Mittwoch, Oktober 30

Der WEF-Gründer Klaus Schwab tat sich mit den Schweizer Behörden wiederholt schwer. Erstmals veröffentlichte Dokumente werfen nun ein neues Licht auf einen Streit von 1993.

«Sie sehen also, dass es keineswegs ein einzelnes Ereignis ist, sondern das Zusammentreffen verschiedener Faktoren, die es als dringend notwendig erscheinen lassen, unser Verhältnis zur Regierung des Gastgeberlandes zu klären», schrieb der WEF-Präsident Klaus Schwab am 6. Januar 1993 in einem Brief an den damaligen Bundespräsidenten Adolf Ogi. Das Davoser Jahrestreffen sei lediglich Bestandteil einer Reihe von Aktivitäten des World Economic Forum. Die physische Gestaltung sei weniger wichtig als der «Spirit of Davos».

Schwab drohte damit unverhohlen mit einem Wegzug des WEF aus Davos. Dies hatte mehrere Gründe, wie dem soeben von der Forschungsstelle Diplomatische Dokumente der Schweiz (Dodis) veröffentlichten Schreiben zu entnehmen ist. Zum einen moniert der WEF-Gründer, dass 1992 am traditionellen Abschluss-Mittagessen mit Präsidenten und Regierungsmitgliedern aus über vierzig Ländern – «von uns im Namen des Bundesrats organisiert (und finanziert)» – im Gegensatz zu früheren Jahren «überhaupt keine Tischansprache» gehalten worden sei. Viele Anwesende hätten dies als Desavouierung der WEF-Stiftung empfunden. Diese Kritik richtete sich an den damaligen Aussenminister René Felber.

Irritationen nach dem Besuch des «Schlächters von Peking»

Weiter bemängelt Schwab, dass der Gesamtbundesrat einen Brief unbeantwortet liess, in dem das WEF im Februar 1992 Vorschläge machte, wie Irritationen zu vermeiden seien, «wie sie wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Einladung von Premier Li Peng in der Schweiz entstanden sind». Der chinesische Ministerpräsident, der als einer der Verantwortlichen des Tiananmen-Massakers von 1989 als «Schlächter von Peking» bezeichnet wurde, war von Schwab als Hauptredner ans WEF 1992 eingeladen worden. Das zwang den Bundesrat zu einem offiziellen Empfang in Bern. Dies wiederum wurde im In- und Ausland scharf kritisiert, weil die Schweiz damit China nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung aus der diplomatischen Isolation verhalf.

Die mit dem WEF verbundene Besuchsdiplomatie in Bern spielt eine weitere Rolle für den Ärger Schwabs. Denn bei der Vorbereitung des Jahrestreffens 1993 «hatten wir eine enge Zusammenarbeit mit der russischen Regierung, und es wurde uns die Möglichkeit eines Besuchs von Herrn Präsident Jelzin unter der Bedingung eines gleichzeitigen Arbeitsbesuchs in Bern in Aussicht gestellt», heisst es im Schreiben an Ogi. Vom Aussendepartement habe man aber den Bescheid erhalten, dass ein Besuch Jelzins «wegen bereits eingegangener Verpflichtungen der betroffenen Bundesräte leider nicht möglich sein wird».

Dass Schwab den Eindruck erhielt, «dass in Bern neue Prioritäten gelten», hat einen weiteren Grund: «Wir haben uns in den letzten drei Jahren gegen eine Organisation wehren müssen, die durch die Wahl ihres Namens zu zahlreichen Verwechslungen Anlass gegeben hat, und mit der wir aus verschiedenen Gründen nicht verwechselt werden wollen», schreibt der WEF-Präsident. Gemeint ist das Crans-Montana-Forum und die Mitgliedschaft eines Bundesvertreters im dortigen Stiftungsrat.

Ogi will nicht gegen Felber ausgespielt werden

Schwab verlieh seiner Unzufriedenheit über den Support aus Bern in einem Telefongespräch mit Ogi Nachdruck und schaltete auch den damaligen Direktor des Verkehrsvereins Davos, Bruno Gerber, ein, der den «lieben Dölf» in einem Brief über Schwabs Sorgen informierte. Ogi wiederum leitete beide Schreiben «nach reiflicher Überlegung» an Felber weiter, um zu verhindern, «dass ein Bundesrat gegen den anderen ausgespielt wird».

Gerade nach dem Nein des Volks in der EWR-Abstimmung vom 6. Dezember 1992 «scheint es mir äusserst wichtig, dass wir optimale Bedingungen für auslandbezogene Anlässe wie das Symposium in Davos gewähren», heisst es im vertraulichen Brief Ogis vom 11. Januar 1993 an Felber. Er wirbt auch für seine Anwesenheit als Bundespräsident am WEF – damals noch ein Tabu – und fragt den EDA-Chef, ob dies wünschenswert sei. «Für meine Haltung ist allein die Zukunft unseres Landes und nicht persönliches Ansehen massgebend», versichert Ogi. Er hielt dann am 23. WEF die Eröffnungsrede.

Exit mobile version