Montag, November 25

Liebesfilme wie «Alfie» und «Closer» haben Jude Law gross gemacht. Nun sind seine Zeiten als Softie vorbei. Mit dem Rechtsextremismus-Thriller «The Order» eröffnet Law das Zurich Film Festival. Ein Porträt.

Gegen Ende des Films «Closer» (2004) gibt es eine Szene mit Jude Law als begossenem Pudel. Vom Regen durchnässt, steht er in einer Arztpraxis und schnieft. Dan Woolf, so heisst der Mann, hat ein gebrochenes Herz. Ursache des Liebeskummers ist Anna, gespielt von Julia Roberts. Und der Dermatologe, in dessen Praxis er gerade gestürmt ist, ist sein Nebenbuhler. «Ich will Anna zurück», schluchzt er. «Ich liebe sie!» Den Dermatologen juckt das nicht. «Boo-hoo», macht er höhnisch: «Ich liebe sie auch.» Pech gehabt.

Gespielt wird der Rivale herrlich hinterfotzig von Clive Owen. Die zwei Stars exerzieren das ganze Spektrum von Gefühlswallungen kongenial durch, der eine verhält sich räudig, der andere reuig.

Clive Owen teilt vor allem aus, Jude Law lamentiert. Er hat den passiveren Part, er muss einstecken. Aber er ist auch selber schuld, denn es gibt neben Julia Roberts noch eine weitere, von Natalie Portman verkörperte Attraktion, der er nicht widerstehen kann.

Der Mann ist festgenagelt in einer Beziehungskiste, bildschön leidend: Jude Law kann das spielen, wie wenige andere. Als «überragender romantischer Held» wird dieser Dan Woolf verlacht. Law weiss, wie das ist. Das Etikett des Herzschmerz-Darstellers haftet ihm nicht nur wegen dieser Rolle an.

Der Playboy par excellence

«Closer» ist ein Klassiker des Genres. Ein anderer grosser Liebesfilm – auch von 2004 und ebenfalls mit Jude Law – ist «Alfie», das Remake der Michael-Caine-Komödie (1966). Law spielt den titelgebenden charmierenden Chauffeur in New York, der die Frauen nach Belieben abschleppt. Ein Playboy par excellence.

Dargestellt von Marisa Tomei, Sienna Miller oder Susan Sarandon, erliegen ihm die Ladys eine nach der anderen. Doch am Ende ergeht es Alfie wie Dan Woolf. Er muss feststellen, dass er Mist gebaut hat. Promiskuität kann nach hinten losgehen.

Denn als er echte Gefühle für eine der Affären entwickelt, gibt ihm ausgerechnet diese den Schuh. Mit der Partnerin seines besten Freundes hat er ausserdem versehentlich ein Kind gezeugt. Und wie er sich schliesslich auf eine 25 Jahre ältere Frau festlegt, wird er von dieser betrogen. Sie hat einen noch Jüngeren.

Für den «closing shot» des Films schaut Jude Law in die Kamera und sinniert über sein Single-Dasein. «Ich habe meinen inneren Frieden nicht. Und wenn man den nicht hat, hat man gar nichts.» Den Playboy plagt die Leere.

Man muss den Film nicht kennen, um den Mann vor sich zu sehen: das perfekt geschnittene Gesicht mit dem Kinngrübchen und den Geheimratsecken, die das Babyface bemerkenswert nachdenklich und interessant machen. Es ist nachts, melancholisch steht er am East River, die Kamera schwenkt weg auf die Brooklyn Bridge. Dann der Abspann.

Immer kameratauglich

Das ist Jude Law: schön-traurig. So einer stiehlt die Herzen. «Alfie» und «Closer» haben das Bild von Jude Law als Softie geprägt. Der Brite wurde zum Frauenschwarm. Als ihn die Zeitschrift «Vanity Fair» damals traf, war die Journalistin völlig hingerissen. Sie feierte Laws Auftreten, seinen London-Chic, den sie als «Savile-Row-Eleganz mit einem Hauch von Bohème» beschrieb. Er scheine «jederzeit kameratauglich», staunte sie, und weiter: «Law hat so wenig Eitelkeit, dass man fast vergisst, dass er schockierend gut aussieht – bis er lächelt, und dann ist es um einen geschehen, game over.»

Nun ist ein so makelloses Auftreten für einen Schauspieler aber auch ein Kreuz. Jude Law war sich dessen stets bewusst. Fünf Jahre vor «Closer» und «Alfie» war ihm die Rolle des Dickie Greenleaf in «The Talented Mr. Ripley» angeboten worden. Intuitiv wollte er nichts davon wissen. In «irrer Arroganz», so sagte er später, habe er das Angebot abgelehnt.

Obwohl er damals noch kaum im romantischen Fach tätig gewesen war, fürchtete er bereits, auf den Part als «pretty boy» abonniert zu werden. Aber weil der Regisseur kein anderer war als Anthony Minghella («The English Patient»), gab er sich dann doch einen Ruck. Er liess sich zu der Rolle in «The Talented Mr. Ripley» überreden. Und war danach sogar Oscar-nominiert.

Eine Theorie: Es gibt Schauspieler, die von Natur aus exzentrisch und exzessiv sind und den Beruf brauchen, um ihre Energien zu kanalisieren. Und es gibt die andern, die sich abseits von Bühne und Kamera kaum in Szene setzen. Die Unaufgeregten, die es aber umso mehr geniessen, sich in ihren Rollen gehen zu lassen. Jude Law ist klar Kategorie zwei.

Die erste Nacktszene

Geboren am 29. Dezember 1972, wuchs er in einem grossen viktorianischen Haus im Südosten Londons auf. Die Eltern, beide Lehrer, nehmen ihn und seine 18 Monate ältere Schwester immer ins Theater mit, das färbt ab auf das Kind. Jude geht seinen Weg über Jugendtheatergruppen. Mit 17 Jahren bricht er die Schule ab, um bei einer britischen Seifenoper mitzuwirken. Er setzt alles aufs Schauspiel.

Mit Anfang 20 erregt er die Aufmerksamkeit des Broadway-Publikums. In Jean Cocteaus «Indiscretions» spielt er eine Nacktszene, die «zu einem Anstieg des Gebrauchs von Operngläsern» führt, wie «Vanity Fair» berichtet.

«Er ist sexuell gefährlicher als viele andere britische Schauspieler», sagt Anthony Minghella einmal über Jude Law, mit dem er nicht nur den «Ripley», sondern auch den Schinken «Cold Mountain» gedreht hat. «Irgendwo in ihm steckt ein Unheil, und das liegt auch daran, dass er einer der attraktivsten Männer der Welt ist. Er ist ein schöner Junge mit dem Verstand eines Mannes – ein Charakterdarsteller, der darum kämpft, aus einem schönen Körper herauszukommen.»

Das ist natürlich Gewäsch, aber Minghella hatte trotzdem recht. Das zeigt sich jetzt. Jude Law, 51, ist ausgesprochen gut gealtert. Plötzlich präsentiert sich da ein Kerl. Das Zurich Film Festival veranschaulicht es zur Eröffnung seiner 20. Ausgabe am Donnerstag, für die der Brite mit dem Thriller «The Order» einfliegt.

Wie beim Sturm aufs Capitol

Als zerknitterter FBI-Agent Terry Husk hebelt er einen Neonazi-Ring aus. Es ist die klassische Geschichte vom Zivilisationsflüchtigen, dem «lone ranger», den es in die amerikanische Pampa verschlägt. Die Idylle im Nordwesten trügt. Bald stolpert Husk über einen Mordfall. Die Spur führt zu einer rechtsextremen Gruppierung, die Pläne für einen Putsch hat.

Es ist eine wahre Geschichte aus den achtziger Jahren, die nicht alt geworden ist. Denn die Rechtsextremen schwören auf ein Buch namens «The Turner Diaries». Und dieses Buch brachte offenbar auch die Chaoten, die 2021 das Capitol in Washington gestürmt haben, auf ihre sinistren Gedanken.

Der australische Regisseur von «The Order», Justin Kurzel, hämmert dem Zuschauer den Aktualitätsbezug nicht ein. Er macht es richtig. Er erzählt schnörkellos seinen Thriller, der dann im Nachhinein noch im Zuschauer weiterarbeitet.

Das liegt auch daran, wie Jude Law den Gesetzeshüter spielt. Mit ordentlich Schnauzhaar steht er für den Typ «no bullshit». Ein FBI-Agent, bei dem man sofort weiss: Der regelt’s. Doch dieser bärbeissige Terry Husk hat sich nicht immer im Griff. Im entscheidenden Moment brennen ihm auch einmal die Sicherungen durch. Dass er angeknackste Männlichkeit spielen kann, hat Jude Law längst bewiesen. Aber hier steht mehr auf dem Spiel. In «The Order» vertraut man darauf, dass sein Terry Husk am Ende für Recht und Ordnung sorgt. Und Jude Law beweist, dass er wie gemacht ist für Law and Order.

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