Während bei Ständeräten ausserkantonale Wohnsitze verboten sind, können Nationalräte sogar im Ausland leben.

Ein Richterspruch hat die Politkarriere des Schaffhauser Ständerats Simon Stocker (SP) abrupt beendet. Weil Stocker am Wahltag vor anderthalb Jahren seinen Lebensmittelpunkt in Zürich hatte und nicht in seinem Heimatkanton, ist er diese Woche per Bundesgerichtsentscheid seines Amtes enthoben worden.

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Stocker wurde zum Verhängnis, dass er zwar in Schaffhausen angemeldet gewesen war, sich sein Familien- und Arbeitsleben aber in erster Linie in der Stadt Zürich abspielte. Dort lebte er hauptsächlich mit seiner Frau und seinem Kind. Der Kanton Schaffhausen muss das Amt nun neu ausschreiben.

Der Fall hat Diskussionen ausgelöst über moderne Familienmodelle – und über andere Politikerinnen und Politiker in einer ähnlichen Situation. Zu ihnen gehört die Zürcher Ständerätin Tiana Moser (GLP). Sie ist in Zürich gemeldet, lebt aber in einer Patchwork-Familie mit Matthias Aebischer (SP). Er ist ein ehemaliger Berner Nationalrat und heutiges Mitglied der Berner Stadtregierung. Beide haben Kinder aus einer früheren Beziehung, dazu kommt ein gemeinsames Kind.

Während des Wahlkampfs um den Zürcher Ständeratssitz – Moser trat gegen den SVP-Nationalrat Gregor Rutz an – betitelte die «Weltwoche» die Politikerin als «Teilzeit-Zürcherin». Das SVP-nahe Blatt zog in Zweifel, dass Moser den Kanton Zürich überhaupt im Ständerat vertreten dürfe.

Die Kantonsverfassung ist diesbezüglich deutlich. In den Ständerat kann gewählt werden, «wer in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt ist».

«Mein Lebensmittelpunkt war bei meiner Wahl in der Stadt Zürich, und er befindet sich auch heute in der Stadt Zürich», sagt Tiana Moser der NZZ. Sie und ihre Kinder seien im Quartier bestens verwurzelt.

Vor zwei Jahren erklärte sie den Tamedia-Zeitungen ihr Familienmodell. Das Paar ist nicht verheiratet, demnach zahlt Moser ihre Steuern in Zürich, Aebischer in Bern. Während der Sessionen des Parlaments wohnt die Zürcherin primär in Bern. Während der übrigen Zeit sei sie aber nur Montag und Dienstag in der Bundesstadt, den Rest der Woche verbringe sie in Zürich.

Beat Rüfenacht ist Co-Präsident der GLP Kanton Zürich. Er sagt: Der Lebensmittelpunkt von Tiana Moser sei Zürich, aber die politische Gegenseite habe im Wahlkampf versucht, dies anders darzustellen. Die Zürcher Bevölkerung habe dies offensichtlich anders gesehen und habe Tiana Moser als ihre Vertretung in den Ständerat gewählt. Er sei zuversichtlich, dass dies erneut geschehen werde, sagt Rüfenacht.

Grundsätzlich findet Rüfenacht: «Diverse Lebensmodelle sind Realität, und die gilt es zu berücksichtigen». Es dürfe nicht sein, dass man zwischen Familie und Politik entscheiden müsse. Den Entscheid des Bundesgerichts im Fall Stocker bezeichnet er als «aus dem vorigen Jahrhundert». Dies zeige, dass gesetzliche Anpassungen nötig seien.

Als Berliner für Zürich im Nationalrat

Speziell ist, dass die Wohnsitzpflicht nur für den Ständerat gilt. Für den Nationalrat darf man auch antreten, wenn man in einem anderen Kanton lebt – oder sogar im Ausland.

Einer der wenigen Nationalräte mit ausländischem Wohnsitz war der SP-Mann Tim Guldimann. Der frühere Schweizer Botschafter in Deutschland behielt seinen Berliner Wohnsitz, als er 2015 für den Kanton Zürich ins Bundesparlament gewählt wurde.

Nach nur gut zwei Jahren gab er das Amt allerdings wieder ab. Er begründete dies damals damit, dass er es nicht oder nur sehr beschränkt geschafft habe, in seinem Wahlkreis präsent zu sein. Es sei sehr problematisch, in einem Milieu zu leben und in einem anderen Milieu Politik zu machen. «Im Zürcher Tram ist es nicht wie in der Berliner U-Bahn», schrieb er 2018 in seinem Rücktrittsschreiben.

Ziemlich weit weg von Zürich lebte auch der GSoA-Gründer Andreas Gross. Er politisierte ebenfalls für die Zürcher SP, wohnte aber während Jahren im jurassischen Kleinstädtchen St-Ursanne, zwei Zugstunden von Zürich entfernt.

Martullo-Blocher: kein Wechsel nach Zürich

Auch Magdalena Martullo-Blocher ist eine ausserkantonale Nationalrätin. Die Chefin der Ems-Chemie und Tochter des SVP-Doyens Christoph Blocher wohnt und arbeitet am Zürichsee, sitzt aber für die Bündner SVP im Nationalrat. Im Bergkanton ist sie unter anderem über ihr Unternehmen stark verwurzelt.

Die «Weltwoche» hatte diese Woche berichtet, dass es Überlegungen gebe, bei den nächsten Wahlen auf die Zürcher SVP-Liste zu wechseln. Dies, weil der Kanton Graubünden bei den nächsten Wahlen wegen der demografischen Entwicklung einen seiner fünf Nationalratssitze verlieren könnte.

Ein Sprecher der Nationalrätin wies die «Weltwoche»-Story zurück. Sie stimme nicht. Magdalena Martullo-Blocher beschäftige sich nicht mit einer Nationalratskandidatur für den Kanton Zürich. Sie sei gewählte Nationalrätin für den Kanton Graubünden und vertrete diesen in Bern.

Sollte sie sich umentscheiden, würde sie keine Überzeugungsarbeit leisten müssen. «Die Türen stehen für eine Kandidatur von Magdalena Martullo-Blocher offen», sagt der SVP-Kantonalpräsident Domenik Ledergerber der NZZ. «Sie ist eine bekannte und profilierte SVP-Nationalrätin und sehr gute Wahlkämpferin.» Die Zürcher SVP sei immer gesprächsbereit und man werde zu gegebener Zeit darüber diskutieren und entscheiden.

Wohnort wechseln, Partei wechseln – und alles von vorne

Eine Rochade der besonderen Art war jüngst im Stadtzürcher Politbetrieb zu beobachten. Der SVP-Gemeinderat Attila Kipfer kehrte nach einem Umzug nach Horgen – und nach einem zeitweiligen Wechsel der Partei – wieder in den Zürcher Gemeinderat zurück.

Kipfer sass dort schon einmal. Allerdings erreichte er bei den Wahlen 2022 lediglich den vierten Listenplatz, womit er nicht wiedergewählt war. Der Politiker nutzte die neue Situation für einige Veränderungen. So zog er nicht nur nach Horgen, sondern wechselte auch gleich die Partei. In Horgen wurde er Mitglied der FDP.

Die Politkarriere in Horgen war allerdings nur von kurzer Dauer. 2024 bot sich für Kipfer die Gelegenheit, in den Zürcher Gemeinderat nachzurutschen – und er zögerte nicht. Kipfer zog retour nach Zürich, und auch bei der SVP klopfte er wieder an. Heute sitzt er abermals als SVP-Politiker im Gemeinderat.

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