzatto in der Serie «The Bear: King of the Kitchen», beweist, wie man sich getrost von diesen Klischees lösen kann. Regelmässig spaziert er zum Bauernmarkt im kalifornischen Los Angeles, kauft manchmal einen, manchmal auch zwei Sträusse von der Grösse eines Erstklässlers und trägt sie wie ein Accessoire mit sich herum.

Da er ein Star ist, sind natürlich auch die Paparazzi nicht weit, welche die Szenerie festhalten. Und diese Fotos machen gerade auf Instagram die Runde, erhalten vor allem von Frauen Tausende von Likes, Kommentare («No thoughts, just awwwwww» oder «He selected the best flower bouquet») und Tweets («Babe wake up, new Jeremy Allen White farmers market pics dropped»). Fast wie in einem Live-Ticker verfolgt man, in welchem Look und mit welchen Blumen er sich als nächstes zeigt.

Diese Begeisterung hat verschiedene Gründe. Zum einen mögen viele Menschen aus Prinzip Männer, die zum Markt gehen. Das hat etwas Gesundes, Entschleunigendes, ja gar Fürsorgliches. Weiter herrscht ein fast schon absurder Kontrast zwischen den übergrossen Bouquets und White in seinen lässigen Klamotten und stets leicht verpeilter Attitude.

Zum anderen sind wir es schlichtweg nicht gewohnt, Männer mit Blumensträussen zu sehen. Höchstens am Valentinstag oder auf der Bühne; aber für Musiker und Theaterleute gelten ja eh andere Regeln. Das Sich-Abgrenzen von Grünzeug geht soweit, dass es sogar eine eigene Marke gibt, die sich auf Zimmerpflanzen für Männer spezialisiert hat. Da gibt es dann Kakteen und anderes pflegeleichtes Stachelzeug.

Vorbild als Blumenfreund

Natürlich wählt auch White hier durchaus männertaugliche Blumen, wenn man das denn so benennen will. Das sind keine kleinen braven Sträusschen, wie sie Blumenkinder tragen, auch keine eleganten und handlichen Braut-Bouquets, sondern wilde, ungezähmte Sträucher oder Blumen mit fleischigen Stielen, die gerade noch so in eine Bodenvase passen. Gilt demnach für Blumen und Männer das gleiche Klischee wie für Männer und Autos, je grösser desto besser?

Was Jeremy Allen White schlussendlich mit den Sträussen macht, darüber schweigt er und das Internet bisher. Aufstellen? Umstecken? Verschenken? Eine sehr männlich besetzte Möglichkeit wäre es, sie abzumalen: Von Paul Gauguin über Claude Monet hin zu Andy Warhol, die berühmten Vorbilder sind da. Und White, sowieso bereits für seinen Stil gefeiert, kann nun eines dafür werden, sich öffentlich zu floralen Accessoires zu bekennen.

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