Samstag, März 15

Die Premiere in Cannes bringt Trump auf die Palme. Er will gegen den Film vorgehen. Man kann ihn sogar verstehen.

Donald Trump hat drei Regeln. Regel Nummer eins: «Attack, attack, attack.» So sagt es Trump im Biopic «The Apprentice». Und der echte Trump zeigte dem Filmteam auch gleich, was «attack» heisst: In Cannes war die Premierenparty gerade erst eröffnet, der Champagner kaum entkorkt, als die Nachricht die Runde machte: Trump wird klagen. Der Ex-Präsident attackiert.

Sein Sprecher liess ausrichten, dass man gegen «these pretend filmmakers», diese Möchtegern-Filmemacher, vorzugehen gedenke. «Der Müll ist reine Fiktion und bauscht Lügen auf, die längst entlarvt worden sind», so sagte der Mann gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP.

Womit Trump auch gleich bei seiner zweiten Regel war: «Admit nothing, deny everything.» Kategorisch alles abstreiten. Selbst wenn man gar nicht genau weiss, was vorliegt. Denn Donald Trump hat den Film nicht gesehen. Vermutlich hat auch der Sprecher keine konkrete Vorstellung davon, von welchem «Müll» er spricht. Er wird kaum bei der Premiere dabei gewesen sein.

Trump ist nicht zu übertrumpfen

Über den Wettbewerbsbeitrag des iranisch-dänischen Regisseurs Ali Abbasi («Holy Spider») wusste man im Vorfeld praktisch nichts. Würde Trump darin verlästert oder würde er verteufelt, das war die Frage. Eine vorteilhafte Darstellung erwartete niemand. Aber was ist im Fall von Trump überhaupt unvorteilhaft? Kann man Donald Trump schlimmer darstellen, als er sich selbst darstellt? Dass es länger gedauert hat, bis es einen Spielfilm über ihn gibt, hat wahrscheinlich auch damit zu tun: Die Realität ist so krass, der echte Trump ist kaum zu übertrumpfen.

Dass der Cannes-Beitrag ihn nun trotzdem auf die Palme bringt, ist gleichwohl klar. Denn es machte nach der Premiere schnell die Runde: «The Apprentice» zeigt Donald Trump als Vergewaltiger. Natürlich gibt es schon lange massenhaft Missbrauchsvorwürfe. Doch in Trump einen Vergewaltiger zu vermuten, ist das eine. Trump als Vergewaltiger darzustellen: noch einmal etwas anderes. Das Bild prägt sich ein.

Es geschieht im letzten Drittel des Biopics, das die Aufstiegsgeschichte des New Yorker Sprösslings behandelt. 1989 ist Trump seit über zehn Jahren mit Ivana verheiratet. Aber längst turnt sie ihn nicht mehr an. Ivana, sexuell frustriert, schenkt dem Ehemann einen Liebesratgeber, «Der G-Punkt». Das gibt Streit, die Auseinandersetzung eskaliert. «Du hast ein Gesicht wie eine verdammte Orange», schreit Ivana. Ausserdem bekomme er eine Glatze. Trump wirft sich auf Ivana, drückt sie mit dem Gesicht gegen den Boden. Dann vergewaltigt er sie. «Ist das der G-Punkt?», fragt er schnaubend. «Habe ich ihn gefunden?»

Dass ihr Mann sie vergewaltigt habe, hat Ivana Trump tatsächlich im Scheidungsprozess 1989 ausgesagt. Doch später wollte sie die Anschuldigung nicht im Wortsinn verstanden wissen. Sie erklärte den früheren Ehepartner für einen feinen Kerl, man sei beste Freunde geblieben. Dass sich der Film nun, zwei Jahre nach Ivana Trumps Tod, anmasst, die Dinge anders darzustellen: Es ritzt die künstlerische Freiheit schon etwas gröber.

Teilweise fiktionalisiert

Sicher, in der Kunst ist viel erlaubt. Die Filmemacher haben sich mit einem Disclaimer auch juristisch einigermassen abgesichert: Teilweise seien die dargestellten Ereignisse fiktionalisiert, erklärt anfangs eine Texttafel. Aber bei aller Abneigung gegen Trump: Ist es fair, ihn als Vergewaltiger darzustellen? Und tut sich der Film damit einen Gefallen? Denn die Unterstützer Trumps werden sich davon nicht beirren lassen. «If you’re indicted, you’re invited», sagt im Film der Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong). Genau so ist das in diesen Kreisen: «Wer angeklagt ist, ist einer von uns.»

Roy Cohn hat Trump gross gemacht. Auf ihre gemeinsame Zeit konzentriert sich Ali Abbasi, der eine «origin story» des Bösewichts Donald Trump erzählt. In den frühen siebziger Jahren ist Donald (Sebastian Stan) ein schüchterner junger Mann. Zu Hause gängelt Patriarch Fred (Martin Donovan) die Söhne. Donalds älterer Bruder ist Pilot: «Ein Busfahrer mit Flügeln», höhnt der Vater.

Donald hat es immerhin zum Vizepräsidenten in der Immobilienfirma des Vaters gebracht. Aber seine Aufgabe besteht vor allem darin, in den abgewrackten Bauten an Wohnungstüren zu klopfen und von bedürftigen Leuten die Miete einzutreiben.

Gleichzeitig träumt er vom Bau eines Luxushotels, dem Trump Tower. Nur muss er zunächst mit einer Klage gegen die Immobilienfirma fertig werden. Man würde nicht an Schwarze vermieten, lautet der Vorwurf. Eine Verurteilung wäre für die Firma verheerend. Und die Indizien sind erdrückend. Aber der Vater macht auf dumm: «Wie können die mich einen Rassisten nennen, wo ich doch einen schwarzen Chauffeur habe?»

Donald holt Hilfe. Als Neumitglied in einem exklusiven Klub hat er den Anwalt Roy Cohn kennengelernt. Der nötigt das Milchgesicht zum Trinken. Donald, der nur Eiswasser mag, hängt bald über der Toilette. Aber der skrupellose Anwalt findet Gefallen an dem jungen Mann, der nach oben will. Koste es, was es wolle.

Cohn bringt Trump das Einmaleins des gehobenen Gangstertums bei, auch kauft er dem Kid einen teuren Anzug: «Wenn du millionenschwer aussiehst, sehe ich auch millionenschwer aus», sagt Cohn.

Phantastisches Schauspiel

Donald wird Trump. Roy Cohn kreiert ein Monster. Dramaturgisch ist das holzschnittartig. Aber es ist schmissig inszeniert, mit viel Achtziger-Jahre-Flair. Jeremy Strong aus «Succession» ist der listige Freak-Anwalt mit dem Echsengesicht, der später tragisch an Aids erkrankt. Sebastian Stan, bekannt bisher höchstens als Winter Soldier aus «Avengers», spielt phantastisch auf in der Rolle von Riesenbaby Trump. Er hat den watscheligen Gang genauso drauf wie den typischen Trump-Schnellsprech in Superlativen. Die noch nicht ganz so prägnante Tolle ist auch fein gekämmt.

Den speckigen jungen Trump in der ersten Filmhälfte bemitleidet man fast. Wie er dazugehören will, ist ein bisschen rührend. Von der feudalen Hotellobby aus italienischem Marmor im Trump Tower träumt er. Dann werden die Ideen rabiater. Ronald Reagan sagt: «Lasst uns Amerika wieder gross machen.» Trump betet es nach, es sind die Anfänge von «Make America Great Again», der «MAGA-lomane» ist geboren. Trump wird simpler, der Film allerdings auch.

In der zweiten Hälfte macht sich Ali Abbasi an die Hässlichsprechung des Donald Trump. Die Vergewaltigung ist nicht alles. Erektionsprobleme hat Trump auch. Einmal wird ihm Bauchfett abgesaugt. Oder eine kahle Stelle am Hinterkopf will wegoperiert werden. In Nahaufnahme zieht ihm der Schönheitschirurg das Stück Kopfschwarte vom Schädel. Der sinnbildliche Dachschaden manifestiert sich.

Was hat man nun aber davon? Der Film, der im Laufe des Jahres weltweit in die Kinos kommt, ist sehr unterhaltsam, aber nicht weiter erhellend. Weil er die falsche Frage stellt. Er will wissen, wie Trump aufgestiegen ist. Aber das muss man nicht wissen. Entscheidend ist nicht, wie Trump zu Trump geworden ist. Sondern was Trump geworden ist. Was sehen seine Anhänger in ihm? Man muss die Wirkung von Populisten verstehen. Auf den Mann zu spielen, hilft diesen hingegen nur. So kann Ali Abbasi Trump nicht schlagen. Und selbst wenn. Regel Nummer drei des Donald Trump: Nie zugeben, dass man geschlagen ist. «No matter how beaten you are, never admit defeat.»

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