Sonntag, November 24

Passhöhen sind Orte des Übergangs: Wanderer lassen dort den Punkt des Aufbruchs endgültig hinter sich und kommen in eine neue, unbekannte Welt. Wir stellen zehn Passwanderungen vor, auf denen sich die Überschreitung des Horizonts besonders eindrücklich erleben lässt.

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Leiterepass/Morgetepass

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Trütlisberg/Stübleni/Tungel

Im Schatten der beiden bekannten, schon zur Steinzeit für den Nord-Süd-Transit genutzten Übergänge der Gemmi und des Lötschenpasses steht der Restipass. Er verbindet das Tal von Leukerbad mit dem Lötschental und hat seit je nur lokale Bedeutung. Es lohnt sich jedoch, ihn zu entdecken, gilt diese Wanderung im Wallis doch als eine der schönsten Passrouten der Schweiz. Schon der Aufstieg ab der Bergstation Rinderhütte ist landschaftlich reizvoll und obendrein nur mässig steil. Auf der Passhöhe öffnet sich dann eine grossartige Aussicht auf das ganze Lötschental bis zu dessen hinterstem Ende, der Lötschenlücke. Der Abstieg führt zur Restialp, wo sich die kleinste Beiz des Kantons Wallis befindet – nur ein einziger Tisch steht in der Gaststube. Weitere Einkehrmöglichkeiten gibt es auf der Kummenalp, der Hockenalp und am Ziel Lauchernalp.

Route: Leukerbad/Rinderhütte–Wysse See–Restipass–Kummenalp–Lauchernalp/Holz
Streckenlänge: 14,8 km
Aufstieg: 680 m
Abstieg: 1020 m
Wanderzeit: 5 h
Schwierigkeitsgrad: mittel


Für die Einheimischen war klar: Da steckte der Teufel dahinter. Im frühen 18. Jahrhundert verwüsteten gleich zwei Bergstürze die Alp Derborence und bedeckten die einst fruchtbaren Weidegründe mehrere Dutzend Meter hoch mit Geröll. Das Gebirge, von dem sich die Felsmassen gelöst hatten, wurde deshalb flugs umgetauft: Aus dem einstigen Scex de Champ wurden Les Diablerets – die Berge des Teufels.

Fortan mied man das einstige Alpgelände. Dadurch konnte sich dort die Natur praktisch ungestört entfalten. Zwischen unzähligen Steinblöcken wuchsen im Laufe der Zeit Tannen und Lärchen heran. Auf diese Weise entstand der jüngste Urwald der Schweiz. Die malerische Landschaft ist Ausgangspunkt der Bergwanderung über den Pas de Cheville, einen Passweg-Klassiker der Westschweiz.

Die Tour beginnt auf der Walliser Seite mit einem steilen Aufstieg und setzt sich auf der Waadtländer Seite mit deutlich weniger Gefälle fort. Der Kulminationspunkt des Cheville-Passes bietet zwar nur wenig Ausblick in beide Richtungen des Passwegs. Eindrücklich ist hingegen der Blick zu den jäh abfallenden Flühen der Diablerets im Norden und zu den abenteuerlich spitzen Zacken des Muveran-Massivs im Süden.

Route: Derborence–Le Grenier–Pas de Cheville–Solalex–La Barboleuse
Streckenlänge: 14,3 km
Aufstieg: 770 m
Abstieg: 1010 m
Wanderzeit: 5 h
Schwierigkeitsgrad: mittel


Von Basel ist es weit bis zu den Alpen. Doch gleichwohl nimmt die Via Gottardo ihren Anfang am Rhein. Der Weitwanderweg führt in zwanzig Etappen bis nach Chiasso. Das kürzeste Teilstück verbindet Läufelfingen mit Olten. Noch weit weg vom Gotthardpass überwindet es mit dem Unteren Hauenstein einen ersten Passübergang. Herzstück der Tour ist ein spektakulärer Geländeeinschnitt im Wald: Schon zu römischer Zeit wurde hier ein natürlicher Felsspalt zu einem begehbaren Felsdurchbruch ausgebaut – der Weg wurde buchstäblich «in den Stein gehauen», wie es der Flurname besagt.

Route: Läufelfingen–Unterer Hauenstein–Trimbach–Olten
Streckenlänge: 7,8 km
Aufstieg: 160 m
Abstieg: 330 m
Wanderzeit: 2 h
Schwierigkeitsgrad: leicht


Im Übergangsbereich von Voralpen und Alpen liegt die Bergwanderung, welche die markante Gestalt des Gantrischs umrundet. Entsprechend kontrastreich sind die Landschaft und die Aussicht. Die Route nutzt gleich zwei Passübergänge. Der erste davon ist der Morgetepass. Wer ihn von Norden her überschreitet, erlebt einen grossartigen Moment: Nach einem längeren, steilen Aufstieg im Tälchen zwischen dem Gantrisch und dem Nachbargipfel Bürglen öffnet sich jäh eine umfassende Sicht, die von den Berner Hochalpen bis zu den Gipfeln der Waadtländer Alpen reicht. Später, am Leiterepass, entrollt sich das Panorama in umgekehrter Richtung gegen Norden hin.

Route: Gurnigel–Morgetepass–Leiterepass–Gurnigel
Streckenlänge: 8,9 km
Aufstieg: 600 m
Abstieg: 600 m
Wanderzeit: 3 h 15 min
Schwierigkeitsgrad: mittel


Im tiefsten Emmental beginnt diese Wanderung – und endet im Angesicht der Berner Hochalpen. Ihr Höhepunkt ist die Überschreitung eines Passes, der die beiden ungleichen Landschaften verbindet. Ausgangspunkt ist das Kemmeribodenbad. Dem Lauf der jungen Emme folgend geht es durch Bergwälder und über Alpweiden zusehends steil aufwärts zum Riedergrat. Noch diesseits der Bergkette liegt die Alp Ällgäu. Geografisch ist sie dem Emmental hinzuzurechnen, gehört jedoch zur Gemeinde Oberried auf der Berner Oberländer Seite des Grats. Das Dorf ist bloss drei Kilometer Luftlinie von den Alphütten entfernt. Doch wenn die Bauern im Herbst den Alpkäse heimnehmen wollen, müssen sie einen zweistündigen Umweg via Thun und Schallenbergpass fahren, denn der direkte Weg über die Ällgäulücke ist einzig zu Fuss machbar.

Die Lücke zwischen dem Ällgäuhorn und dem Schnierenhorn bietet Passwanderern einen geradezu magischen Moment des Übergangs: Eben noch schweifte ihr Blick über den Hohgant und die Schrattenfluh im Norden, da öffnet sich im Süden ein grossartiges Panorama: Am Horizont glänzen die Gipfel von Finsteraarhorn, Mönch und Jungfrau, davor erstreckt sich die Faulhornkette, in der Tiefe schimmert blaugrün der Brienzersee.

Fast 1400 Meter tiefer liegt der Seespiegel. Der Abstieg ist entsprechend happig, aber durchaus reizvoll, verläuft er doch im oberen Teil durch blumenreiche Alpwiesen und bietet damit eine praktisch ungehinderte Aussicht auf den See und die umliegenden Berge.

Route: Kemmeribodenbad–Mirrenegg–Ällgäulücke–Bitschi–Oberried
Streckenlänge: 13,5 km
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1390 m
Wanderzeit: 5 h 35 min
Schwierigkeitsgrad: schwer


Weder ein scharfer Grat noch spitze Gipfel trennen den hintersten Teil des Simmentals vom benachbarten Lauenental. Vielmehr ist es sanftes Hügelland, das hier eine fliessende Grenze bildet. Gleich drei Passübergänge führen von der Lenk hinüber nach Lauenen. Alle drei sind mit Bergwanderwegen untereinander verbunden. Man kann daher sozusagen quer gehen. Einzig im Gebiet Stübleni macht die milde Topografie kurz Pause: Zwischen tiefen Gräben und grasumrandeten Kratern schlängelt sich ein schmaler Pfad dahin. Das aussergewöhnlich geformte Terrain ist dem hier dominierenden Gipsstein zu verdanken, der vom Regen ausgewaschen wurde.

Route: Lenk–Trütlisbergpass–Stüblenipass–Tungelpass–Lauenensee
Streckenlänge: 18,1 km
Aufstieg: 1320 m
Abstieg: 1010 m
Wanderzeit: 6 h 30 min
Schwierigkeitsgrad: mittel


Nach seinem Alpenfeldzug gegen die Truppen Napoleons trat der russische General Alexander Suworow im September 1799 den Rückweg in den Osten über eine ziemlich ausgefallene Route an: Via Pragel- und Panixerpass ging es ins Bündnerland. Das erste Teilstück dieser Strecke ist eine eindrückliche Passwanderung von der Zentralschweiz ins Glarnerland. Der Weg ist meist breit und übersichtlich, es gibt keinerlei ausgesetzte Passagen. Dennoch vermittelt die Tour eindrückliche Bergerlebnisse, etwa bei der Durchquerung des Bergsturzgebiets Schluecht oder im Abstieg ins Tal der Chlön, das von wuchtigen Felsformationen geprägt ist.

Route: Muotathal–Fruttli–Pragel–Richisau
Streckenlänge: 14,4 km
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 560 m
Wanderzeit: 5 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: mittel


Eine ganze Reihe von Pässen und Satteln durchzieht den Alpstein im Appenzellerland. Einer der interessantesten dieser Übergänge verbindet die Berggasthäuser Mesmer und Meglisalp. Zunächst ziehen sich deutlich sichtbare Wegspuren einen abschüssigen Grashang hoch, verlieren sich jedoch zusehends im Geröll. Über den Alpweiden ragen senkrechte, tief durchschrundete Flühe empor – ein vertikales Inferno, das Kletterer beglücken mag, aber Wanderer daran zweifeln lässt, ob es da überhaupt ein Durchkommen gibt. Doch tatsächlich ist da ein Pfad, der im Zickzack durch die Felsen führt. Die Passage zur Ageteplatte ist zuweilen etwas ausgesetzt, aber mit Drahtseilen gut gesichert.

Route: Wasserauen–Mesmer–Ageteplatte–Meglisalp–Wasserauen
Streckenlänge: 15,1 km
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Wanderzeit: 6 h
Schwierigkeitsgrad: schwer


Wasserscheiden gibt es viele in der Schweiz. Nicht nur von den bekannten Alpenpässen, sondern auch von jedem Geländesattel fliesst das Wasser beidseits in unterschiedliche Richtungen ab. Spannender sind die kontinentalen Wasserscheiden. Von der Grimsel oder vom Gotthardpass etwa strömt das Wasser nordwärts in die Nordsee, südwärts hingegen ins Mittelmeer. Am exklusivsten ist in dieser Hinsicht der Lunghinpass im Kanton Graubünden. Er ist der einzige Punkt nicht nur der Schweiz, sondern ganz Europas, an dem Bäche entspringen, die gleich drei verschiedene Ozeane speisen: Von diesem hydrologischen Zentrum des Kontinents fliesst das Wasser nach Südwesten Richtung Mittelmeer, nach Nordwesten zum Atlantik, während südöstlich der Passhöhe der Inn entspringt, dessen Wasser ins Schwarze Meer strömt.

Der denkwürdige Punkt ist ein einsamer, ausgedehnter Geländesattel, der häufig dem Spiel der Winde ausgesetzt ist. Erreichbar ist er auf einer Bergwanderung, die das Oberengadin mit dem Oberhalbstein verbindet. Der oft steile Aufstieg bietet sehr schöne Ausblicke zum Silsersee und ins Fornotal. Wesentlich gemächlicher ist der Abstieg, in dessen Verlauf zudem mit dem Septimerpass noch gleich eine zweite Passhöhe überquert wird.

Route: Maloja–Lunghinpass–Septimerpass–Bivio
Streckenlänge: 14,3 km
Aufstieg: 900 m
Abstieg: 940 m
Wanderzeit: 5 h 30 min
Schwierigkeitsgrad: mittel


Eine Passwanderung der etwas anderen Art führt aus der Magadinoebene auf den Monte Ceneri und wieder zurück ins Tal des Ticino. Die Passhöhe trennt das Tessin in ein Darunter (Sottoceneri) und ein Darüber (Sopraceneri), stellt aber als bedeutende Verkehrsachse zugleich die Verbindung zwischen den beiden Kantonshälften sicher. Anders als es der Name suggeriert, ist Monte Ceneri nicht etwa ein Berg, sondern ein Dorf und zugleich der besagte Übergang in dessen Nähe. Schon im Mittelalter nutzten ihn Händler, Krieger und Pilger. Heute dominieren auf der Passhöhe Beton, Asphalt und Verkehrslärm, Tankstellen mit Imbissstationen lassen Assoziationen an ein amerikanisches Roadmovie-Drama aufkommen, etwas abseits der Strasse dehnt sich zudem grossflächig militärisches Sperrgebiet aus.

Gleichwohl ist es gerechtfertigt, den unansehnlichen Schauplatz in Kauf zu nehmen als Zwischenziel einer sonst durchaus lohnenden Wanderung, die durch wunderbare Landschaften führt. Der Aufstieg verläuft auf einer alten, kunstvoll angelegten Passstrasse, die im Mittelalter angelegt wurde und im Volksmund als «Strada romana» gehandelt wird.

Als Abstiegsroute bietet sich die Via del Ceneri an, die bei der neu angelegten Piazza Ticino auf der Passhöhe beginnt und streckenweise durch lichte Selven mit mächtigen alten Kastanienbäumen talwärts führt. Informationstafeln am Weg berichten über die Geschichte der Dörfer, ihrer Bewohner und der Verkehrswege der Gegend. Für eine Rast empfiehlt sich das Plätzchen bei der alten, kunstvoll restaurierten Mühle von Precassino: Tische, Bänke und eine Feuerstelle stehen bereit, am nahen Bächlein kann man spielen und planschen.

Route: Quartino–Monte Ceneri–Robasacco–Cadenazzo
Streckenlänge: 11,1 km
Aufstieg: 520 m
Abstieg: 520 m
Wanderzeit: 3 h 30 min
Schwierigkeitsgrad: leicht

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