Freitag, Oktober 18

Qualität sei in den Verhandlungen wichtiger als Tempo, sagt Bundesrat Beat Jans. Doch die Schweiz werde wohl nicht mehr viele Chancen haben, das bilaterale Verhältnis zu stabilisieren.

Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über ein neues Vertragspaket sind in die heisse Schlussphase getreten. Es geht um schwierige Themen wie die Schutzklausel im Freizügigkeitsabkommen, die der Bundesrat konkretisieren will, sowie die Kohäsionsbeiträge. Anfang Woche hat die Europäische Union den Druck erhöht. Der EU-Kommissar Maros Sefcovic und Vertreter der Mitgliedsstaaten erteilten einer Schutzklausel, die Bern einseitig anrufen würde, öffentlich eine Absage. Trotz strittigen Fragen drückt Sefcovic aufs Tempo: Er will die Verhandlungen bis Ende Jahr abschliessen.

Vom Bundesrat war in den letzten Monaten wenig zu vernehmen. Grundsätzlich strebt auch die Schweiz einen Abschluss der Verhandlungen bis Ende Jahr an. Am Mittwoch stellte der Vorsteher des Justizdepartements, Beat Jans, aber klar, dass Qualität wichtiger als Tempo sei. Zur Schutzklausel sagte er, die Verhandlungen mit der EU liefen. Der Bundesrat werde die Ergebnisse beurteilen und entscheiden, ob er das Abkommen unterzeichne. Eine Möglichkeit sei, dieses über die Schweizer Gesetzgebung abzufedern.

Jans gehört dem bundesrätlichen Europa-Ausschuss an. Er sprach an einem Anlass des Europainstituts der Universität Zürich und der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik. Für den viel kritisierten SP-Magistraten war der Auftritt ein Heimspiel.

Direkte Demokratie und Service public wahren

Jans hatte im Sommer mit einem Plädoyer für die «Bilateralen III» in der NZZ für Aufsehen gesorgt. Die Gegner priesen den Alleingang und warnten vor einem Verlust der Souveränität, schrieb er. Dabei stärke man diese in einer komplexen Welt, indem man die Beziehungen mit wichtigen Partnern kläre und verstetige. Der Beitrag stiess bei SVP-Exponenten und EU-Skeptikern erwartungsgemäss auf Kritik, führte aber auch in anderen Departementen zu Irritationen.

Am Mittwoch war Jans bemüht, sich an die Terminologie des Bundesrats zu halten. Von den «Bilateralen III» sprach er nicht mehr. Ob es mit der EU eine Einigung gebe, liess er offen. Errungenschaften wie die direkte Demokratie und der Service public müssten gewahrt werden, sagte er. Die Zuwanderung aus der EU müsse am Arbeitsmarkt orientiert bleiben, und die Löhne und das Sozialsystem müssten weiterhin geschützt werden. «Denn eine Annäherung an die EU, welche diese Errungenschaften infrage stellt, wäre chancenlos.» Ob die Schweiz diese Ziele erreiche, lasse sich beantworten, wenn das Verhandlungsergebnis vorliege.

Jans machte aber auch klar, dass es stabile Beziehungen zur EU und ihren Mitgliedsstaaten, den wichtigsten Partnern, brauche. «Es gibt für die Schweiz wahrscheinlich nicht noch viele weitere Chancen, das bilaterale Verhältnis zu stabilisieren», antwortete er auf eine Frage.

Als Justizminister sei ihm die Rechtssicherheit besonders wichtig. Deshalb sei er überzeugt, dass es eine Stabilisierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs brauche. «Verbindliche Regeln, auf die man sich auch in ausserordentlichen Situationen verlassen kann, sind für beide Partner wichtig.» Rechtssicherheit im Streitfall schiebe Machtgier und Willkür einen Riegel.

Mehr illegale Migration ohne Schengen

Jans kritisierte zudem erneut Behauptungen der Gegner des Vertragspakets. Die geplante dynamische Rechtsübernahme wäre nicht automatisch. Sie bringe auch Vorteile, weil die Schweiz sich bei neuen EU-Binnenmarktregeln einbringen könnte. «Dem sagt man ‹decision shaping›.»

Auch bei der Streitbeilegung kursierten immer wieder Falschaussagen, etwa der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe künftig das letzte Wort. Dabei lege der EuGH europäisches Recht aus und das Bundesgericht Schweizer Recht. Über Streitigkeiten würde weder das eine noch das andere Gericht entscheiden, sondern ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht.

Kein gutes Haar liess Jans an der Initiative der SVP gegen eine 10-Millionen-Schweiz. Eine Kündigung der Personenfreizügigkeit würde gemäss dem Bundesrat den bilateralen Weg grundsätzlich gefährden. Dies würde nicht nur zum Wegfall der Bilateralen I führen, sondern auch die Abkommen von Schengen und Dublin infrage stellen. Das könnte zu mehr irregulärer Migration führen und die Bekämpfung der Kriminalität erschweren.

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