Mittwoch, Oktober 30

Das Zuger Kantonsgericht entscheidet, wie viel Gewinn Ringier mit Berichten über die Zuger Landammannfeier gemacht hat. Das Urteil ist wegweisend für die Schweizer Medien.

Seit bald zehn Jahren beschäftigt die Zuger Landammannfeier 2014 die Öffentlichkeit und die Gerichte. Heute Mittwoch findet vor dem Zuger Kantonsgericht ein weiterer Prozess statt. Das Urteil könnte für die Schweizer Medien weitreichende Folgen haben.

Es dürfte nämlich das erste Mal sein, dass ein Gericht in der Schweiz über die Höhe einer Entschädigung für einen rechtswidrig veröffentlichten Artikel entscheidet. Konkret geht es um vier Berichte, die der «Blick» nach der Zuger Landammannfeier über Jolanda Spiess-Hegglin veröffentlicht hat.

Das Kantonsgericht muss festlegen, wie hoch die Entschädigung ist, die das Medienhaus Ringier der ehemaligen Zuger Grünen-Kantonsrätin zahlen muss. Je nach Höhe der vom Gericht zugesprochenen Summe könnten Persönlichkeitsverletzungen für Verlage in Zukunft teure Folgen haben.

Es geht um viel Geld

Gegenstand des Verfahrens sind vier Artikel, die zwischen dem 24. Dezember 2014 und dem 24. September 2015 online und gedruckt im «Blick» erschienen sind. Sie tragen die Titel «Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‹MS Rigi›», «Jolanda ‹Heggli› zeigt ihr ‹Weggli›», «Neue Fakten in Zuger Sex-Affäre aufgetaucht: DNA-Probe belegt ‹Kontakt im Intimbereich›» und «Ich öffnete die Türe und sah Kleider am Boden».

Die Höhe der Forderung wird Spiess-Hegglin erst im Verlauf des Prozesses auf den Tisch legen. Es ist davon auszugehen, dass es sich um einen mindestens sechsstelligen Betrag handeln wird. Ebenso wird Ringier seine Argumente darlegen, weshalb der Gewinn aus den 2018 gelöschten Artikeln geringer ausgefallen ist und die Entschädigung dementsprechend tiefer sein soll. Beide Anträge werden mit Spannung erwartet.

Der heutige Prozess ist der vorläufig letzte in einer ganzen Kaskade von gerichtlichen Auseinandersetzungen, die sich Spiess-Hegglin und Ringier seit mehreren Jahren liefern. Bisher hatte die ehemalige Zuger Grünen-Kantonsrätin stets die Oberhand behalten. Sowohl das Zuger Kantonsgericht als auch das Obergericht kamen zum Schluss, dass die Nennung ihres Namens und die Veröffentlichung von Fotos in einem Artikel im Jahr 2014 eine schwere Persönlichkeitsverletzung darstellten, die durch nichts zu rechtfertigen sei.

In einer zweiten Prozessrunde wählten Spiess-Hegglin und ihre Anwältin 5 von über 160 Artikeln aus, die Ringier im Nachgang zur Landammannfeier publiziert hatte. Das Medienhaus sollte der Netzaktivistin den Gewinn aus diesen Schlagzeilen und Berichten herausgeben. Das Kantonsgericht entschied schliesslich, dass das Medienhaus Ringier dies in vier Fällen tun müsse.

Um die Höhe der Entschädigung festlegen zu können, wurde der Ringier-Verlag gerichtlich verpflichtet, umfangreiche Daten herauszugeben. Dazu gehören alle Seitenaufrufe der Online-Artikel, alle Unique Clients (Anzahl Geräte wie PC, Tablet, Smartphone), die auf «Blick» online zugegriffen haben, sowie der Durchschnittswert der Ad-Impressions, also der ausgelieferten Werbeeinblendungen pro angeklickten Artikel. Hinzu kommen die Kioskverkäufe und die Print-Abonnemente.

Experten haben Gewinn berechnet

Die Frage nach der Höhe des erzielten Gewinns hat nach Recherchen der NZZ im Vorfeld des heutigen Prozesses zu einer Gutachterschlacht geführt. Jolanda Spiess-Hegglin beauftragte Hansi Voigt, ehemaliger Chefredaktor von «20 Minuten» und «Watson», Bea Knecht, Gründerin des Online-Streaming-Dienstes Zattoo, sowie Ralf Baumann, ehemaliger Vizepräsident von T-Online, mit der Erstellung eines Berechnungsmodells.

Ringier hat seinerseits ein Gutachten bei der Beratungsfirma Price Waterhouse Coopers in Auftrag gegeben. Als externer Experte wurde von dieser Prozesspartei Sven Ruoss beigezogen. Er war unter anderem Chief Product Officer und Mitglied der Geschäftsleitung von «20 Minuten». Man darf gespannt sein, welcher Argumentationslinie das Gericht letztlich folgen wird.

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