Dienstag, März 4

Die Biotechfirma Colossal hat in Mäusen mehrere Erbanlagen verändert und ein Gen zu einem Mammutgen gemacht. Das hat den Tieren zu ihrem neuen Haarstyle verholfen. Wie sie entstanden sind und wie realistisch eine Wiederauferstehung des Mammuts ist.

Mäuse mit Mammuthaaren, das tönt reichlich bizarr. Klar, die neuen Mäuse aus dem Gentechlabor schauen herzig aus. Mit ihren goldbraunen, nach allen Seiten abstehenden langen Haaren erinnern sie an frisch geschlüpfte Küken. Unwillkürlich möchte man einen der wuscheligen Fellbälle mit Mausöhrchen in die Hand nehmen. Aber die Tiere sind nicht zum Spielen gemacht. Die Mäuse sollen der erste Schritt zur Wiederauferstehung des seit rund 4000 Jahren ausgestorbenen Wollhaarmammuts werden.

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Das ist zweifellos eine grosse Aufgabe für eine kleine Maus. Erschaffen haben sie die Forscher der amerikanischen Biotechfirma Colossal. Wie der Name schon verrät, geht es ihnen um gigantische Projekte.

Warum die Mäuse wollig wurden

Wollhaarmammuts waren, vereinfacht gesagt, Verwandte der heutigen Elefanten, aber gut angepasst an ein raues, kaltes Klima. Deswegen trugen die Mammuts ein dichtes Fell. Ein ähnliches Haarkleid haben die Colossal-Forscher nun auch ihren wolligen Mäusen, wie sie die Tiere nennen, verpasst. Das Team hat Anfang März die Daten präsentiert, seine Arbeit ist aber noch nicht von unabhängigen Experten begutachtet worden.

Laut der Veröffentlichung haben die Wissenschafter mithilfe einer speziellen Genschere insgesamt sechs Gene für Haarwuchs und -beschaffenheit verändert. So wurde ein Gen ausgeschaltet, das normale Mäuse besitzen, Mammuts aber nicht. Ein weiteres Gen wurde dahingehend verändert, dass es nun in den Tieren in der Mammutversion vorkommt.

Zudem wurden bei den wolligen Mäusen noch vier weitere Gene ausgeschaltet. Das sind allerdings jeweils keine Mammutgene. Es handelt sich vielmehr um Gene, die bekanntermassen eine Rolle bei der Fellbildung von Mäusen spielen.

Erst das Zusammenspiel all dieser Veränderungen verschaffte den Colossal-Mäusen den neuen Look. Es ist also keineswegs so, dass es sich hier um Mäuse handelt, die ausschliesslich aufgrund der Mammutgene so wuschelig-kuschelig wurden, wie dies eine Pressemitteilung von Colossal antönt.

Das Colossal-Team ist davon überzeugt, dass seine neuen Mäuse ein gutes Studienobjekt darstellen, um die Anpassung eines Organismus an Kälte zu untersuchen. Das Fernziel der Forscher ist es, das Erbgut eines heutigen Asiatischen Elefanten so zu verändern, dass er dank einem dichten Fell im ersten Schritt in einer ganzjährig kühlen bis sehr kalten Natur überlebt. Daraus sollen dann irgendwann Wollhaarmammuts entstehen. Oder zumindest ein Tier, das diesen sehr stark ähnelt.

Doch noch können nicht einmal die wolligen Mäuse in der Kälte überleben. Denn dafür benötigen Tiere nicht nur ein dichtes Fell. Zudem muss ihre Haut eine Struktur aufweisen, die besser isoliert. Mindestens ebenso wichtig: Ihr Stoffwechsel muss an niedrige Temperaturen angepasst sein.

Tiere, die dauerhaft in der Kälte leben, besitzen unter anderem grosse Fettdepots. Diese erfüllen zwei Aufgaben: Sie isolieren den Körper. Und sie dienen als Brennmaterial, mit dem der Körper bei Bedarf die innere Heizung befeuern kann.

Damit die wolligen Mäuse Kälte vertragen, wurde ihnen zusätzlich zu den Veränderungen in ihren Haargenen auch die Mammutvariante eines Gens verpasst, das den Fettstoffwechsel mit steuert. Allerdings ist das Ergebnis im wahrsten Sinn des Wortes mager: Die derart veränderten Mäuse hatten zwar auch Mammuthaare, aber dasselbe Körpergewicht wie ihre Artgenossen. Es ist völlig unklar, ob die Mäuse dank dem neuen Gen tatsächlich besser mit Kälte klarkämen.

Kein wichtiger Schritt auf dem Weg zu neuen Mammuts

Unabhängige Wissenschafter, die vom Science Media Center befragt wurden, beurteilen die wolligen Mäuse denn auch zurückhaltend. Sie loben zwar die Technik und Fingerfertigkeit der Experimentatoren. Es sei gelungen, in Tieren gleichzeitig mehrere Gene zu verändern, ohne dass ihnen dies allem Anschein nach geschadet hätte. Das sei wegweisend für künftige gentechnische Veränderungen in Tieren. So könnten komplexe Prozesse, an denen mehrere Gene beteiligt seien, detailliert untersucht werden. Tenor: Es wurde ein interessanter Modellorganismus erschaffen.

Aber keiner der Befragten glaubt derzeit, dass die wolligen Mäuse tatsächlich ein wichtiger Schritt hin zur Wiederauferstehung des Wollhaarmammuts sein könnten. Zum einen sei völlig unklar, ob Elefanten, die per se kein wirkliches Fell hätten, durch die Ausschaltung beziehungsweise Veränderung von Genen überhaupt ein echtes Fell, noch dazu dasjenige des Wollhaarmammuts, bekämen.

Zum anderen müssten eine Vielzahl von Stoffwechselgenen in einem Asiatischen Elefanten verändert werden, damit dieses neue Wesen Kälte aushalten könnte. Dabei muss sichergestellt werden, dass all die veränderten Gene korrekt zusammenwirken. Viele Versuche müssen nicht nur mit Mäusen, sondern auch mit Elefanten durchgeführt werden. Das «verbraucht» allerdings grosse Mengen an Tieren. Das ist für viele Wissenschafter wie Naturschützer bei einer stark gefährdeten Art wie den Asiatischen Elefanten, die zudem eine Tragzeit von 22 Monaten aufweisen, schlicht inakzeptabel.

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