Seit Jahren entwickelt die japanische Regierung eine Strategie zur wirtschaftlichen Sicherheit. Als Antwort auf Trumps Zollpolitik arbeitet sie jetzt mit Firmen an resilienten Lieferketten. Es gibt erste Erfolge.
In der Diplomatie spricht Schweigen manchmal Bände. So schaffte es Japans Minister für Wirtschaftliche Sicherheit, Minoru Kiuchi, vergangene Woche in einer Rede, über Japans Strategie zur Sicherung der Lieferketten zu sprechen, ohne den Handelskrieg von US-Präsident Donald Trump direkt zu erwähnen – und ihn doch zu kritisieren.
Trump droht Japan mit Zöllen von 25 Prozent auf Autos und 24 Prozent auf andere Waren. Doch Kiuchi sagte gegenüber Journalisten nur: «Unsere freie, offene und stabile internationale Ordnung, die auf Rechtsstaatlichkeit beruht, steht vor ernsten Herausforderungen.»
Während Japan als erstes Land konkrete Verhandlungen mit Trump über eine Reduzierung der Zölle begonnen hat, behandelte Kiuchi die USA unausgesprochen wie den als Bedrohung empfundenen Nachbarn China. In offiziellen Stellungnahmen wird China ebenfalls nicht öffentlich kritisiert, sondern versteckt hinter Floskeln.
Umso klarer war Kiuchis Botschaft zu Fragen der wirtschaftlichen Sicherheit. Japan hat bereits in der Corona-Pandemie ein eigenes Ministerium für wirtschaftliche Sicherheit gegründet und seitdem umfangreiche Massnahmen und Gesetze umgesetzt.
Wirtschaftliche Sicherheit ist in Japan schon lange ein Thema
Wirtschaftliche Sicherheit sei kein «vorübergehender Trend», sagte Kiuchi. Er arbeite weiterhin an den drei Zielen der Strategie – Japans Autonomie, dem technologischen Vorsprung der Firmen und der Stärkung der Unabdingbarkeit des Landes in globalen Lieferketten – um Verhandlungsmasse im Machtspiel der Grossmächte zu haben.
Dabei kooperiert die Regierung eng mit Unternehmen, die ihrerseits nach innovativen Auswegen aus den immer neuen Krisen im Ausland suchen – und teilweise gefunden haben.
Japans früher Start beim Thema der wirtschaftlichen Sicherheit war auch durch zwei schmerzhafte Erfahrungen bedingt: In den 1980er Jahren zwangen die USA die aufstrebende asiatische Nation durch einen Handelskrieg dazu, einen Teil der Produktion in den USA anzusiedeln. China schreckte Japan zudem 2010 durch einen Exportstopp von Seltenerdmetallen auf, die wichtig sind für viele Hightech-Produkte.
Die Pandemie diente dann nur als der letzte Anstoss, die Ideen zu bündeln. Die jetzige Strategie beruht dabei auf Kooperation mit verbündeten und gleich gesinnten Nationen. Auch die Wirtschaft zieht voll mit.
Die Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft ist eng
Die meisten Firmen beobachten die jetzige Lage noch, aber einige haben bereits auf Trumps Zollpolitik reagiert. Allen voran Honda: Bisher bezog der japanische Auto- und Motorradhersteller die Batterien für seine Hybridautos in den USA von Akkuherstellern in Japan und China. Nun hat Honda einen neuen Partner.
Das Unternehmen will die Batterien für seine rund 400 000 verkauften Hybridfahrzeuge in den USA künftig beim Rivalen Toyota beziehen, der in den USA eine riesige Akkufertigung aufbaut. Dies ist ein Paradebeispiel für das in Japan viel beschworene «Team Japan»: In der Not steht Japan zusammen.
Das zeigt sich auch in der engen Zusammenarbeit zwischen Regierung und Wirtschaft. «Als ich in der Privatwirtschaft arbeitete, hatte ich wöchentlich Kontakt mit Regierungsvertretern», erzählt der Berater Takashi Ito. Er hat beim Technologiekonzern Mitsubishi Electric 2020 das erste Vorstandsbüro für wirtschaftliche Sicherheit eines japanischen Konzerns aufgebaut und bis März geleitet.
Die Konzerne tauschten sich mit den Ministerien über mögliche Schwachstellen und Engpässe in der Lieferkette aus und legten gemeinsam bestimmte Problembereiche fest, sagt er. Danach entwickelten Regierung, staatliche Agenturen und Unternehmen teilweise gemeinsame Massnahmen.
Besonders weit fortgeschritten ist die Diversifizierung von Märkten und Lieferketten. Laut einer Umfrage erzielte Japans Industrie 2023 36 Prozent ihrer Gesamtproduktion im Ausland. Und der Anteil dürfte nun noch steigen.
«Japanische Firmen fokussieren sich bereits auf neue Märkte», sagt Ito. Besonders stark sei das Engagement in Indien, im Mittleren Osten und in Afrika. Diese Entwicklung werde sich nun beschleunigen.
Unternehmen suchen erfolgreich neue Lösungen
Beispiel Toyota: Der Autohersteller will nun in indischen Fabriken seines japanischen Partners Suzuki Modelle für Südostasien produzieren lassen. Für den Berater Takashi Ito wird Toyota damit zum Vorbild. Er fordert Unternehmen zu «neuen Ansätzen» auf, um schneller eine Produktion in den USA aufbauen zu können.
Wegen der hohen Investitionen könnten Werke aus China, Thailand und anderen Ländern nicht ohne weiteres verlagert werden. Sein Vorschlag: «Unternehmen müssen die Entwicklung von Asset-Light-Investitionsstrategien in Erwägung ziehen, die das Vermögen schonen.»
Dazu gehört für ihn, künftig auch in Ländern wie den USA mit Auftragsfertigern zu arbeiten, wie es US-Konzerne schon in Asien tun. Eine andere Idee ist, Fabriken in den USA mit bereits ansässigen ausländischen oder amerikanischen Unternehmen zu teilen, etwa durch Verträge, Joint-Ventures oder Minderheitsbeteiligungen an amerikanischen Firmen.
Eingeübte Denkmuster müssten korrigiert werden, sagt Ito. Vor fünf Jahren habe er sich auf die wirtschaftliche Sicherheit im Wettbewerb zwischen China und den USA konzentriert. 2022 kam durch die russische Invasion der Ukraine der Konflikt zwischen demokratischen Ländern und autoritären Staaten hinzu. «Mit Trumps zweiter Amtszeit zeichnet sich eine neue Spaltung ab: zwischen internationalistischen und protektionistischen Nationen», sagt Ito.
«Die USA scheinen sich in Richtung Protektionismus zu bewegen und sich von der EU und Japan abzugrenzen, während China sich ironischerweise als Verfechter des Freihandels präsentiert», sagt Ito. Nun müsse Japan darüber nachdenken, wie es weiter mit den USA, China und den Staaten in Südostasien zusammenarbeiten könne.
Die EU ist ein wichtiger Partner für Japan
Im Umgang mit den USA unterstützt Ito den Kurs der Regierung, keine sofortige Vergeltung für Trumps Zolldrohungen zu üben. Japan hat enge Sicherheitsbeziehungen zu den USA. «Allerdings sollten wir unser Engagement für den Freihandel nicht aufgeben», sagt Ito. «Japan und die EU müssen zusammenarbeiten, um das Freihandelssystem zu schützen.»
Doch er beobachtet den Aufstieg rechter Parteien in Europa mit Sorge. Ito befürchtet, dass dies zu einer Abkehr von Freihandel und Internationalismus führen könnte. «Aber ich bleibe optimistisch», sagt er. Diese Einschätzung teilt auch Minister Kiuchi. Er sagt: «Die EU ist ein wichtiger Partner für uns, wir teilen universelle Werte.»