Dienstag, November 26

Philipp Rickenbacher muss wegen hochriskanter Kredite an den gefallenen Immobilienkönig René Benko seinen Platz räumen. Julius Bär wird Kredite in Höhe von 606 Millionen Franken komplett abschreiben.

Die Gerüchte bewahrheiten sich: Philipp Rickenbacher, Chef der Privatbank Julius Bär, wird per sofort zurücktreten. Aus dem Umfeld der Bankspitze werden entsprechende Meldungen der Nachrichtenagentur Bloomberg und mehrerer Schweizer Medien bestätigt. Rickenbacher geht wegen der Fehler, welche die Bank im Umgang mit dem Signa-Imperium des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko begangen hat. Die Bank wird am Donnerstag über den Wechsel informieren, wenn sie ihre Jahresresultate bekanntgibt. Die Bank soll auf eine Interimslösung an der Spitze setzen.

Das Onlineportal Tippinpoint meldet zudem, dass Julius Bär die kompletten 606 Millionen Franken abschreiben werde, die sie Signa ausgeliehen hat. Auch das trifft gemäss Informationen der NZZ zu.

Die Rücktritte werden sich aber nicht nur auf die Geschäftsleitung beschränken. Offenbar wird es auch im Verwaltungsrat von Julius Bär wegen der Causa Benko zu personellen Veränderungen kommen.

Die Bank gibt auf Anfrage keinen Kommentar ab.

Ein schwerer Fehler

Im November 2023 hat Julius Bär erstmals das umstrittene Kreditengagement bei der Signa-Gruppe offengelegt – ohne den Namen des strauchelnden Kreditnehmers zu nennen. Die Privatbank gab aber bekannt, 606 Millionen Franken an Krediten bei dieser Gegenpartei ausstehend zu haben. 70 Millionen davon schrieb Julius Bär rasch ab. Die Märkte rechneten aber schon bald mit weiteren Rückstellungen für Kreditausfälle, weil die einzelnen Unternehmen der Signa-Gruppe eines nach dem anderen Insolvenz anmelden mussten.

Beobachter gingen von 400 Millionen Franken an Ausfällen aus, weil eine von drei Kredittranchen an das werthaltige Luxushandelsgeschäft gekoppelt ist und weil die Bank in diesem Fall in der Gläubigerhierarchie weit oben steht. Die jüngst angemeldete Insolvenz der deutschen KaDeWe-Gruppe, die ein wichtiger Teil dieses Luxusportfolios ist, warf aber bereits Anfang Woche die Frage auf, ob Julius Bär auch auf dieser als sicher betrachteten Tranche einen Abschreiber verbuchen muss.

Was die Anleger am meisten störte und zu einem scharfen Abverkauf der Bär-Aktien führte, war die Art und Weise, wie die Kredite zustande kamen, und nicht der resultierende Verlust an sich. Wenn dieser sich auf 606 Millionen Franken beliefe, betrüge er etwas mehr als ein halber Jahresgewinn. Das ist sehr schmerzhaft, aber keine Gefahr für die Bank.

Doch die Kredite massierten sich zu einem Klumpenrisiko: In der «Private Debt» getauften Kategorie hatte Julius Bär rund 1,5 Milliarden Franken an Spezialkrediten vergeben; 40 Prozent davon gingen an die Signa-Gruppe.

Unverständlich war zudem, dass die Bank von Benko keine besseren Sicherheiten gefordert hatte. Auch andere Banken hatten Signa Geld geliehen. Viele von ihnen erhielten als Sicherheit aber Immobilien an guten Lagen, so dass sie keine riesigen Verluste zu erwarten haben.

Julius Bär aber nahm unter anderem Firmenanteile als Sicherheit an – ein riskantes Unterfangen, das vor allem institutionelle Investoren stark verunsicherte. Wenn Julius Bär bei René Benko ein Auge zudrückt – wie geht sie dann bei anderen grossen Kunden vor?

Rickenbachers Nimbus ist weg

Rasch stellte sich auch die Frage, wer die Verantwortung für den Signa-Ausfall tragen würde. Die Finanzchefin Evie Kostakis war noch nicht derart lange in ihrer jetzigen Funktion, dass man ihr den schwarzen Peter hätte zuschieben können.

Philipp Rickenbacher war als CEO informiert über das Kredit-Exposure mit Signa. Die Bankleitung hatte mehrmals grünes Licht für die Kredite gegeben. Auch der Risikoausschuss des Bär-Verwaltungsrats hatte das Engagement genehmigt. Gegen Rickenbacher sprach jedoch, dass er sein Amt 2019 mit dem persönlichen Anspruch antrat, Julius Bär nach einer Reihe von Skandalen wieder in ruhigere Gefilde zu führen.

Philipp Rickenbacher, der lange Jahre hinter der Kundenfront gearbeitet hatte, musste als Chef fortan der Saubermann sein und gleichzeitig für sprudelnde Gewinne sorgen. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll, denn das Bankgeschäft lässt sich ohne gut kalkuliertes Risiko nicht betreiben. Doch tatsächlich reüssierte die Bank in den folgenden Jahren weiterhin – scheinbar ohne zu grosse Risiken einzugehen.

Die Benko-Kredite lösten nun aber Zweifel aus, ob Julius Bär tatsächlich eine so gut geführte und konservative Privatbank ist, wie sie sich gegen aussen darstellte.

Lange Zeit schien es, als könnte die Bankspitze – neben dem CEO Rickenbacher auch der Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher – das Debakel aussitzen. Die Bank wollte zeigen, dass ihr Kerngeschäft weiterhin rundläuft, dass der Fall Benko nur ein einmaliger Ausrutscher ist. Anpassungen am Geschäft mit Spezialkrediten und ein Bonusverzicht hätten die Gemüter beruhigen sollen. Zudem hätte Julius Bär, als Demonstration der Stärke, weiterhin eine hohe Dividende ausgeschüttet oder gar ein neues Aktienrückkaufprogramm gestartet.

Nun kommt es anders. Philipp Rickenbacher verlässt Julius Bär, Romeo Lacher bleibt; auch deswegen, weil die Bank nicht beide Spitzenposten gleichzeitig neu besetzen kann.

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