US Steel und die abgewiesene Käuferin, Nippon Steel, nehmen nebst dem scheidenden Präsidenten auch die Stahlarbeitergewerkschaft und einen Konkurrenten, die den Verkauf torpedierten, ins Visier.
Der Kampf um die Zukunft der US-Stahlindustrie wird vor Gericht entschieden. Am Freitag erst hat US-Präsident Joe Biden sein Veto gegen die Übernahme von US Steel durch den japanischen Konkurrenten Nippon Steel eingelegt; am Montag gaben die Unternehmen bekannt, gegen diesen Entscheid zu klagen.
Japan als Sicherheitsrisiko
Nippon Steel hatte im Dezember 2023 bekanntgegeben, den Konkurrenten US Steel für 14,1 Milliarden Dollar kaufen zu wollen; der Kaufpreis bot Aktionären von US Steel eine Prämie von 40 Prozent über dem letzten Aktienkurs. Die Japaner versprachen auch, viel Geld in die Erneuerung der alternden Stahlfabriken in den USA zu investieren.
Joe Biden aber war dem Verkauf fast von Beginn weg kritisch gegenüberstanden. Nun begründet er sein Veto mit Sicherheitsinteressen: Ein Grossteil der amerikanischen Stahlproduktion müsse in amerikanischen Händen bleiben. Biden verknüpft den Entscheid mit seiner bisherigen aktivistischen Industriepolitik. Er beklagt, dass US-Stahlkonzerne schon zu lange unter unfairen Handelspraktiken gelitten hätten. Die Praxis von (ausländischen) Konkurrenten, Stahl zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt zu werfen, habe in den USA zu Fabrikschliessungen und Jobverlusten geführt.
Am Montag klagten Nippon Steel und US Steel – dessen Aktionäre dem Verkauf zugestimmt hatten – gegen Bidens Veto. Es handle sich dabei um eine unbotmässige politische Einflussnahme, um Bidens persönliche politische Agenda voranzubringen. Die Konzerne führen aus, dass sie mehrfach Vorschläge eingereicht hätten, welche die erwähnten Sicherheitsbedenken ausräumen sollten. Doch das Komitee für Auslandinvestitionen in den USA, das die Transaktion mit Blick auf die nationale Sicherheit überprüfte, soll sich gar nie richtig mit diesen Argumenten auseinandergesetzt haben.
Die Erfolgsaussichten der Klage sind schwierig einzuschätzen. Der amerikanische Präsident hat viel Spielraum bei der Frage, was mit «nationaler Sicherheit» genau gemeint ist und wann sie bedroht sein könnte. Es gab bisher kaum erfolgreiche Versuche, ein präsidiales Veto auf dem Gerichtsweg zu annullieren.
Ein verschmähter Konkurrent mischt mit
Weiter klagten die heiratswilligen Stahlkonzerne ihren Konkurrenten Cleveland-Cliffs an, dessen CEO Lourenco Goncalves sowie David McCall, den Boss der Stahlarbeitergewerkschaft. Sie hätten sich illegalerweise zusammengetan, um die Transaktion zum Scheitern zu bringen. US Steel und Nippon Steel teilen kräftig aus: Sie sprechen in ihrer Mitteilung von Erpressung und einer monopolistischen Verschwörung.
Die betreffende Gewerkschaft, die United Steelworkers, hatte den Verkauf an Nippon Steel von Beginn weg kritisiert. Die Gewerkschafter störten sich unter anderem daran, dass sie zu spät über die Verkaufsabsichten informiert worden seien. Der Gewerkschaftsboss McCall hatte sich für einen Zusammenschluss mit Cleveland-Cliffs starkgemacht. Der US-Konkurrent hatte wenige Monate vor Nippon Steel ein Kaufangebot für US Steel eingereicht, das aber auf keine Zustimmung gestossen war.
Die Zukunft würde sich für ein unabhängiges US Steel schwierig gestalten. Der Firmenchef David Burritt mahnte, dass man womöglich Fabriken schliessen und den Konzernsitz von Pittsburgh weg verlegen müsse, falls die Übernahme durch Nippon Steel scheitere.
Protektionismus kommt gut an
Der Name US Steel erinnert die Amerikaner an eine vermeintlich gute alte Zeit, als die Vorväter das Land mit Bahnschienen und Brücken erschlossen, Fabriken und Hochhäuser aus dem Boden stampften und überall gutbezahlte Industriejobs winkten.
Die Realität heute sieht anders aus: Das Unternehmen ist im internationalen Vergleich zurückgefallen, nicht nur gegenüber der stark subventionierten chinesischen Konkurrenz. Auch innerhalb der USA hat US Steel an Boden verloren. Konkurrenten wie Nucor haben frühzeitig in effizientere Produktionsverfahren investiert, die auch klimafreundlicher sind. US Steel fehlt derweil das Geld, um seine Fabriken im Grossraum Pittsburgh zu modernisieren.
Die ganze US-Stahlbranche blickt zudem auf ein schwieriges Jahr 2024 zurück. Die Aktien von US Steel, Cleveland-Cliffs oder Nucor gaben im Jahresverlauf nach, obwohl die amerikanische Börse insgesamt einen Aufschwung verzeichnete. Der Stahlpreis ging zurück, weil sich viele Industrien, die den Rohstoff kaufen, ihrerseits in Schwierigkeiten befinden; allen voran die Autobranche.
In der amerikanischen Politik wird Bidens harter Kurs gegenüber Nippon Steel von vielen unterstützt. Auch sein Nachfolger, Donald Trump, hat den Verkauf von US Steel von Beginn weg kritisiert. Am Montag schrieb er auf Truth Social, seiner eigenen Nachrichtenplattform, dass seine Zölle US Steel zu einem viel wertvolleren und profitableren Unternehmen machen würden; und dass ein Verkauf unnötig sei.
In Joe Bidens Regierung sollen die Meinungen jedoch geteilt gewesen sein. Aussenminister Antony Blinken und Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan sollen argumentiert haben, dass Bidens Veto einen wichtigen asiatischen Verbündeten vor den Kopf stosse. Der Präsident, der den Gewerkschaften nahesteht, gab den innenpolitischen Bedenken aber mehr Gewicht.