Nach der Fernsehdebatte gibt es einen klaren Gewinner: Donald Trump. Wie ist es möglich, dass man einem Mann, der die Fakten verdreht, das höchste Amt der Welt eher zutraut als einem, zugegeben, sehr alten Mann?

Nach dem TV-Duell zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen machten sich die Medien mit grossem Eifer daran, die Aussagen von Donald Trump einem Faktencheck zu unterziehen. Das ist gratis zu haben, denn man ahnt, was dabei herauskommt.

Das Defizit der USA sei noch nie so gross gewesen wie heute, sagte Trump. Falsch. Die letzte Wahl «gestohlen». Falsch. Joe Biden hätte «Millionen von Menschen aus Gefängnissen und Irrenanstalten hierherkommen lassen». Falsch.

Aber die Unverschämtheit unterhält, es belustigt, vielleicht empört sie ein wenig. Klar ist: Der überführte Trump wird deswegen nicht für unwählbar gehalten. Man hat sich damit abgefunden, dass der neue alte Präsident der USA ein Mann sein könnte, für den die Wahrheit elastisch ist. Trump geht aus der TV-Debatte mit Joe Biden als klarer Gewinner hervor.

Das zeigen die Kommentare von Medien und Analysten. Selbst jene, die den Demokraten nahestehen wie die «New York Times» oder CNN, räumen sein besseres Abschneiden ein. Das bestätigen auch die Umfragewerte. Eine deutliche Mehrheit der Befragten fand, Trump hätte den gemeinsamen Auftritt souveräner gemeistert. Hielten vor der Debatte 37 Prozent Biden für kompetenter, waren es danach noch 31 Prozent. Trump steigerte seine Werte.

Die Leute wünschen sich lieber den Hochstapler als den alten Mann, wie ihn Joe Biden verkörpert. Man zieht einen lügenhaften Präsidenten einem Präsidenten vor, der sich verhaspelt und sich in seinen Sätzen verläuft und verliert. Der einen Zahlensalat anrichtet und schon nach zehn Minuten Millionäre mit Milliardären verwechselt.

Sinnbild der Abwesenheit

Biden bestätigte beim Auftritt Donnerstagnacht den Eindruck, er sei geistig nicht mehr fit. Abwesend. Dass er Trump oft mit halbgeöffnetem Mund anschaute, machte es nicht besser. Er drückte damit nicht etwa seine Fassungslosigkeit über den Kontrahenten aus. Sondern er schien vergessen zu haben, den Mund zu schliessen.

Dennoch stellt sich die Frage, weshalb selbst linke Wähler und Medien Trumps Performance als stärker einstuften. Warum ist ein Lügner überzeugender als ein Seniler?

Die «New York Times»-Kolumnistin Maureen Dowd hat schon vor Wochen geschrieben, Biden sei der Elefant im Raum («nur dass Elefanten nie vergessen»). Die Demokraten wagten es nicht, über Bidens Gesundheitszustand zu reden, so Dowd. Beim TV-Duell war der Elefant mit all den Kameras, die auf ihn gerichtet waren, nicht mehr zu übersehen.

Da war keine Jill Biden, die ihren Mann im richtigen Moment an der Hand nimmt oder ihm ein Stichwort zuflüstert. Ein Millionenpublikum sah zu, wie sich die Spuren des körperlichen und geistigen Zerfalls langsam auf einen Menschen auswirken. So hart es klingt: Der Mann, der das wichtigste Amt der Welt besetzt, ist auf dem Weg, die Kontrolle über sein Leben zu verlieren.

Der Hochstapler hat es im Griff

Donald Trump hingegen, der die Wahrheit nach seinem Gutdünken zurechtbiegt, hat die volle Kontrolle. Zumindest tut er so. Er tritt selbstbewusst auf, da gibt es keine Anzeichen von Unsicherheit und geistigem Straucheln. Er gestaltet die Wirklichkeit, wie es ihm passt. Einem Mann, der so bestimmt vorangeht, folgt man notfalls auch widerstrebend.

Verstrickt sich Trump in Widersprüche, vermutet man, dass immer auch Kalkül dahintersteht. Manipulative Züge setzen Schlauheit voraus. Vielleicht glaubt Trump selber, was er sagt. Wäre er sich hingegen des Hochstapelns bewusst – umso besser. So kann man zumindest hoffen, dass Trump die Wahrheit kennt und zur Vernunft zu bringen wäre.

Verheddert sich Joe Biden in seinen Aussagen, steht keine Absicht dahinter. Es passiert unfreiwillig, und das ist seine Tragik. Ein Mann mit so viel Macht, der nicht mehr im Besitz seiner geistigen Kräfte ist, lässt uns mehr fürchten als der Mächtige, der aus seiner eigenen Grossartigkeit Kraft zieht. Der Lügner steht im Leben. Der Senile verschwindet daraus. Wie will so jemand ein Land regieren?

Exit mobile version