ABC streicht die beliebte Late-Night-Show «Jimmy Kimmel Live!» vorerst aus dem Programm. Offenbar hat die Trump-Regierung nach der Sendung vom Montag Druck aufgebaut. Was ist da los?
Der amerikanische Satiriker Jimmy Kimmel, 57, hat 22 Jahre lang seine Show «Jimmy Kimmel Live!» moderiert. Viermal die Woche stand er vor der Kamera, rund vierzig Minuten lang. Dabei hat sich Kimmel über so ziemlich alles und jeden lustig gemacht, manchmal oberhalb, ab und zu auch unterhalb der Gürtellinie. Nun scheint es, als würden ihm 61 Sekunden zum Verhängnis.
Der amerikanische Fernsehsender ABC hat «Jimmy Kimmel Live!» auf unbestimmte Zeit aus dem Programm gestrichen. Der Grund: die Sendung vom vergangenen Montag.
Behörden drohten mit der «harten Tour»
Darin thematisierte Kimmel die Ermordung von Charlie Kirk, dem Kopf der rechtskonservativen Bewegung Turning Point USA. Kimmel behauptete, dass der Attentäter selbst aus diesem Lager stamme, was umstritten ist. Danach spottete Kimmel über Donald Trump, spielte ein Video ein, auf dem der amerikanische Präsident gefragt wurde, wie es ihm angesichts des Attentats ginge. «Ich glaube, sehr gut», sagte Trump und begann vom Ballsaal zu prahlen, der gerade im Weissen Haus gebaut wird. Kimmels Pointe: «So trauert ein Vierjähriger um einen Goldfisch.»
Nach der Ausstrahlung der Folge übte Trumps Regierung Druck auf ABC aus. Brendan Carr, Chef der Rundfunkkommission (FCC) und Trump-Vertrauter, kritisierte Kimmel und klang dabei wie ein Sheriff im Wilden Westen. «Wir können das auf die leichte oder die harte Tour machen», sagte Carr. Die harte Tour: Ermittlungen seiner Behörde, allfällige Geldstrafen.
ABC entschied sich offenbar für die leichte Tour: «Jimmy Kimmel Live!» abzusetzen.
Es ist nicht die erste Late-Night-Show, die in Trumps zweiter Amtszeit abgesetzt wird. Im Juli kündigte CBS an, «The Late Show with Stephen Colbert» per Ende Mai 2026 einzustellen. Der Sender begründete den Entscheid mit finanziellen Überlegungen.
Beobachter deuteten Colberts Entlassung jedoch als Charmeoffensive der CBS-Muttergesellschaft Paramount. Diese ist wegen einer geplanten Fusion auf den Goodwill der Regierung angewiesen. Zudem war Paramount von Trump verklagt worden, weil CBS im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen zu einseitig berichtet haben soll.
Letterman als Wegbereiter
Late-Night-Shows sind Teil des Alltags für Millionen Amerikaner. Ein abendliches Training für Kopf und Bauchmuskeln, weil die Moderatoren die Aktualität in Watte beziehungsweise Witze verpacken und so für Ablenkung und auch Orientierung sorgen können.
Die Sendungen folgen meist einem ähnlichen Muster. Kimmel, Colbert, auch Jimmy Fallon oder Seth Meyers tragen meist Anzug, machen Stand-up-Comedy, Sketche und empfangen prominente Gäste.
Als Wegbereiter gilt David Letterman, der mit seinen Late-Night-Shows den Massstab setzte. Letterman war es auch, der den jungen Kimmel inspirierte. Weil Letterman seine Karriere im Radio startete, ging auch Kimmel zum Radio. Als sich Letterman pensionieren liess, schenkte er Kimmel eine Kartonschachtel mit alten Krawatten. Sie steht bis heute in Kimmels Büro.
In den neunziger Jahren trat Kimmel dann erstmals in Fernsehserien auf. Er machte sich bald einen Namen als Scherzbold mit Anzug und monotoner Stimme, als vornehme Frechheit mit derbem Humor.
Mit Trumps Wahl wurde Kimmel politischer
Auch als 2003 «Jimmy Kimmel Live!» auf Sendung ging, blödelte er herum. Mit dem Schauspieler Matt Damon unterhielt er eine Scheinfehde, die sich zum Running Gag entwickelte. Er zeigte Videos von Eltern, die ihren Kindern absichtlich hässliche Geschenke überreichten. Irgendwann kam Guillermo dazu, der im Produktionsstudio in Los Angeles als Sicherheitsbeamter arbeitete. Er wurde von Kimmel kurzerhand zum Sidekick befördert, der ungelenk Stars interviewte.
Und Stars gab es zu Genüge in Kimmels Show: die Schauspieler Brad Pitt oder Jennifer Lawrence, die Musiker Chris Martin oder Ariana Grande, die Sportgrössen LeBron James oder Serena Williams – sie alle sassen bei Kimmel, der selbst zum Superstar wurde. 2017, 2018, 2023 und 2024 moderierte er die Oscar-Verleihung in Los Angeles.
Neben diversen Hollywoodstars lud Kimmel auch viele demokratische Würdenträger ein, Präsidenten, Vizepräsidenten, Präsidentschaftskandidaten. In den vergangenen Jahren waren Hillary Clinton, Bernie Sanders, Barack Obama oder Joe Biden zu Gast in seiner Sendung.
Spätestens mit Trumps Wahl wurde die Sendung dann politischer, weniger klamaukig. Seither äussert sich Kimmel vermehrt zu gesellschaftskritischen Themen.
2017 etwa, als er in einer Sendung verkündete, sein neugeborener Sohn sei am Herzen operiert worden. Mit Tränen in den Augen machte er sich für Obamacare stark, die von Obama initiierte möglichst erschwingliche Gesundheitsversorgung. Im gleichen Jahr starben 58 Menschen bei einem Amoklauf in Las Vegas, wo Kimmel viele Jahre seines Lebens verbrachte. Zu Beginn der Sendung begann er zu weinen und forderte schärfere Waffengesetze. Ein traditionelles Anliegen der Demokraten.
In einem Interview mit dem «Rolling Stone»-Magazin im April ermahnte sich Kimmel noch selbst: «Ich muss mich daran erinnern, dass das keine Enthüllungssendung ist, sondern eine Comedy-Show.» Die ist er vorerst los.