Mittwoch, Januar 15

In den USA kämpfen erneut zwei alte Männer um das Präsidentenamt. Der eine lügt notorisch, der andere hat Gedächtnislücken – beste Voraussetzungen für den bekanntesten Politsatiriker der USA. Wird es also doch noch lustig mit den Alten?

Es war klar, worüber sich Jon Stewart in seiner zweiten Folge der Satiresendung «The Daily Show» hermachen würde. Das Gespräch des ehemaligen Fox-News-Moderators Tucker Carlson mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war eine Steilvorlage, weil es in seiner Absurdität selber als Satire durchgehen konnte.

Carlson, Multiplikator republikanischer Botschaften vom rechten Rand, kam kaum zum Fragenstellen. Der Putin-Bewunderer nennt das Gespräch dennoch ein journalistisches Interview. In Wahrheit war es, ja, was genau? Jon Stewart ist bekannt dafür, Namen für Dinge zu finden, die schwer zu benennen sind. Seit dem 12. Februar ist er nach neunjähriger Abwesenheit wieder auf Comedy Central auf Sendung und moderiert einmal die Woche «The Daily Show». Von 1999 bis 2015 tat er dies wöchentlich viermal. In dieser Zeit sorgte er dafür, dass eine Politsatire-Sendung ungewohnt grosses Gewicht bekam in der amerikanischen Gesellschaft und Politik.

Der gebürtige New Yorker, langjährige Stand-up-Comedian und Schauspieler, machte dabei nie ein Geheimnis daraus, wo er politisch steht: links der Mitte. Er begleitete in diesen Jahren den Aufstieg der «neuen» amerikanischen Rechten, die vor Donald Trump die Tea Party verkörperte. Er parodierte George W. Bush und seinen auf Falschinformationen basierenden Einmarsch in den Irak. Und obwohl links, schoss er nie nur auf die Republikaner.

Auch die Demokraten waren immer Gegenstand seiner fast schon chirurgischen Dekonstruktionen der vorgegebenen Realität. Er rückte in der Late-Night-Show mit dem Mittel der Satire zurecht, was es für ihn zurechtzurücken gab. Das katapultierte ihn in den nuller Jahren mehrmals in die oberen Ränge in den Ranglisten für Nachrichtensprecher, denen die Amerikaner am meisten vertrauten.

Der Narr, der niemandem verpflichtet ist

Auch das war natürlich ein Treppenwitz, über den sich Stewart lustig machte. Aber es zeigte in diesen Jahren eine Tendenz, die sich seither noch verschärft hat: Medien sind in den USA Teil der gesellschaftlichen Polarisierung. Sie tun sich in diesem gehässigen Klima schwer damit, eine eigenständige und kritische Position einzunehmen. Viele wittern Erfolg darin, sich auf ein politisches Spektrum zu fokussieren.

Der Fernsehsender Fox News, 1996 lanciert, macht das ausgeprägt für ein nationalkonservatives Publikum. Der «New York Times» wird auf der anderen Seite vorgeworfen, den «woken» Kurs der Demokraten unkritisch mitzutragen. Einer wie Stewart ist hier der Narr, der niemandem verpflichtet ist. Er deckt die «spins» der Parteien und der Medienberichterstattung schonungslos auf. Das Einzige, was er liefern muss, sind Lacher. Das machte er zeitweise so zuverlässig, dass er dank den guten Einschaltquoten jährlich angeblich bis zu 30 Millionen Dollar verdiente.

Tucker Carlsons Gespräch mit dem russischen Autokraten sezierte Stewart am vergangenen Montag genüsslich. Den Besuch nannte er eine «journalistische Masterclass» für Höflinge – eine Lehrstunde also, wie man sich der Macht unterwirft.

Jon Stewart on Tucker Carlson’s Putin Interview & Trip to Russia | The Daily Show

Putins Geschichtsmonolog

Als Putin sinngemäss die Polen dafür verantwortlich machte, dass Deutschland das Nachbarland überfiel, rutschte ein «of course» aus Carlsons Mund, der sichtlich nicht wusste, wie er den Geschichtsmonolog des Autokraten stoppen sollte. Diesen begann Putin mit dem frühen Mittelalter. Er schwurbelte sich dann durch die Jahrhunderte, bis Carlson irritiert nachfragte, wo auf der Zeitachse sich der Russe nun befinde.

Stewart entlarvte nicht nur Carlson in seiner Unbeholfenheit, sondern demaskierte regelrecht die Versuchsanlage: Von dieser bleibt, dass ein Amerikaner in peinlicher Weise Putin eine Plattform bot, damit dieser sein verdrehtes Geschichtsverständnis einem weltweiten Publikum präsentieren konnte. Das Lachen darüber ist befreiend.

Amerika, seine Politik und seine Medienlandschaft sind jede Woche für neue Überraschungen gut – gerade in einer Zeit, wo die Nation mit einem 81-Jährigen mit Gedächtnisschwund und einem 77-jährigen notorischen Lügner als Präsidentschaftskandidaten ein Wahljahr durchlebt. Die «acht oder neun» Prozesse, die der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump am Hals hat (und selber angeblich nicht genau weiss, wie viele es sind), ein FBI-Informant, der als Lügner entlarvt wird, Politiker, die in ihrer Ukraine-Politik Trumps Befehlsempfänger werden: Das sind einige Beispiele der letzten Tage.

Wohin mit alldem? «The Daily Show», sagt Stewart, sei für ihn eine Katharsis. Indem er die Absurditäten benennt, befreit er sich von inneren Spannungen. Offenbar wurde in den letzten Jahren seine innere Spannung so gross, dass er wieder die grosse Bühne braucht, um sie loszuwerden. Die letzten beiden Jahre war er auf Apple TV+ zu sehen. Doch dort durfte er sich angeblich nicht kritisch über China äussern. Also ist er zurück und sorgt dafür, dass seinen Zuschauern dieselbe Katharsis-Therapie zuteilwird.

Er kämpfte für 9/11-Rettungskräfte

Als Stewart 2015 seinen Rücktritt ankündigte, ging ein Jaulen durch Amerika: Ausgerechnet jetzt, da Trump Präsident werden wollte, nahm der Chef-Comedian den Hut? Stewart begründete es damit, dass er auch wieder einmal etwas anderes machen und ab und zu seine Kinder sehen möchte. Wegen der Einschaltquoten hätte er nicht gehen müssen. Die Sendung war nach wie vor beliebt, räumte jährlich Preise ab und war ein Garant für scharfzüngigen und nicht weniger lustigen Nachwuchs. Doch macht Erfolg vielleicht auch satt: Während «The Daily Show» in ihrer Anfangszeit kaum an interessante Gäste herankam, sass irgendwann die ganze Classe politique an Stewarts TV-Pult.

Stewarts Nachfolger, der Südafrikaner Trevor Noah, machte in alter Manier weiter. Er war auch nicht schlecht, aber halt nicht Stewart. Dieser widmete sich unterdessen einem mittelmässig erfolgreichen Film über einen iranischen Journalisten, der unter anderem auch deshalb von den Revolutionswächtern festgenommen wurde, weil er in der «Daily Show» auftrat. Und er mischte sich in die Politik ein. Seinem unermüdlichen Engagement ist es unter anderem zu verdanken, dass die Einsatzkräfte mit Spätfolgen nach dem 9/11-Attentat nicht mehr auf den teuren Arztrechnungen sitzenbleiben.

Der Wahlkampf der «Greise»

Jetzt steigt der 61-Jährige wieder in die Arena: Als inzwischen angegrauter Mann sei er eine Idealbesetzung, meint er dazu. Zwar immer noch eine knappe Generation jünger als Joe Biden und Donald Trump, aber hey, wer sonst könne sich mit den Alten anlegen, wenn nicht er, spottete Stewart. Die Illusion, dass er das Rennen um die Präsidentschaft beeinflussen könnte, hat Stewart trotz Millionenpublikum schon längst aufgegeben. Schliesslich sei es, wie er sagt, in der Politik kaum einmal so gekommen, wie er es sich gewünscht habe. Aber mit ihm könnte der Wahlkampf der «Greise» in seiner ganzen Tragik wenigstens lustig werden.

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