Die amerikanische Sängerin und Komponistin hat einen weiten Weg von der Klassik bis zu ihrem Soul-Repertoire hinter sich. Am Konzert in Zürich präsentiert sie sich als bravouröse Live-Musikerin.
Wie zähmt man die Begeisterung? Wie bringt man Euphorie auf einen Begriff, wenn sie in alle Richtungen züngelt? In der Erinnerung stehen sich die guten Eindrücke noch gegenseitig im Weg. So denkt man etwa an den formidablen Gitarristen Will Graefe zurück, der sich als überaus wandlungsfähiger Instrumentalist in Szene setzte. Seine Bravour aber wurde auch durch den Schlagzeuger Jeremy Gustin ermöglicht, der ihn durch sein knappes, inspiriertes Trommeln gleichzeitig anfeuerte und fürsorglich unterstützte.
Vielleicht müsste man auch noch das Personal am Mischpult erwähnen, das für den transparenten Sound sorgte, und die Lichtregie oder die tüchtigen Barkeeper. Höchste Zeit aber, auf jene Sängerin zu sprechen zu kommen, die im Seidenglanz eines karmesinroten Kleides den Abend dominierte.
Irgendwann verabschiedete sich Joan as Police Woman von ihrem Piano und ihrer Gitarre, um sich ganz befreit vor dem Mikrofon aufzustellen. Und während sie jetzt von verzehrender Liebe sang, wiegte ihr Oberkörper samt ihrem langen, dunklen Zopf so selbstvergessen hin und her, dass die Künstlerin sich selbst in die Flamme zu verwandeln schien, die sie in ihrem Lied «Eternal Flame» besang.
«I wanna have you now, but I can’t be the lighter, I can’t be the lighter», mochte die Sängerin einem fernen Du sehnsüchtig und geradezu gierig mitteilen. In Bezug auf das Publikum aber hätte man sie korrigieren müssen: Doch, Joan as Police Woman, du bist das Feuerzeug, das im Saal ein Fieber entfacht.
Songs als Rezepte
Die amerikanische Musikerin Joan Wasser, die ihren Künstlernamen der Ähnlichkeit mit der Polizistin aus einer Siebziger-Jahre-TV-Serie verdankt, war ins Zürcher «Kaufleuten» gekommen, um ihr zwölftes Studioalbum «Lemons, Limes and Orchids» vorzustellen. Aber eine souveräne Musikerin wie sie würde ihre Songs nie bloss abspulen, als handelte es sich um Konserven. Sie versteht sie vielmehr als Rezepte, nach denen auf der Bühne stets neu gekocht werden soll.
«Lemons, Limes and Orchids» ist ein gelungenes Album, auf dem die Singer-Songwriterin einmal mehr den breiten Range ihrer Ausdrucksmittel unter Beweis stellt. So kontrastieren der klackernde Beat und der federnde Bass von «The Dream» mit dem elegischen Tonfall im Titelstück. Einige Stücke werden überdies von Geräuschkulissen oder hörspielartigen Intros eingeleitet. Dabei hat sie sich im Studio von einer Schar versierter Kolleginnen und Kollegen unterstützen lassen. Mit von der Partie war zum Beispiel die grossartige Songwriterin und Bassistin Meshell Ndegeocello.
Auf der Tournee aber verzichtet Joan as Police Woman jetzt ganz auf den Bass, auch einige synthetische Sounds fallen weg. Die knappe Besetzung mit Keyboards, die sie selber bedient, sowie mit Gitarre und Schlagzeug bietet dafür viel Raum für das spontane Zusammenspiel und für solistische Statements, die in dieser Band aber nie aufgesetzt und prätentiös wirken. Vielmehr wachsen sie organisch aus der dramaturgischen Logik heraus, die die Bandleaderin mit ihrem Gesang oder auf ihren Klaviaturen vorgibt.
Facettenreicher Sound
Ihre Kompositionen schillern dabei in stilistischen Facetten, als habe ein langer künstlerischer Prozess Einflüsse aus alten Zeiten in neuen Formen verschmelzen lassen. Tatsächlich hatte die 54-jährige Musikerin bereits einen weiten musikalischen Weg zurückgelegt, bevor sie vor zwanzig Jahren als Singer-Songwriterin ein eigenes Terrain zu kultivieren begann.
Ihre Karriere hatte mit einem Studium als klassische Geigerin begonnen. Später profilierte sich die Musikerin mit ihrer Violine in diversen Rock- und Pop-Projekten, an der Seite von Elton John und Lou Reed sowie bei Antony Hegarty, bei Rufus Wainwright und bei ihrem früh verstorbenen Lover Jeff Buckley. Aber der Weg von der Klassik zum Pop führte sie auch von blosser Begleitung vorwärts ins Rampenlicht, wo sie seither auf all ihre Erfahrungen und Talente zählen kann.
Exemplarisch zeigt sich das im Gesang. Joan as Police Woman ist weder eine Rockröhre noch eine Belcanto-Virtuosin. Ihre Stimme wirkt eher dünn und brüchig. Dennoch behauptet sie sich als expressive Sängerin, die sich in langen Melodielinien durch Register und Gefühle windet. Und wenn sie dabei die Stimmbänder im Sinne von Ausdruck und Dynamik mehr oder weniger presst, erinnert das an den Schmelz eines Geigenbogens, der in ausladendem Schwung über die Saiten streicht, die Nerven affiziert und Pathos erzeugt.
Raffinierter Eklektizismus
Während Joan as Police Woman früher die Musik anderer veredelte mit ihrer Geige, so setzt sie ihre Geigenstimme nun in den Mittelpunkt ihres eigenen Stils, den sie als «American Soul» bezeichnet, um die leidenschaftliche Ausrichtung ihrer Songs zu betonen. Allerdings sind Folk, Punk, Ambient und Elektro ebenso präsent. Der raffinierte Eklektizismus kennzeichnet Joan as Police Woman als Vertreterin der musikalischen Gegenwart, die von stilistischen Hybriden lebt.
Aber einerseits gibt sich die Amerikanerin nie mit blossem Mischen oder Schichten zufrieden, vielmehr versucht sie, die verschiedenen Stränge sanft zu verstreben. Andrerseits basiert die Aktualität ihrer Klangkunst nicht auf jenen Innovationen, die eine Dekade oder eine Musiker-Generation prägen können, bevor sie als Klischee wieder abgetan werden. Das Repertoire von Joan as Police Woman ist tief verwurzelt in Traditionen. Das Feuer brennt hier auf altem Holz. Und das Konzert bietet nicht Zeugenschaft eines huschenden Zeitgeists, vielmehr nimmt es sich aus wie einer langen Reise Ankunft in einer von Leben und Erfahrung prallen Gegenwart.