Sonntag, Oktober 6

Italienische Regionalbanken eröffnen neue Filialen. Die Grossbanken setzen hingegen vermehrt auf Online- und Mobile-Banking.

Italiens Banken haben 2022 und 2023 insgesamt 1500 Geschäftsstellen geschlossen. Im ersten Halbjahr 2024 setzte sich der Trend fort. 163 Filialen sind gemäss der Gewerkschaft First Cisl verschwunden. Die Banken wollen auf diese Weise Kosten senken. Doch es gibt auch eine Gegenbewegung. So eröffnen die Südtiroler Sparkasse in Bozen, eine der führenden Banken im Nordosten Italiens, die Volksbank von Sondrio, Credem, die Cherry Bank und die Bank Desio neue Filialen.

«Während vornehmlich die Grossbanken ihre Filialen schliessen, bewegen wir uns gegen den Trend», sagt Gerhard Brandstätter, Präsident der Südtiroler Sparkasse in Bozen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre plant er die Eröffnung von 7 neuen Filialen. Man wolle eine lokale Verankerung der Bank als Ansprechpartnerin vor Ort auch in Zukunft beibehalten.

Digitalisierung wird vorangetrieben

Die Südtiroler Sparkasse gehört zu den wenigen Sparkassen Italiens, die die Marktbereinigung der letzten Jahre überlebt haben. Die Zahl der selbständigen Institute ging von über 500 auf knapp 100 zurück. Die Zahl der Sparkassen schmolz auf etwa 10 zusammen. Und auch die Volksbanken erfuhren durch Zusammenbrüche und staatlich geförderte Übernahmen eine starke Bereinigung. Auf Druck der Regierung in Rom mussten sich die Genossenschaftsbanken unter dem Dach von drei Gruppen zusammenschliessen.

Die verbleibenden Banken setzen stark auf Kostensenkungen und Digitalisierung. Italiens grösste Bank, Intesa Sanpaolo, schloss seit dem vierten Quartal 2021 839 Filialen. Zudem will sie den Grossteil der Konten auf die eigene Online-Bank übertragen. Bis 2025 soll die Online-Bank über eine Million Kunden verfügen. Wegen der Umstellung des Geschäftsmodells ist der Bedarf an Büroflächen bei der Intesa Sanpaolo seit Ende 2021 um 500 000 Quadratmeter verringert worden.

«Italien hatte in der Vergangenheit eine viel grössere Filialdichte als andere Länder. Durch die Zusammenschlüsse gab es viele Überlappungen. Es ist sinnvoll, durch Filialschliessungen Kosten zu reduzieren und die Digitalisierung voranzutreiben», meint dazu Stefano Caselli, Dekan der Mailänder SDA Bocconi School of Management, gegenüber der NZZ.

Italiens Nummer zwei, Unicredit, treibt die Digitalisierung ebenfalls voran, setzt aber weiter auf seine Filialen. Dennoch gründete auch Unicredit im Jahr 2018 eine Mobile-Bank. Mit dieser möchte sie auch nach Deutschland und Österreich expandieren.

Unicredit hat in diesem Jahr bisher keine Geschäftsstelle in Italien geschlossen. Unter Jean Pierre Mustier, Vorgänger des derzeitigen CEO Andrea Orcel, hatte die Bank aber schon bis im Jahr 2021 massiv Filialen geschlossen. Der Bedarf für Bürofläche ist innerhalb von zehn Jahren um 700 000 Quadratmeter reduziert worden. Die heute noch über fünf Standorte verteilten zentralen Abteilungen sollen in den nächsten Jahren am geplanten Unicredit-Campus zusammengefasst werden.

Bewusste Verankerung in der Region

Wenn einige mittelgrosse Banken die Chancen einer grösseren physischen Präsenz vor Ort wiederentdecken, ist das keine generelle Tendenz. Es handelt sich eher um ein selektives Vorgehen in attraktiven Regionen.

Die Südtiroler Sparkasse ist durch die Übernahme der Civibank 2020 von
München bis Bologna und von Mailand bis Triest präsent. Das Institut aus Bozen hat 169 Filialen, vor allem in Südtirol, Friaul-Julisch Venetien und Venetien. Neue Geschäftsstellen sind in den wirtschaftsstarken Regionen Venetien und Emilia-Romagna vorgesehen.

Das grössere Engagement in diesen beiden Regionen begründet Brandstätter damit, dass sie «zu den wirtschaftsstärksten und wettbewerbsfähigsten Regionen Italiens» zählen und es dort zahlreiche Familienunternehmen und KMU gibt.

Caselli von der Mailänder SDA Bocconi School of Management sieht die Eröffnung neuer Filialen eher mit Zurückhaltung: «Einige mittelgrosse Banken versuchen, durch die Eröffnung von neuen Filialen Räume zu füllen, die durch die Schliessung von Filialen grösserer Institute frei geworden sind. Ich bin sehr skeptisch, denn diese Strategie ist teuer. Als Newcomer in diesen Regionen müssen Sie qualitativ besser sein und bessere Konditionen bieten.» Nach seiner Ansicht braucht es nicht Filialen, sondern «gute Manager».

Die EU hat ihre eigenen Prioritäten

Doch 4,4 Millionen Italiener, vor allem im Landesinneren und speziell in Süditalien, leben in Gemeinden, in denen es keine einzige Filiale mehr gibt. Vor allem ältere Bürger drohen abgehängt zu werden.

Denn nur wenig mehr als die Hälfte der Italiener nutzt digitale Bankfunktionen. In der EU sind es 64 Prozent. Die mehrheitlich staatliche Post (Poste Italiane) steuert gegen die Reduktion von Bankfilialen an. Sie erwirtschaftet immer noch den grössten Teil ihrer Einnahmen mit Bank- und Versicherungsleistungen und setzt auf den Erhalt ihrer 13 000 Filialen.

Im Rahmen des Programms «Polis» baut die Post zum Grossteil mit Mitteln aus dem Europäischen Wiederaufbauprogramm Next Generation 7000 Geschäftsstellen vor allem in kleineren, ländlichen Gemeinden aus. Dort werden zusätzliche Dienstleistungen wie die Vergabe von staatlichen Dokumenten und der Verkauf von Strom- und Gaslieferungen angeboten. Der Ansatz ist aber ein anderer als bei der Südtiroler Sparkasse: Es ist eine Initiative zur Stärkung des ländlichen Raums mit staatlicher Unterstützung.

Caselli sieht die Strategie als positiv an, macht aber Einschränkungen: «Die italienische Post hat ein sehr dichtes Filialnetz und ist trotzdem sehr effizient. Grundsätzlich gibt es jedoch keine Alternative zu einer stärkeren Digitalisierung auch in Italien. Die Banken müssen ihre Kunden entsprechend weiterbilden, und die Politik muss die Bargeldzahlungen einschränken.»

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