Mittwoch, Oktober 9

Erstmals seit über zwölf Jahren stand die Amerikanerin wieder vor einem italienischen Gericht. Knox sass fälschlicherweise für den Mord an ihrer britischen Mitbewohnerin in einem italienischen Gefängnis. Sie hoffte, mit diesem letzten Verfahren alle Vorwürfe gegen sie hinter sich zu lassen.

Vor 17 Jahren wurde im italienischen Universitätsstädtchen Perugia die britische Austauschstudentin Meredith Kercher ermordet. Der brutale Exzess – Kercher wurde vergewaltigt und mit Dutzenden Messerstichen getötet – sorgte international für Schlagzeilen. Immer im Mittelpunkt: die Amerikanerin Amanda Knox, die damalige Mitbewohnerin von Kercher.

Vier Jahre sass Knox – von den Medien bevorzugt «Engel mit den Eisaugen» genannt – wegen des Mordes an Kercher in Italien im Gefängnis. Doch sie ist unschuldig: 2015 sprach das Oberste Kassationsgericht in Rom sie in letzter Instanz vollumfänglich von dem Vorwurf des Mordes frei. Doch ein Schuldspruch wegen Verleumdung blieb bestehen. In einem letzten Verfahren wollte Knox auch hier einen Freispruch erzielen. Für die Urteilsverkündung kehrte sie diese Woche nach Italien zurück.

«Am 5. Juni werde ich genau denselben Gerichtssaal betreten, in dem ich für ein Verbrechen wieder verurteilt wurde, das ich nicht begangen habe. Dieses Mal, um mich erneut zu verteidigen», schrieb Knox Anfang der Woche in den Sozialen Netzwerken. Sie hoffe, ihren Namen ein für alle Mal von den falschen Beschuldigungen gegen sie reinigen zu können.

Doch das Gericht sah das anders und bestätigte die Strafe gegen Knox wegen falscher Anschuldigungen im Zusammenhang mit dem Mord.

Befragung ohne Anwalt und Dolmetscher

Amanda Knox war Ende 2007 wenige Tage nach dem Mord an Kercher von der italienischen Polizei festgenommen worden. Während ihrer Befragung hatte Knox den mit ihr befreundeten kongolesischen Barbesitzer Diya «Patrick» Lumumba fälschlicherweise beschuldigt, Kercher ermordet zu haben. Doch Lumumba hatte ein wasserdichtes Alibi und wurde nach zwei Wochen freigelassen. Knox wurde für die falsche Beschuldigung später zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt.

Die Strafe hatte keine praktische Konsequenz, da sie durch die verbrachte Zeit im Gefängnis bereits abgedeckt war. Knox sagte immer wieder, die Aussage sei unter dem Druck der Polizei entstanden. In ihrer Autobiografie «Waiting to be heard» schreibt sie, die Polizeibeamten hätten sie schikaniert, sie «wollten mich glauben machen, ich hätte eine traumabedingte Amnesie».

2019 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass es bei der Befragung von Knox zu Verfahrensfehlern gekommen war. So habe Knox während der Befragung weder einen Anwalt noch einen Dolmetscher bei sich gehabt. Letztes Jahr ordnete Italiens höchstes Gericht daher eine Neuverhandlung im Verleumdumgsfall an.

Vor dem Gericht in Florenz erneuerte Knox nun am Mittwoch ihre Aussagen: «Die Polizei hat mir mit 30 Jahren Gefängnis gedroht, ein Beamter hat mich dreimal geohrfeigt und gesagt: ‹Erinnere dich, erinnere dich›». Die Polizei habe gewollt, dass sie Lumumba beschuldige.

Nachdem das Gericht sie nun erneut wegen Verleumdung verurteilt hat, sei Amanda «sehr verbittert», sagte ihr Anwalt Luca Luparia Donati in einer ersten Reaktion. Er fügte hinzu, dass sie beabsichtige, in Berufung zu gehen.

Vier Jahre im Gefängnis

Knox war 2007 zusammen mit ihrem damaligen italienischen Freund Raffaele Sollecito festgenommen worden. Auch wenn die DNA-Spuren am Tatort ihnen nicht zugeordnet werden konnten, blieben die beiden in Haft. Zudem wurde Rudy Guede, ein vorbestrafter Einbrecher, auf der Flucht in Deutschland verhaftet. Man hatte seine Fingerabdrücke und DNA-Spuren an Kerchers Leiche festgestellt. Die Polizei beschuldigte nun Guede, Knox und Sollecito des Mordes. Guedes wurde 2008 verurteilt und 2021 wegen guter Führung vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen.

Zwischen 2007 und 2011 sass Knox im Zusammenhang mit dem Mord in einem italienischen Gefängnis. Die Geschworenen befanden Knox 2009 in einem Indizien-Prozess für schuldig, sie wurde zu einer Strafe von 26 Jahren verurteilt. Ein Berufungsgericht hob die Urteile gegen Knox und ihren Freund 2011 auf, Knox kehrte in ihre Heimatstadt Seattle zurück.

Die italienische Justiz jedoch focht die Freisprüche an, 2014 wurde Knox in Abwesenheit in Florenz erneut schuldig gesprochen. 2015 dann kam der endgültige Freispruch für Knox und Sollecito, unter anderem wegen «eklatanter Mängel» bei den Ermittlungsarbeiten. Nur die Verurteilung wegen Verleumdung eines Dritten wurde damals bestätigt und nun neun Jahre später durch das Gericht in Florenz erneuert.

Der Staatsanwalt erfand ein «satanisches Ritual»

Der brutale Mord an der 21-jährigen Meredith Kercher hatte zahlreiche Prozesse nach sich gezogen und die internationale Presse mit immer neuen Schlagzeilen versorgt. Das Milieu internationaler Austauschstudenten, zwei hübsche junge Frauen, vermeintliche Party- und Drogenexzesse waren ein gefundenes Fressen zu sein.

Knox prangerte später die Sensationslust der Medien an und sprach von einer Vorverurteilung, die es ihr unmöglich gemacht habe, einen fairen Prozess zu haben: «Auf der Weltbühne war ich eine gerissene, psychopathische, drogenabhängige Frau, eine Prostituierte.» In der Tat wurden etwa Gerüchte über ausgefallene Sexpraktiken verbreitet, nachdem Staatsanwälte über ein «satanisches Ritual» spekuliert hatten.

Um Knox und Sollecito entspann sich ein juristisches Tauziehen. Vor allem Knox stand über Jahre im Rampenlicht der internationalen Medien. Die Mehrheit der amerikanischen Medien sahen Knox von Beginn an als Opfer eines Justizskandals. Die Boulevardmedien Grossbritanniens, dem Heimatland des Opfers, sahen in Knox die Täterin.

Amanda Knox ist mittlerweile verheiratet und Mutter zweier Kinder. Zudem hat sie sich als Aktivistin für eine Reform der Strafjustiz einen Namen gemacht. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie einen Podcast und setzt sich gegen ungerechtfertigte Verurteilungen ein. Für ihre Memoiren erhielt sie laut Medienberichten einen Vorschuss von vier Millionen Dollar. Zusammen mit der ehemaligen Praktikantin im Oval Office, Monica Lewinsky, arbeitet sie an einer Serie über ihre Lebensgeschichte für den Streamingdienst Hulu.

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