Sonntag, November 24

Das Bezirksgericht Horgen sagt eine Urteilseröffnung kurzfristig ab und gibt ein Gutachten in Auftrag. Die Staatsanwältin beantragt für ein Elternpaar Freiheitsstrafen von vier Jahren wegen schwerer Körperverletzung seiner Tochter.

Ein Schweizer Ehepaar – der Vater ist 46-jährig, die Mutter 44 Jahre alt – soll jahrelang eine seiner Töchter misshandelt haben. Die beiden Beschuldigten sassen deshalb wegen schwerer Körperverletzung vor dem Bezirksgericht Horgen. Gemäss der Anklageschrift sollen die körperlichen Übergriffe bereits im Sommer 2007 begonnen haben, als das Mädchen fünf Jahre alt war, und bis ins Jahr 2018 gedauert haben.

Der Prozess fand am 15. Januar statt. Am Montag hätte am Bezirksgericht Horgen ein Urteil eröffnet werden sollen: Während der Urteilsberatung ist das dreiköpfige Richtergremium aber zum Schluss gekommen, dass die medizinische Aktenlage für ein Verdikt nicht ausreicht. Deshalb ist die Urteilseröffnung abgesagt worden. Es wird ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Die Staatsanwaltschaft I für Gewaltdelikte des Kantons Zürich wirft den Eltern vor, bei ihrer inzwischen volljährigen Tochter durch Anwendung von physischer und psychischer Gewalt eine schwere Schädigung der geistigen Gesundheit und somit eine schwere Körperverletzung verursacht zu haben.

Der Fall ist noch nicht spruchreif

Wie das Bezirksgericht Horgen in einer Medienmitteilung schreibt, kam das Gericht im Rahmen der Urteilsberatung zum Schluss, dass der Sachverhalt noch nicht spruchreif sei. «Mit der aktuellen medizinischen Aktenlage (. . .) lässt sich die Schwere der angeklagten Schädigung der geistigen Gesundheit der Tochter der Beschuldigten nicht ausreichend beurteilen», heisst es in der Mitteilung.

Deshalb holt das Gericht ein Gutachten ein, das sich auch zu den Ursachen allfälliger psychischer Schäden zu äussern habe und dazu, ob diese mit den Taten, die den Beschuldigten vorgeworfen würden, im Zusammenhang stünden. Wann der Prozess weitergeführt wird, ist noch nicht klar.

Die Staatsanwältin verlangt Freiheitsstrafen von je vier Jahren für beide Eheleute. Die Verteidigerin der Mutter beantragt für diese einen vollumfänglichen Freispruch. Der Vater sei laut seinem Anwalt nur zu einer bedingten Geldstrafe wegen einfacher Körperverletzung zu verurteilen.

Laut der Anklage, die vor allem auf den Aussagen der Tochter beruht, erfolgten die Übergriffe, wenn die Tochter schrie, wenn sie nicht gehorchte oder sich weigerte, Aufträge auszuführen. Dies sei über Jahre hinweg zu nicht genau bestimmbaren Zeitpunkten in unregelmässigem Rhythmus geschehen.

In der Anklageschrift sind unter anderem Stösse mit einem Wischmopp oder Besen in den Bauch, Würgen am Hals, das Schlagen mit Küchentüchern, das Werfen von Kleiderbügeln oder das Treten gegen den Körper des Kindes, wenn es am Boden lag, aufgeführt. Gemäss Anklage wurde die Tochter auch für ganze Tage nach draussen gesperrt, im Winter ohne Schuhe und Jacke.

Der heftigste Vorfall, der zur Strafanzeige des Mädchens, zur Verhaftung der Eltern und zum Auszug der Tochter aus der Wohnung führte, datiert vom April 2021, als das Opfer 18-jährig und damit schon erwachsen war. Bei einer Prügelei soll der Vater die Tochter heftig geschlagen und mit den Händen gewürgt haben. Er soll auch sein Knie auf den Hals der Tochter gelegt haben, so dass diese keine Luft mehr bekam.

Die Eheleute wurden aufgrund einer mehrere Wochen nach diesem Vorfall erfolgten Strafanzeige verhaftet und sassen im Spätsommer 2021 je etwas mehr als einen Monat in Untersuchungshaft. Sie haben noch drei weitere Kinder.

Schwester des Opfers ergriff Partei für Eltern

Im Prozess vor dem Bezirksgericht Horgen sagte die ältere Schwester des Opfers nochmals als Zeugin aus und ergriff dabei Partei für ihre Eltern. Sie kritisierte ihre ein Jahr jüngere Schwester, mit der sie jahrelang ein Zimmer teilte. Sie sagte, es wundere sie sehr, dass so viele Sachen passiert sein sollten, von denen sie nie etwas mitbekommen habe. Die Schwester habe schon immer gerne Geschichten erzählt, um ihre Ziele zu erreichen. Sie und ihre Geschwister seien zudem jahrelang von der Schwester geschlagen und terrorisiert worden.

Die beschuldigten Eltern räumten die jahrelange Gewalt gegenüber ihrer Tochter während des Prozesses teilweise ein. Sie seien überfordert und am Anschlag gewesen, die Tochter sei schwierig und rebellisch gewesen. Der Vater erklärte, er habe seine Tochter aber jeweils nur mit der flachen Hand geschlagen und nie gewürgt oder mit der Faust zugeschlagen, wie ihm vorgeworfen werde.

Seine Tochter habe «alles viel zu schlimm in Erinnerung». Erklären könne er sich das damit, dass sie immer gerne Polizeiserien geschaut habe, da schnappe ein Kind ja vieles auf. Die Mutter räumte ebenfalls ein, aus Überforderung Gewalt angewendet zu haben. Sie sei als Kind selber immer wieder spitalreif geprügelt worden.

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