Tokio und Washington modernisieren ihre mehr als 60-jährige militärische Allianz. Japan übernimmt mehr Verantwortung für die eigene Verteidigung und die Stabilität in der Region.
Noch vor wenigen Generationen seien ihre Nationen in einen verheerenden Konflikt verwickelt gewesen, sagte der amerikanische Präsident Joe Biden am Mittwoch in Washington zum japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida: «Es wäre einfach gewesen, Widersacher zu bleiben. Doch wir entschieden uns viel besser: Wir wurden die engsten Freunde.»
Der grosse Pomp des Staatsbesuchs unterstrich die klare Botschaft: Biden und Kishida wollen, dass die USA und Japan engste Freunde bleiben. Die beiden Alliierten wollen Schulter an Schulter für einen «freien und offenen Indopazifik und die regelbasierte Ordnung» kämpfen, wie sie nicht müde werden, zu betonen. Auch im Falle eines Krieges im westlichen Pazifik.
Japan hatte lange seine Verteidigung an die USA ausgelagert
Die Allianz mit Tokio ist nur ein von mehreren, die Washington in Asien unterhält: Auch Südkorea, Australien, die Philippinen und Thailand haben Verteidigungsabkommen mit den USA geschlossen. Dass die Achse Tokio-Washington in dieser Architektur aber eine besondere Rolle spielt, zeigt sich allein in den 54 000 US-Militärangehörigen, die in Japan stationiert sind. Das sind weit mehr als irgendwo sonst.
Der Schutzschirm Amerikas half Japan nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs – die im Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki gipfelten – schnell wieder auf die Beine zu kommen. Tokio konnte sich auf den Aufbau der Wirtschaft konzentrieren, die nationale Sicherheit wurde quasi an die amerikanischen Streitkräfte ausgelagert.
Das Verteidigungsabkommen von 1960 enthält eine klare Asymmetrie: Wenn Japan angegriffen wird, sind die Amerikaner zum militärischen Beistand verpflichtet. Umgekehrt gilt das nicht. Aber Washington darf in Japan Militärbasen betreiben und kann so seinen Einfluss in der Region sichern.
Japan sieht sich China, Russland und Nordkorea bedroht
Aktuell sieht sich Japan einer Reihe akuter Bedrohungen ausgesetzt: Nordkoreas Atomwaffen- und Raketenarsenal richtet sich auch gegen Tokio. China beansprucht die von Japan kontrollierten Senkaku-Inseln, macht verdeckte Anspielungen auf die Okinawa-Inselkette und das japanische Militär würde wohl unweigerlich in einen Krieg um Taiwan hineingezogen. Mit Russland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nie formell Frieden geschlossen wegen vier Inseln, welche die Sowjetunion in den letzten Kriegstagen von Japan erobert hatte. Mittlerweile hat der Kreml dort Raketen stationiert.
Dass die drei Nachbarn Peking, Moskau und Pjongjang militärisch immer enger zusammenarbeiten, lässt in Tokio Alarmglocken schrillen. Japan muss mehr tun muss für seine eigene Verteidigung. Das Wehklagen von Donald Trump, der die Allianz als für USA unvorteilhaft ansah, illustrierte dies nur. Dass die Regierung Kishida die Verteidigungsausgaben bereits stark erhöht hat und das Ziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung anstrebt, ist eine Versicherung gegen eine mögliche Rückkehr Trumps ins Weisse Haus.
Biden und Kishida stellten in Washington einen breiten Strauss an Massnahmen vor, wie die Allianz vertieft und für die Zukunft gerüstet werden soll: Ein gemeinsames, einheitliches Kommando für den Kriegsfall, die Wartung amerikanischer Kriegsschiffe und Flugzeuge in Japan oder die gemeinsame Entwicklung und Produktion von Waffen. Alles in allem übernimmt Japan mehr Verantwortung.
Das alles ist wichtig, doch es genügt nicht. Darum sprechen die Amerikaner mittlerweile von einem «Gitterwerk», das die verschiedenen Allianzen verbinden und auch weitere Partner in Asien wie etwa Indien oder Vietnam einbeziehen soll. Japan kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Tokio ist Teil der Quad mit Indien und Australien und wird wohl bald als Technologiepartner zur Sicherheitspartnerschaft Aukus zwischen Washington, Canberra und London stossen. Auch hat Tokio starke bilaterale Verbindungen zu Ländern in Südostasien, insbesondere den Philippinen. Diese Verbindungen haben zunehmend eine sicherheitspolitische Komponente.
Japan hat sich vom Trittbrettfahrer zum wichtigsten Sicherheitspartner der USA im Indopazifik gemausert. In Washington wird wahrgenommen, dass man sich auf diesen «besten Freund», wie es Biden nennt, verlassen kann. Die Widersacher sind andere – und denen will man geschlossen entgegen treten.