Samstag, September 28

Die Veräusserung von Actelion verhalf dem Ärztepaar Jean-Paul und Martine Clozel zu einem Milliardenvermögen. Ihre zweite Firma Idorsia schreibt hohe Verluste. Ein abermaliger Ausstieg kommt für die beiden aber nicht infrage.

Jean-Paul Clozel kann einem leidtun, wie er, den Rollator neben sich, in einem kleinen Saal des Basler Messezentrums sitzt. Der bisherige Chef, Gründer und Grossaktionär von Idorsia ist gekommen, um sich an der Generalversammlung (GV) des krisengeschüttelten Basler Biotechnologieunternehmens als Mitglied des Verwaltungsrats bestätigen zu lassen. Diese Mal kandiert Clozel zudem erstmals für das Präsidium.

Bestehende Aktionäre halten zu Clozel

Den Rollator hatte Clozel bereits bei einem Interview vor gut eineinhalb Jahren dabei, das die NZZ mit ihm am Firmensitz in Allschwil führte. Leider habe sich sein gesundheitlicher Zustand nicht verbessert, sagte Clozel im Gespräch nach der GV. Der mittlerweile 69-Jährige, der vor der Gründung der Firma Idorsia vor sieben Jahre bereits den Biotechnologiekonzern Actelion aufgebaut hatte, leidet seit geraumer Zeit an Muskelschwäche. Aussicht auf Heilung bestehe nicht, konstatiert Clozel, der als ehemaliger Arzt genau weiss, wovon er spricht.

Doch obschon er in seinem Bewegungsspielraum stark eingeschränkt ist. scheint Clozel nichts von seinem Kampfgeist eingebüsst zu haben. Der Franzose will sich künftig ganz seiner neuen Rolle als Verwaltungsratspräsident widmen. Bei der Wahl erhielt er 94 Prozent der abgegebenen Stimmen und einen warmen Applaus der Aktionäre im Saal.

Zugleich trat Clozel am Donnerstag als Geschäftsführer von Idorsia zurück. Diese Funktion wird neu der bisherige Finanzchef André Muller wahrnehmen, der bereits bei Actelion eng mit Clozel zusammengearbeitet hatte.

In seiner neuen Rolle werde er weniger reisen müssen, was ihm angesichts seines Handicaps zugutekomme, sagte Clozel. Trotz seinem fortgeschrittenen Alter sieht sich der Biotech-Unternehmer nicht nur für ein, zwei Jahre im Präsidium. Er könne sich vorstellen, um einiges länger zu wirken. Der Patron, der zusammen mit seiner Frau Martine Clozel über ein Viertel des Kapitals von Idorsia kontrolliert, ist fest entschlossen, das Unternehmen von seinem bisherigen Schlingerkurs abzubringen und nachhaltig zu stabilisieren.

Koste es, was es wolle

Dabei scheint Clozel nach dem Prinzip vorzugehen, koste es, was es wolle. Ohne die umfangreichen Mittel, die er und seine Frau dem Unternehmen seit der Gründung zur Verfügung gestellt haben, wäre es wohl längst untergegangen. «Es ist öffentlich bekannt», sagt Clozel. «Mein bisheriges Engagement beträgt über eine Milliarde Franken.»

Jean-Paul und Martine Clozel, die ebenfalls Medizinerin ist und als Chief Scientific Officer weiterhin der Forschungsabteilung von Idorsia vorstehen wird, können es sich leisten. Dank dem Verkauf von Actelion an den US-Gesundheitskonzern Johnson & Johnson waren sie 2017 zu einem grossen Vermögen gekommen. J&J liess sich die Akquisition 30 Milliarden Dollar kosten.

Zwei zugelassene Produkte

Während Actelion dank einem überaus erfolgreichen Medikament gegen die seltene Erkrankung pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck) in den letzten Jahren vor dem Verkauf Gewinne von jährlich über einer halben Milliarde Franken erwirtschaftete, hat Idorsia bis anhin nur tiefrote Zahlen geschrieben. 2023 erreichte der Fehlbetrag fast 300 Millionen Franken, nachdem er im Vorjahr sogar über 800 Millionen betragen hatte.

Idorsia profitierte davon, eine Reihe potenzieller neuer Medikamente der früheren Forschungsabteilung von Actelion zu erben. J&J war lediglich am Therapiegebiet des Lungenhochdrucks interessiert gewesen. Mittlerweile hat Idorsia für zwei Wirkstoffe die Zulassung erhalten, ein drittes marktreifes Präparat wurde im vergangenen Jahr für 400 Millionen Franken veräussert.

Das Problem ist allerdings, dass das eine zugelassene Produkt, das Schlafmittel Quviviq, bis anhin die hohen Erwartungen bei weitem nicht erfüllt hat. 2023 trug es Idorsia kümmerliche 31 Millionen Franken an Umsatz ein. Im Hauptmarkt USA harzt die Vermarktung, weil Behörden dem Medikament Suchtgefahr unterstellen und die Verschreibung von besonderen Bewilligungen abhängig machen. Bei Idorsia beteuert man, dass Quviviq im Gegenteil kein Suchtpotenzial aufweise, und verweist auf entsprechende Einschätzungen von Gesundheitsbehörden in Frankreich und in Deutschland.

Auf der Suche nach Vertriebspartnern

Clozel bezeichnete das Schlafmittel an der GV einmal mehr als «aussergewöhnliches Medikament». Er ist überzeugt, dass es sich trotz allen Startschwierigkeiten zu einem Blockbuster entwickeln wird – sprich zu einem Präparat, dessen jährlicher Umsatz eine Milliarde Dollar übersteigen wird. Dasselbe Potenzial traut er dem zweiten marktreifen Produkt der Firma, dem Wirkstoff Aprocitentan, zu.

Dieses Medikament, das der Behandlung von schwer einstellbarem Bluthochdruck dient, erhielt im vergangenen März grünes Licht von der US-Gesundheitsbehörde FDA. Kurz darauf gab es auch die EU-Kommission zur Vermarktung frei. Noch wird es aber nirgendwo angeboten.

Idorsia fehlen die finanziellen Ressourcen, um beide Produkte aus eigener Kraft zu vermarkten. Das Unternehmen hält denn auch Ausschau nach Vertriebspartnern. Der Abschluss von Partnerschaften würde Idorsia zu zusätzlichen Mitteln verhelfen. Das Unternehmen ist dringend darauf angewiesen.

Finanzielle Mittel reichen nur noch bis Ende Jahr

Obschon im vergangenen Jahr fast 500 Stellen abgebaut wurden, verbrennt Idorsia nach wie vor viel Geld. Aus heutiger Sicht reiche die Liquidität bis Ende 2024, meint Clozel.

Trotz der angespannten finanziellen Lage will der Patron anders als damals bei Actelion die Selbständigkeit des Unternehmens bewahren. «Niemand soll Idorsia übernehmen», unterstreicht Clozel. Die Äusserung klingt kämpferisch, aber auch ein wenig starrsinnig. Auf dem stark gedrückten gegenwärtigen Kursniveau wird Idorsia zu weniger als 400 Millionen Franken bewertet. Pharmakonzerne bezahlen solche Preise aus der Portokasse.

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