21 Milliarden Dollar stehen dem argentinischen Präsidenten in diesem Jahr neu zur Verfügung. Die Unterstützung aus Washington kommt zur rechten Zeit. Jetzt darf es nur keinen Run auf den Dollar geben.

Am Freitag haben der Exekutivrat des Internationalen Währungsfonds (IWF) und andere multilaterale Entwicklungsbanken in Washington Argentinien neue Kredite in Höhe von rund 21 Milliarden Dollar für dieses Jahr genehmigt. Am Abend desselben Tages kündigte Argentiniens Wirtschaftsminister Santiago Caputo erstmals eine Lockerung der strengen Devisenkontrollen an. Die Ankündigung kam überraschend und ist ein wichtiger Schritt hin zu einem freien Devisenmarkt in Argentinien.

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Seit Jahren können die Argentinier Dollar nur in kleinen Mengen und zu einem festen Wechselkurs eintauschen. Unternehmen dürfen ihre Gewinne nicht ins Ausland transferieren. Exporteure können über ihre Devisen nicht frei verfügen. Die Kapitalverkehrskontrollen sind der entscheidende Grund, warum ausländische Kreditgeber bisher nur wenig in Argentinien investieren. Sie befürchten, dass bei einer Freigabe der Wechselkurse und einer möglichen Abwertung des Peso ihre Investitionen schlagartig an Wert verlieren würden.

Der Dollarkauf ist frei – aber nur für Private

Doch bisher wagte die Regierung Milei nicht, den Devisenhandel freizugeben: Die Reserven der Zentralbank sind weiter im Minus. Eine Krise in der Weltwirtschaft mit einbrechenden Exporten Argentiniens könnte innerhalb weniger Monate zu einer Zahlungsbilanzkrise führen. Der Staat könnte dann keine Arzneimittel oder notwendige Lebensmittel mehr importieren.

Die Lockerung der Devisenkontrollen erfolgt nun in kleinen Schritten: Privatpersonen können ab sofort unbegrenzt US-Dollar kaufen. Bisher war der Umtausch auf 200 Dollar pro Monat beschränkt. Statt eines festen Wechselkurses soll sich der Kurs künftig frei nach Angebot und Nachfrage innerhalb einer Bandbreite bewegen, die monatlich um ein Prozent erweitert wird.

Die jetzt von der Regierung festgelegte Bandbreite entspricht ziemlich genau der Differenz zwischen offiziellem und Schwarzmarktkurs. Bei Dollarkäufen dürfen nur noch 100 Dollar in bar erworben werden, der Rest muss über Konten laufen. Dies soll Geldwäsche verhindern und verhindern, dass fehlende Dollars in den Bankfilialen für Unruhe sorgen.

Wie werden die Märkte am Montag reagieren?

Ausserdem dürfen Unternehmen ab dem Geschäftsjahr 2025 erstmals Dividenden an ausländische Aktionäre überweisen. Unternehmen, die zum Teil über Jahre enorme Peso-Reserven angehäuft haben, die sie nicht oder nur eingeschränkt tauschen oder ins Ausland transferieren durften, können weiterhin nicht offiziell Dollar erwerben.

Mit Spannung wird in Buenos Aires nun die Reaktion der Finanzinvestoren am Montag erwartet. Ein Run auf den Dollar wäre für die Regierung – und den IWF – ein politisches Desaster. Würden die Investoren ihre Pesos im grossen Stil in Dollar tauschen, wäre das eine klare Misstrauenserklärung an die Regierung Milei – und würde den seit Jahresbeginn anhaltenden Popularitätsverlust des libertären Präsidenten beschleunigen.

Der IWF gibt einen Vertrauensvorschuss

Auch IWF-Chefin Kristalina Iwanowa Georgiewa lehnte sich bei der Kreditvergabe an Argentinien weit aus dem Fenster: Der neue Kredit sei in Anerkennung der beeindruckenden Fortschritte bei der Stabilisierung der Wirtschaft bewilligt worden. «Das ist ein Vertrauensbeweis für die Entschlossenheit der Regierung, Reformen voranzutreiben, das Wachstum anzukurbeln und die Lebensqualität der Argentinier zu verbessern», erklärte Georgieva im sozialen Netzwerk X.

Gleichzeitig sichert sich der Fonds mit dem neuen Kredit ab: Mit der Kreditzusage garantiert der IWF die Rückzahlung der ausstehenden Tilgungs- und Zinszahlungen Argentiniens in Höhe von 41 Milliarden US-Dollar über die nächsten Jahre. Der IWF gewährt also weiterhin einen grossen Teil seiner neuen Kredite, damit die argentinische Regierung ihre Kredite aus den Vereinbarungen von 2018 und 2022 weiter zurückzahlen kann.

Die Gefahr eines erneuten Zahlungsausfalls Argentiniens würde auch den IWF schwer treffen: 28 Prozent aller IWF-Kredite entfallen auf Argentinien. Historisch betrachtet ist das Risiko eines erneuten Ausfalls hoch: Immerhin handelt es sich um das 23. Abkommen, das der Fonds seit 1958 mit Argentinien geschlossen hat. Keines davon hat das chronische Schuldnerland eingehalten.

Dennoch hat kein argentinischer Präsident die Forderungen des Fonds nach einem ausgeglichenen Haushalt so radikal umgesetzt wie Milei: Um fünf Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung kürzte er die Staatsausgaben wenige Wochen nach seinem Amtsantritt im Dezember 2023. Seither nimmt der Staat mehr ein, als er ausgibt, wenn man die Zinszahlungen nicht berücksichtigt. «Wir haben im ersten Jahr unsere Hausaufgaben gemacht», sagte Minister Caputo jetzt, als er die Lockerung der Devisenkontrollen ankündigte.

Die Inflation sinkt langsamer und Mileis Popularität schrumpft

Für Milei kommen das Gütesiegel und der Kredit des Fonds zu einem wichtigen Zeitpunkt: Im März lag die Inflation mit 3,7 Prozent erstmals seit fünf Monaten wieder über drei Prozent im Monat. Damit liegt die Teuerung immer noch bei 56 Prozent im Jahr. Ob die Inflationsrate weiter sinkt, ist fraglich.

Gleichzeitig ist die Popularität seiner Regierung von über 50 Prozent im vergangenen Jahr auf rund 40 Prozent gesunken. Inzwischen demonstrieren neben den Rentnern erstmals auch wieder die Gewerkschaften wie in der letzten Woche.

Bei den Kongresswahlen Ende Oktober muss Milei, der bisher nur über eine Minderheit im Kongress verfügt, mehr Abgeordnete und Senatoren seiner Partei stellen. Sonst droht sein Reformprogramm in Staat und Wirtschaft ins Stocken zu geraten. Denn bisher setzt er die Reformen nur mit Dekreten durch, die aber irgendwann in Gesetze umgewandelt werden müssen.

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