Mittwoch, April 2

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung fordert den verstärkten Einsatz des Verfassungsschutzes an deutschen Universitäten.

Felix Klein macht regelmässig auf Antisemitismus in Deutschland aufmerksam. Kürzlich forderte er in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» den verstärkten Einsatz des Verfassungsschutzes, um Judenhass an deutschen Universitäten zu bekämpfen. Präventionsarbeit allein reiche nicht mehr aus, sagte Klein.

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Herr Klein, hat Sie die Resonanz auf Ihre jüngsten Äusserungen dazu überrascht?

Nein, das war beabsichtigt, denn die verbreitete Ansicht, es handele sich bei den Protesten und Besetzungen lediglich um studentische Aktivitäten, verharmlost den extremen und teilweise gewalttätigen Judenhass, der dort verbreitet wird. Ich bin froh, dass das Thema aufgegriffen wird, denn trotz zahlreichen Warnungen fühlen sich jüdische Studierende oft alleingelassen. Ich begrüsse, dass viele Universitäten inzwischen Antisemitismusbeauftragte einsetzen, aber es gibt weiterhin Menschen, die Universitäten als rechtsfreie Räume betrachten und Straftaten dort als hinnehmbar empfinden. Das kann nicht sein.

Universitäten sind als Orte des freien Denkens und Forschens vor staatlicher Einflussnahme geschützt.

Das ist natürlich richtig – und auch unstrittig. Denn die Wissenschaftsfreiheit und die Hochschulautonomie sind hohe Güter. Aber hier haben wir es ja auch mit Aktionen zu tun, die von ausserhalb der Universitäten organisiert werden und bei denen Menschen von ausserhalb der Unis in diese hineinwirken und Straftaten begehen. Zum Beispiel mit Hörsaalbesetzungen, dem Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole oder auch durch Zerstörungen mit hohem Sachschaden.

Was hören Sie von den betroffenen jüdischen Studierenden?

Jüdische Studierende berichten immer wieder, dass sie massiv unter Druck gesetzt werden, sich vom Staat Israel und von dem, was im Gazastreifen passiert, zu distanzieren. Wenn sie sich dagegen wehren oder antisemitische Vorfälle melden, stossen sie häufig auf Gleichgültigkeit. Verbotene Kennzeichen wie Hamas-Logos oder hetzerische Poster werden vielerorts einfach geduldet, das wird mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Das geht überhaupt nicht. Universitäten sind Orte des Diskurses, natürlich muss dort politischer Protest möglich sein. Aber es gibt doch klare Grenzen. Sobald Straftaten im Raum stehen, ist es nicht mehr nur eine Frage der Meinungsfreiheit. Man kann sich doch auch beim Zerstören eines Kunstwerks nicht auf die Kunstfreiheit berufen, wenn eine Sachbeschädigung erfolgt.

Unternehmen die Universitäten selbst etwas dagegen?

Ich sehe, dass bereits einiges an Universitäten unternommen wird. Doch es sollten mehr systematische Fortbildungen angeboten werden. Zum Thema Antisemitismus gibt es diese schon, aber es braucht sie auch zum Thema Israel und zur Geschichte des Nahostkonflikts. In Deutschland gibt es beispielsweise lediglich zwei Zentren für Israel-Studien, das ist im internationalen Vergleich viel zu wenig. Wir haben, natürlich, viele historische Lehrstühle, aber kaum akademische Beschäftigung mit jüdischem Leben von heute. Da besteht eine grosse Lücke, die wir schliessen sollten.

Es gibt zum Beispiel Ausbildungsstätten für Rabbiner, Judaistik-Lehrstühle, Geschichts-Lehrstühle zur Shoah.

Das ist alles wunderbar, gut und richtig. Aber zur jüdischen Gegenwartsforschung ist die Forschung in Deutschland nicht nur unterentwickelt – sondern schlicht nicht vorhanden. Es wäre ein hervorragendes Signal, wenn die neue Bundesregierung einen Anreiz schüfe, die Forschungslandschaft zum jüdischen Leben von heute anzureichern. Ich bin überzeugt, das hätte auch langfristig positive Effekte auf den Kampf gegen Antisemitismus.

Muss die neue Bundesregierung auch gesetzlich nachbessern?

Ja, das empfehle ich sehr. Beispielsweise sollte der Slogan «Tod Israel», der Israels Existenzrecht negiert, strafbar sein. Der Aufruf zur Vernichtung eines Staates ist nicht mit demokratischen Werten vereinbar. Bereits jetzt ist es strafbar, eine Flagge eines anderen Landes zu verbrennen – diese Logik sollte konsequent weitergeführt werden.

Was genau fordern Sie darüber hinaus?

Die Bundesregierung sollte das Thema Antisemitismus in Universitäten strategisch angehen im Schulterschluss mit den Hochschulen und Ländern. Die Hochschulen sollten feste Ansprechstellen bei den Sicherheitsbehörden haben, um Vorfälle direkt melden zu können. Universitäten haben für andere Gefahren ja auch Regelwerke. Ein Beispiel: Schon vor einem Brand weiss jeder, wie er handeln muss, wenn ein Feuer ausbricht. Solch ein Ablaufplan muss auch in Bezug auf Antisemitismus gewährleistet sein.

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