Donnerstag, Oktober 10

Mehr als hundert Jahre nach dem Untergang der «Titanic» bezahlen Sammler immer noch Millionen für Devotionalien. Jüngst wurde ein Rekordpreis erzielt.

Die Taschenuhr mit der Gravur «JJA» war im Besitz von John Jacob Astor, einem amerikanischen Unternehmer, der als der reichste Passagier auf der Titanic galt.

Es ist ein teures Andenken an ein kleines Stück Zeitgeschichte: In der britischen Grafschaft Wiltshire ist am vergangenen Samstag die Taschenuhr eines Passagiers der «Titanic» versteigert worden. Einem Privatsammler aus den USA war die goldene Uhr 1,4 Millionen Euro wert, wie das Auktionshaus Henry Aldridge & Son mitteilte. Der Preis übertrifft den bisherigen Höchstbetrag, der für einen Gegenstand aus dem gesunkenen Kreuzfahrtschiff bezahlt wurde.

Der bisherige Rekordpreis wurde für eine Geige bezahlt, auf der während des Untergangs der «Titanic» gespielt wurde. Das Instrument wurde 2013 im selben Auktionshaus für 1,2 Millionen Euro versteigert.

Ein reicher Lebemann

Dass nun eine 14-karätige Goldtaschenuhr einen höheren Betrag als das Instrument erzielte, liegt an ihrem einstigen Besitzer. Die Uhr gehörte John Jacob Astor IV. Er sei bekannt als der reichste Passagier an Bord der «Titanic», heisst es auf der Website des Auktionshauses.

Astor war Lebemann, Geschäftsmann, Immobilienhändler und Mitbegründer des Luxushotels Waldorf-Astoria. Laut Henry Aldridge & Son hatte er ein Vermögen von 87 Millionen Dollar – was heute mehreren Milliarden Dollar entsprechen würde. Damit habe Astor zum Zeitpunkt des Untergangs als einer der reichsten Menschen der Welt gegolten. Die «New York Times» schrieb einst in einem Nachruf: «Colonel Astor hat mehr Hotels und Wolkenkratzer gebaut und besessen als jeder andere New Yorker.»

Als die «Titanic» am 14. April 1912 einen Eisberg touchierte und kurze Zeit später sank, wollte Astor zusammen mit seiner schwangeren Frau Madeleine von der «Titanic» flüchten. Der zuständige Offizier duldete jedoch keine Männer auf den Rettungsbooten, und Astor musste an Bord bleiben. «Die See ist ruhig, mir wird nichts geschehen. Ich bin in guten Händen, wir sehen uns morgen früh», sollen laut seiner Frau die letzten Worte gewesen sein, die er zu ihr gesagt hat.

Als das Schiff zu sinken begann, wurde Astor beim Rauchen einer Zigarette gesehen. Es wird davon ausgegangen, dass er, wie viele andere Passagiere, erschlagen wurde, als der vorderste Schornstein des Schiffes abbrach. Zehn Tage nach dem Untergang der «Titanic» wurde sein Leichnam samt goldener Taschenuhr mit der Gravur «JJA» aus dem Wasser geborgen.

Filmrequisiten, Speisekarte und Fotoaufnahme

Die Auktion von Astors Taschenuhr zeigt ein weiteres Mal: Mit der «Titanic» lässt sich auch mehr als hundert Jahre nach ihrem Untergang Geld verdienen. Neben der Uhr versteigerte das britische Auktionshaus Henry Aldridge & Son am vergangenen Wochenende ein Schwarz-Weiss-Foto. Dieses ist für 20 000 Euro verkauft worden. Die Aufnahme wurde laut Auktionshaus von einem Mitglied des Leichenbergungsschiffs «Mackay-Bennett» aufgenommen und zeigt einen Eisberg. Ob es sich um den Eisberg handelt, den die «Titanic» rammte, ist nicht bekannt.

Als «absolut unglaublich» bezeichnete der Auktionator Andrew Aldridge die Preise, die in den vergangenen Jahren für «Titanic»-Andenken bezahlt wurden. Die Preise würden sowohl die Bedeutung der historischen Gegenstände als auch die Faszination, die von der «Titanic» ausgehe, spiegeln.

Das Auktionshaus veranstaltet seit den späten 1990er Jahren alle zwei Jahre eine Versteigerung von «Titanic»-Gegenständen. Im vergangenen Jahr wurde eine Speisekarte aus dem Restaurant für 97 000 Euro auktioniert. Und ein amerikanisches Auktionshaus versteigerte im März Requisiten vom Set des Films «Titanic» aus dem Jahr 1997. Mehr als 700 000 Dollar wurde für die Holztür bezahlt, auf der die Hauptfigur Rose ihre Rettung fand.

Die Bieter hätten verschiedene Beweggründe für den Kauf eines Stückes, sagte Aldridge. Einige würden einfach «Titanic»-Erinnerungen sammeln. Andere beschäftigten sich mit konkreten Dingen, mit bestimmten Passagieren oder bestimmten Klassen. Mit Personen, die aus bestimmten Gegenden kämen. «Wir haben Bieter, die nur Gegenstände von skandinavischen Passagieren sammeln.» Die «Titanic» sei nicht nur die Geschichte eines Schiffes, das mit einem Eisberg kollidierte. Sie erzähle auch die Geschichten der 2200 Passagiere.

«Die Faszination wird niemals enden»

Die «Titanic» fesselt neben Sammlern auch Forscher und Abenteurer. Seit 111 Jahren versuchen Menschen, das Rätsel um das Schiffsunglück zu lösen. Sie veranstalten Touren zum Wrack der «Titanic», das 650 Kilometer südlich vor der Küste Neufundlands in rund vier Kilometern Tiefe liegt. Touristen geben für die Reise viel Geld aus. Vergangenes Jahr starben fünf Personen, als ein Tauchboot der Firma Ocean Gate auf dem Weg zur «Titanic» implodierte.

Bis heute ist nicht geklärt, warum die «Titanic» in der Nacht auf den 15. April 1912 mit dem Eisberg kollidierte. Von den 2200 Passagieren kamen 1500 ums Leben. Die «Titanic» sei neben der Arche Noah das wohl berühmteste Schiff der Weltgeschichte, sagte Charles Haas, der Präsident der Titanic International Society, der «New York Times». Er ist sich sicher, dass die Faszination für die «Titanic» niemals enden wird. «Das Schicksal der ‹Titanic› hat so viel Dramatik in sich, dass auch die jüngeren Generationen immer noch davon fasziniert sein werden.»

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