Montag, September 30

Als neuer Partei- und Regierungschef soll Ishiba die Regierungspartei aus dem Umfragetief retten. Doch es schlägt ihm Misstrauen entgegen.

Japans neuer Ministerpräsident Shigeru Ishiba kündigte am Montag an, die Wähler bereits am 27. Oktober in vorgezogenen Neuwahlen über seine Zukunft abstimmen zu lassen. Die Liberaldemokratische Partei (LDP), die seit ihrer Gründung im Jahr 1955 mit wenigen Jahren Unterbrechungen regiert hat, will durch den Machtwechsel mit dem Übergang von einem unbeliebten zu einem neuen Partei- und Regierungschef ihre Mehrheit im Parlament wieder sichern.

Dabei stiess Ishiba noch vor seinem Amtsantritt am 1. Oktober auf Misstrauen – und zwar an der Börse. Nachdem der ehemalige Verteidigungsminister am Freitag überraschend in seinem fünften Anlauf zum neuen Chef der regierenden LDP gewählt worden war, brach der Nikkei-225-Index am Montag um fast fünf Prozent ein.

Mit so einem Minus ist noch kein neuer Regierungschef begrüsst worden. Die Anleger befürchten, dass Ishiba stärker als der scheidende Amtsinhaber Fumio Kishida von der ultralockeren Geldpolitik und der schuldenfinanzierten Haushaltspolitik abrücken wird, die Japans Börse seit 2012 beflügelt haben.

Kann Ishiba die LDP-Skandale überwinden?

Und doch könnte Ishibas Strategie der vorgezogenen Neuwahlen aufgehen: In der Regel begrüsst die Bevölkerung einen neuen Regierungschef mit einem Popularitätsbonus. Ob dies auch diesmal der Fall sein wird, ist jedoch angesichts der jüngsten Skandale in der LDP fraglich. Die dreijährige Amtszeit des Vorgängers Fumio Kishida dient als warnendes Beispiel.

Kurz nach seinem Aufstieg an die Parteispitze gewann Kishida 2021 die Wahl und sonnte sich lange in guten Umfragewerten. Doch seit nach der Ermordung des Ex-Regierungschefs Shinzo Abe die tiefgehenden Verbindungen der LDP zur südkoreanischen Moon-Sekte bekanntwurden, ging es mit seiner Popularität bergab.

Das Ende seiner Amtszeit wurde dann von einem Skandal um schwarze Parteikassen begleitet, die Politiker mit dem Verkauf von Partytickets gefüllt hatten. Besonders verbreitet war diese Unsitte wiederum im rechten Abe-Flügel, der seit 2012 endgültig das Sagen in der Partei hat.

Kishidas Umfragewerte wurden so schlecht, dass er sich im August entschloss, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Die Opposition, vor allem die eher links-zentristische Konstitutionell-Demokratische Partei, wittert nach Jahren enttäuschter Hoffnungen eine kleine Chance.

Ishiba wird wohl die Politik Kishidas fortführen

Nun soll Ishiba den Ruf der LDP retten. Die Partei traut ihm offenbar zu, einen Neuanfang zu verkörpern. Er war einer der wenigen LDP-Politiker, die Abe offen kritisierten. Seine Attacken und Forderungen nach einer sauberen Partei brachten ihm intern lange den Ruf eines Verräters ein. Doch nicht nur parteipolitisch, auch wirtschaftspolitisch steht er für einen neuen Kurs: Ishiba hatte Abes Flügel immer wieder als «reaktionäre Rechte» angegriffen, während er sich selbst als «konservativen Liberalen» sieht, die Umverteilung von Reich zu Arm inklusive.

Im parteiinternen Wahlkampf hatte er sogar eine höhere Besteuerung von Spekulationsgewinnen der Reichen und einiger Unternehmen ins Spiel gebracht, beides Schreckgespenster für kurzfristig orientierte Anleger. Selbst den Mindestlohn wollte er schneller als geplant um ein Drittel auf umgerechnet sieben Franken pro Stunde erhöhen.

Doch nach seinem Wahlsieg schlug Ishiba gemässigtere Töne an. Am Wochenende betonte er, die vorsichtigere Wirtschaftspolitik seines Vorgängers Kishida fortsetzen zu wollen. Nun steht Ishiba also gleich zu Beginn seiner Amtszeit vor einer doppelten Herausforderung: Er muss sowohl das Vertrauen der Wähler als auch jenes der Finanzmärkte zurückerobern.

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