Dienstag, März 11

Klar, die Gesichtshaut wird mit den Jahren faltig. Aber die noch grösseren Veränderungen geschehen unter der Oberfläche:
Knochen, Muskeln und Fett bauen sich ab und verschieben sich. Was man gegen all das tun kann.

Der Mann sieht irreal aus. Als hätte er eine Maske auf, die ihn als zerfurchten Greis erscheinen lässt – aber nur auf einer Seite seines Gesichts. Tiefe Falten ziehen sich durch seine gesamte linke Gesichtshälfte. Sie sieht aus wie verdorrte, eingerissene Erde, während die andere Seite glatt und um viele Jahre jünger erscheint.

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Dieser Mann existiert. Erschienen ist sein Abbild im medizinischen Fachblatt «New England Journal of Medicine», und es zeigt einen Rentner, der 28 Jahre lang als Lkw-Fahrer gearbeitet hat. Ständig sass er in der Fahrerkabine, mit seiner linken Gesichtshälfte am Fenster. So wie wir alle, wenn wir Auto fahren, nur eben viel öfter und viel länger am Stück.

So ungewöhnlich der Fall auch ist, er zeigt anschaulich, wie und warum das Gesicht im Laufe der Jahre altert. Bei dem Lastwagenfahrer war die Sonne schuld, es gibt aber noch andere Faktoren, die für die Alterung des Gesichts verantwortlich sind. Auf manche haben wir keinen Einfluss. Denn die Haut ist längst nicht die einzige Schicht im Gesicht, die sich mit den Jahren verändert.

Knochen verschieben sich, Fett baut sich ab, Muskeln leiern aus. All das bewirkt, dass wir am Ende des Lebens völlig anders erscheinen als in jungen Jahren. Und nur wer das Zusammenspiel aller Änderungen versteht, kann etwas dagegen tun. Unter die Haut blicken wir deshalb auch noch. Zunächst aber zurück zu unserem Lkw-Fahrer.

Bei ihm diagnostizierten Ärzte eine einseitige Dermatoheliose, ein schlaues Wort für lichtgeschädigte Haut. Die UVA-Strahlen der Sonne durchdringen nämlich Fenster. Nicht nur von Lkw-Fahrerkabinen, sondern auch von Büros oder von der Fensterfront im Wohnzimmer. UVA-Strahlen lassen sich nicht aufhalten von ein bisschen Glas. Und wenn sie auf unsere Haut treffen, dann dringen sie tief ein und beeinträchtigen zum Beispiel die Produktion von kollagenen und elastischen Fasern in der Haut.

Das ist ein Problem. Denn Kollagen und Elastin sorgen dafür, dass die Haut straff bleibt. Im Laufe der Jahre geht die Produktion natürlicherweise zurück. Doch UVA-Strahlung beschleunigt diesen Prozess. Die Haut altert vorzeitig.

Ausserdem regt UV-Strahlung die Melaninproduktion an. Mit diesen Pigmenten versucht sich die Haut vor der Strahlung zu schützen. Im Laufe der Zeit entstehen dadurch dunkle Stellen, die auch als Altersflecken bekannt sind.

Rauchen: der zweite entscheidende Faktor für die Hautalterung

Die tief in die Haut gegrabenen Linien über der Oberlippe dieser Frau zeigen: Sie raucht nicht zum ersten Mal.

Diese Falten sind typisch für langjährige Raucher. Und überhaupt wird das Gesicht von Rauchern im Laufe der Jahre zerknitterter als das von Nichtrauchern. Das zeigen auch Studien mit eineiigen Zwillingen, von denen einer raucht und der andere nicht.

Aber warum eigentlich schädigen Zigaretten die Haut? Forscher vermuten unterschiedliche Gründe. Zwei davon: Das enthaltene Nikotin schädigt die feinen Blutgefässe in der Haut; sie wird schlechter durchblutet und dadurch mit weniger Nährstoffen versorgt. Zudem verstärkt Rauchen vermutlich die Produktion eines Enzyms, das Kollagen in der Haut abbaut – und das führt dazu, dass die Haut schlaffer und faltiger wird.

«Sonne und Zigaretten sind hauptverantwortlich für die vorzeitige Alterung unserer Haut», sagt Thomas Kündig, Direktor der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich. Und er fügt hinzu: «Schauen Sie sich einmal das Gesäss einer 80-jährigen Person an, die nie geraucht hat. Dann wissen Sie, was ich meine.»

Was er meint: Auch solch eine Hautstelle wird schlaffer, wirft irgendwann feine Falten, denn auch ihr fehlen mit der Zeit Kollagen und Elastin. Zudem wird sie trockener. Das liegt vor allem daran, dass die Talgdrüsen in der Haut aufgrund des veränderten Hormonspiegels im Alter nicht mehr so viel Fett produzieren. Aber so dramatisch wie bei unserem sonnenbeschienenen Aushängeschild, nämlich dem Gesicht, wird die Hautalterung hier nicht.

Äussere Faktoren sind laut Kündig zu etwa 80 Prozent für die Alterserscheinungen der Gesichtshaut verantwortlich. Der Dermatologe sagt: «Die tiefen Falten im Gesicht könnte man komplett vermeiden. Einfach nur indem man nicht raucht und jeden Tag Sonnencrème verwendet. Es ist banal, etwas anderes braucht es nicht.»

«Etwas anderes»: Damit meint er Pflegeprodukte wie etwa Crèmes mit Kollagen, das angeblich in die Haut eindringen und sie wieder straffer machen soll. «Wie soll das denn gehen?», fragt er und stellt einen Vergleich an: «Wassermoleküle sind viel kleiner als Kollagen. Aber Sie können sich heute Abend so lange, wie Sie wollen, in die Badewanne legen, das H2O wird nicht in Ihre Haut eindringen. Und wenn das nicht klappt, wie soll es dem viel grösseren Kollagen gelingen?»

Eine Ausnahme bei den Pflegeprodukten macht er dann doch: «Retinol dringt ganz gut in die Haut ein, und es gibt eine gewisse Evidenz, dass es zum Beispiel Pigmentverschiebungen ausgleichen kann.» Soll heissen: Es hilft, Altersflecken zu vermeiden.

Wie Knochen, Muskeln und Fett altern

Nicht rauchen, Sonnencrème verwenden und eventuell auf Retinol setzen – so einfach also kann man ein junges Gesicht behalten? Wenn das stimmen würde, dann wäre die Geschichte hier zu Ende. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn die Hautschicht ist längst nicht die einzige, die uns mit der Zeit älter aussehen lässt. Darunter liegen Fett, Muskeln und Knochen. Und weil auch sie sich verändern, sehen wir mit 60 Jahren völlig anders aus als mit Anfang 20 – ganz egal, wie sehr wir die Haut schützen.

Aber was genau geschieht im Laufe der Jahre? Fangen wir mit der Knochenschicht an. Sie ist das Fundament des Gesichts – doch sie ist kein starres Gebilde. Die Augenhöhlenknochen etwa verlieren mit den Jahren an Volumen, genau wie die Wangen- und Kieferknochen. Der Unterkiefer verändert sich besonders drastisch. Im Alter verschiebt er sich derart, dass das Kinn weniger markant und das Gesicht länger und schmaler erscheint.

Das knöcherne Fundament des Gesichts bröckelt nicht nur, es formiert sich mit der Zeit also auch neu. Und wenn das geschieht, verändern sich auch die darüberliegenden Schichten. Sie werden in andere Positionen gezwungen.

So etwa die Muskeln, die an den Knochen befestigt sind: Sie werden weiter nach hinten und unten gezogen, verlieren an Kraft und Spannung, werden länger. Wie die Knochen büssen sie zudem an Masse ein. Sie verzerren durch ihre eingeschränkte Bewegungsfreiheit den Gesichtsausdruck und tragen durch ihre neuen Positionen dazu bei, dass auch andere Schichten absacken.

Zum Beispiel das Fett: Für das volle, jugendliche Gesicht in der Blüte des Lebens sind auch die vielen Fettpölsterchen verantwortlich. Teils baut sich das Fett ab, teils verrutscht es, weil ihm Knochen- und Muskelschicht keine Stabilität mehr schenken. Wohin es sich verschiebt? Es gibt im Alter nur eine Richtung: mit der Schwerkraft nach unten.

Wie ein Tischtuch passt sich die Haut dem morsch gewordenen, in die Jahre gekommenen und immer stärker eingedellten Untergrund an. Die Hautschicht formt sich um die Hängebacken, in denen das abgesackte Fett liegt. Bleibt verloren unter den Augen zurück, wo Knochen und Fettpölsterchen weniger geworden sind und eine Art Höhle hinterlassen haben. Nun treten die Tränensäcke hervor.

Die Haut schafft es ausserdem nicht mehr, sich glattzuziehen, wo jahrelang Muskeln zerrten; zeigt Zornesfalten, Krähenfüsse und Lachfalten auch in Momenten, in denen sich der Mensch für tiefenentspannt hält. Was der Hautschicht fehlt, sind vor allem die alten Bekannten: elastische und kollagene Fasern. Aber selbst wenn sie davon noch genügend hätte – sie würde sich über ein in die Jahre gekommenes und völlig verändertes Inneres spannen. Das Gesicht sähe so oder so nicht mehr aus wie in der Jugend.

In wissenschaftlichen Publikationen gibt es etliche Auflistungen der Veränderungen, die ein Gesicht im Laufe der Jahrzehnte erlebt. Ein Beispiel in Auszügen:

Und nun? Es gäbe die Option, das alternde Gesicht nicht als Verfall, sondern als eine faszinierende Veränderung zu begreifen. Sich zu vergegenwärtigen, dass ein 70 Jahre altes Gesicht natürlich nicht aussehen kann wie ein 30-jähriges. Dass es aber ebenfalls schön sein kann. Doch ein Blick auf die Statistik der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie zeigt: Viele Menschen wollen diese Veränderungen nicht hinnehmen. Die drei häufigsten Eingriffe des vergangenen Jahres fanden im Gesicht statt: Oberlidstraffung, Botoxbehandlung und Faltenunterspritzung.

Alterungsprozessen in den verschiedenen Schichten entgegenwirken

Diese Top 3 widmen sich den Veränderungen in ganz unterschiedlichen Schichten. Bei der Faltenunterspritzung werden bestimmte Partien im Gesicht mit unterschiedlichen Substanzen aufgefüllt. Dazu gehören Eigenfett aus anderen Körperstellen, Milchsäure oder «der Klassiker Hyaluronsäure», wie Nicole Lindenblatt sagt.

Die stellvertretende Direktorin der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am Universitätsspital Zürich bietet mit ihrem Team solche sogenannten Filler-Behandlungen an. Sie erklärt: «Hyaluronsäure zieht Wasser an und schwillt dadurch an. Im Bereich der Schläfenregion oder der Nasolabialfalten kann der Effekt sehr gut sein. Aber nutzt man zu viel oder spritzt es an der falschen Stelle, wirkt das Gesicht geschwollen.»

Da sie regelmässig Patientinnen hat, die nach verpfuschten Behandlungen zu ihr kommen, rät sie bezüglich dieser und auch anderer Behandlungen im Gesicht: «Gehen Sie zu gut ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten.»

Die Klinik bietet zudem eine Botulinumtoxin-Sprechstunde zur Faltenbehandlung an, so beliebt ist diese Möglichkeit auch am Unispital. Die «Botox»-Spritze zielt auf die Muskelschicht: Sie lähmt Muskeln, die fortan keine Falten mehr in die Haut graben können, wobei Nicole Lindenblatt sagt: «Der Trend ist heute nicht mehr, die Stirn komplett einzufrieren, sondern die Falten eher zu minimieren.»

Botulinumtoxin nutzt sie auch, um herabgesunkene Augenbrauen wieder anzuheben: «Manche Muskeln ziehen die Augenbrauen hoch, andere ziehen sie herunter. Man muss also nur den richtigen Muskel treffen, um das gewünschte Ergebnis zu bekommen.»

Die Oberlidstraffung hingegen soll Veränderungen in ganz unterschiedlichen Schichten ausgleichen. Das Lid sinkt nämlich herab, weil sowohl Muskulatur als auch Haut schlaffer werden und sich überschüssiges Fett ansammelt. Dadurch kann der Blick müde oder traurig wirken. In einer etwa halbstündigen Operation entfernt Lindenblatt, was zu viel ist, und strafft das Oberlid, um die Augen wieder zu öffnen.

Doch all das sind punktuelle Behandlungen in einem sich völlig verändernden Gesicht. So umfassend wie möglich begegnet nur das Facelift dem Alterungsprozess. In der Statistik der beliebtesten plastischen Eingriffe rangiert es immerhin auf Platz 6. Nicole Lindenblatt betont dazu: «Ein möglichst natürliches Ergebnis gibt es erst dann, wenn man auch die tieferliegenden Schichten anhebt und nicht bloss die Haut.» Das geschieht beim Deep-Plane-Facelift, das auch Fett- und Muskelschichten anhebt.

Die Hautpflege ist der entscheidende Faktor

Aber auch ein tiefschürfender Eingriff wie das Deep-Plane-Facelift hat seine Grenzen. «Ist die Haut bereits stark gealtert, bekommen wir es trotzdem nicht hin, die Person viel jünger aussehen zu lassen», sagt Nicole Lindenblatt.

Das A und O, um so lange wie möglich jung auszusehen, ist also letztlich doch der Schutz der Haut. Wie das geht? Die Tipps von Nicole Lindenblatt unterscheiden sich nicht von jenen ihres Kollegen Thomas Kündig aus der Dermatologie: Sonne vermeiden, trotzdem täglich Sonnenschutz auftragen und bloss nicht rauchen. Und eventuell eine Crème mit Retinol. Wie sagte Thomas Kündig? «Eigentlich ist es banal.»

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