Freitag, März 14

Im Eilverfahren entlässt die US-Regierung Zehntausende von Staatsdienern. Eine Justizbeamtin, ein entlassener Trump-Wähler und eine Entwicklungshelferin erzählen ihre Geschichten.

Präsident Donald Trump und der Tech-Milliardär Elon Musk zerkleinern den amerikanischen Beamtenstaat – bildlich gesprochen – mit der Kettensäge: Innerhalb von zwei Monaten haben sie 100 000 Bundesangestellte entlassen oder zur Kündigung gedrängt. In den nächsten Wochen könnten nochmals 400 000 folgen.

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Kelly Foster hat ihre Stelle im amerikanischen Justizministerium immer noch. Aber die Anwältin und Mutter von zwei kleinen Kindern weiss nicht, wie lange. Tausende von Beamten werden derzeit ohne Vorwarnung entlassen. Wenn Kontaktpersonen in anderen Behörden ihre Arbeit verlieren, erfahre sie dies jeweils erst, wenn sie auf eine E-Mail eine Abwesenheitsnotiz erhalte: «Die Leute verschwinden einfach.»

Im Gegensatz zu anderen Behörden ist es im Justizministerium noch nicht zu Massenentlassungen gekommen. Aber viele hohe Führungspersonen hätten bisher ihre Stelle verloren oder seien auf unattraktive Posten versetzt worden. Es sei völlig unklar, warum es wen getroffen habe: «Niemand von ihnen war extrem links», erzählt Foster, deren echter Name zu ihrem Schutz geheim bleiben soll. Wer sich politisch exponiere, könne im Justizministerium niemals so hoch aufsteigen.

Viel Arbeit für einen bescheidenen Lohn

Foster rechnet mit weiteren Entlassungen: «Alle haben Angst um ihre Stelle und ihre Kollegen.» Die Moral sei bei weitem noch nie so schlecht gewesen wie jetzt. Weil sie bereits einige Jahre für das Ministerium arbeitet, sieht Foster ihre Position nicht in unmittelbarer Gefahr. «Bei einem Personalabbau von 50 Prozent sollte ich in Sicherheit sein.» Trotzdem macht sie sich grosse Sorgen, zumal auch ihr Mann für den Staat arbeitet. Weil sie die Arbeitsatmosphäre kaum mehr aushält, bewirbt sich Foster auf Stellen in der Privatwirtschaft. Sie könne gar nicht genau sagen, wie oft sie in den vergangenen Wochen weinende Arbeitskollegen gesehen habe: «Es ist traumatisierend.»

Wie alle anderen 2,3 Millionen Bundesbeamten erhielt auch Foster im Januar vom Büro für Personalverwaltung der Regierung die berüchtigte E-Mail mit dem Betreff «Weggabelung». Darin offerierte das Weisse Haus den Beamten eine Lohnfortzahlung bis im September, wenn sie nun kündigten. Foster fühlte sich vor allem durch einen Satz darin beleidigt: «Der Weg zu mehr amerikanischem Wohlstand liegt darin, mehr Leute zu ermutigen, von wenig produktiven Tätigkeiten im öffentlichen Sektor in hochproduktive Arbeitsstellen in der Privatwirtschaft zu wechseln.»

Sie sei bereits «erstaunlich produktiv», sagt Foster. Nicht selten arbeite sie 60 Stunden in der Woche. Dabei erhalte sie einen bescheidenen Lohn. «Meine Freunde verdienten bei einer Anwaltskanzlei im ersten Jahr drei- bis viermal so viel wie ich.»

Kürzlich ordnete die Regierung an, dass alle Beamten wieder fünf Tage in der Woche im Büro erscheinen müssen. Das Ende des Home-Office bedeutet für Foster noch mehr Stress. Sie muss ihre Kinder jeden Morgen an zwei verschiedenen Orten abgeben, danach 45 Minuten in die Stadt fahren und sie abends wieder abholen. Sollte die Arbeit in ihrer Abteilung künftig auf weniger Köpfe verteilt werden, erleide sie einen Nervenzusammenbruch, meint Foster.

Im Stolz verletzt

Die E-Mail im Januar trug Musks Handschrift. Er ist Trumps Berater für Regierungseffizienz und der grösste Geldgeber des Präsidenten. Bald verschickte das Büro für Personalverwaltung in seinem Auftrag weitere, unsignierte E-Mails an die Bundesbeamten: In diesen wurden die Staatsangestellten dazu aufgefordert, jeweils bis Montag um Mitternacht fünf Dinge aufzulisten, die sie in der Woche zuvor erledigt hätten. Lange sei ihnen im Justizministerium nicht klar gewesen, ob und wie sie die Nachricht beantworten sollen, erzählt Foster. Schliesslich bearbeitet sie als Anwältin oft vertrauliche Fälle. «Wir haben das Gefühl, dass uns jeder Fehler die Stelle kosten kann.»

Gemäss Medienberichten wertet Musks Departement für Regierungseffizienz die Antworten der Beamten mit künstlicher Intelligenz aus. Ihr Vorgesetzter, der sie und ihre Leistung am besten kenne, habe bei einer möglichen Entlassung nichts zu sagen. «Wir lieben unser Land, aber jetzt werden wir ständig als Feinde, Lügner oder Diebe verleumdet.»

Foster fürchtet aber auch eine Politisierung des Justizministeriums. Trump hat die Führungsspitze mit Loyalisten besetzt. Diese haben bereits die Staatsanwälte entlassen, die gegen den Präsidenten wegen des Sturms auf das Capitol ermittelt hatten. Kürzlich liess das Ministerium die Korruptionsermittlungen gegen den Bürgermeister von New York einstellen, nachdem sich dieser gewillt gezeigt hatte, die harte Migrationspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Aus Protest kündigten danach mehrere Bundesstaatsanwälte und Justizbeamte. «Ich machte mir nie Sorgen darüber, dass von mir in meinem Beruf etwas Unethisches verlangt würde. Jetzt mache ich mir Sorgen», sagt Foster. Teilweise gehe auch der Stolz darauf verloren, für das Justizministerium zu arbeiten.

Mit ihrer juristischen Spezialisierung sei es momentan jedoch «wahnsinnig schwierig», in Washington eine Position im Privatsektor zu finden. Foster ist derzeit nicht die einzige Beamtin, der es so geht: «Hunderte andere Personen mit meinen Qualifikationen bewerben sich derzeit auf vier Stellen.»

Noch ist nicht klar, welche Ziele die Regierung mit dem radikalen Staatsabbau verfolgt. Für Musk geht es angeblich darum, das Schuldenproblem zu lösen: «Wenn wir das nicht machen, geht Amerika bankrott.» Trump hingegen scheint den Staatsapparat zu seinem politischen Instrument machen zu wollen. Im Wahlkampf kündigte er an, die Verwaltung von «schurkischen Bürokraten» zu säubern. Sein Vizepräsident J. D. Vance empfahl bereits 2021, «jeden einzelnen Bürokraten auf mittlerer Ebene» zu entlassen, um die Entlassenen «mit unseren Leuten» zu ersetzen. Die Beamten seien zunehmend «die Bösewichte», erklärte Russell Vought, der jetzige Budgetdirektor im Weissen Haus, vor zwei Jahren. Sie müssten traumatisiert werden, damit sie gar nicht mehr zur Arbeit kommen wollten.

Ein Lebensplan löst sich in Luft auf

Das brachiale Vorgehen könnte jedoch unerwartete Konsequenzen haben. Der Staatsabbau scheint sich zwar auf Bereiche zu konzentrieren, die vor allem den Demokraten am Herzen liegen: Die Behörde für Entwicklungszusammenarbeit ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, das Bildungsministerium streicht die Hälfte des Personals, und das Budget der Umweltbehörde soll um 65 Prozent gekürzt werden. Allerdings entliess auch das Landwirtschaftsministerium 6000 Beamte, die sich in einer zweijährigen Probezeit befanden. Zu ihnen gehört auch der Trump-Wähler Michael Graugnard.

Im November legte Graugnard seine Stimme für Trump ein. Gleichzeitig trat er in Little Rock im ländlichen Gliedstaat Arkansas eine Stelle in der Rechtsabteilung des Landwirtschaftsministeriums an. Nur drei Monate später erhielt er seine Kündigung. Er habe gewusst, dass Trump den Staat verschlanken und die Verschwendung von Steuergeldern eindämmen wolle, erzählt Graugnard. Doch die Art und Weise der Kürzungen habe ihn nun völlig überrascht. Das Landwirtschaftsministerium sei bei Republikanern und Demokraten beliebt.

Graugnard und seine Familie haben für diese Stelle beträchtliche Opfer gebracht. Nach dem Jurastudium absolvierte der 29-Jährige einen zusätzlichen Master-Lehrgang in Landwirtschafts- und Lebensmittelrecht. Zudem machte er ein Praktikum im Landwirtschaftsministerium. Graugnard hatte bereits eine kleine Tochter, und seine Frau widmete sich ganz ihrer Betreuung. Er war Alleinverdiener. Um alles zu finanzieren, übernahm er an der Universität eine Assistenzstelle und arbeitete nebenbei für eine kleine Anwaltskanzlei. Für die Familie blieb nicht mehr viel Zeit. «Wir gingen durch diese schwierige Zeit für ein stabileres Leben. Aber jetzt hat sich das in Luft aufgelöst.»

Stabilität war für Graugnard aber nicht die einzige Motivation. Er ist der Sohn eines Zuckerrohrbauers in Louisiana. Die Mission des Landwirtschaftsministeriums liegt ihm am Herzen. «Ich finde sie interessant und befriedigend.» Er hätte gerne dafür gesorgt, dass Kredite und Fördergelder für die Bauern dorthin fliessen, wo sie am meisten gebraucht werden.

Theoretisch besteht für Graugnard indes noch eine kleine Hoffnung. Vergangene Woche wurde er von seinem ehemaligen Arbeitgeber informiert, dass sein Status von «entlassen» auf «beurlaubt» geändert worden sei. Ein Richter wies am Donnerstag unter anderem auch das Landwirtschaftsministerium an, Tausende von Entlassungen zu widerrufen.

«Ich weiss derzeit nicht, ob ich noch angestellt bin oder nicht», meint Graugnard. Er und seine Frau hätten jedoch bereits entschieden, dass er nicht zurückgehen würde. Er habe das Vertrauen in die Stabilität des Staatsdiensts verloren. «Wir haben ein Kind, und im April erwarten wir ein zweites. Dieser Stress für unsere Familie ist es nicht wert.» Da seine Beamtenkarriere sehr kurz war, konnte Graugnard leicht zurück zu seiner alten Anwaltskanzlei.

«Der Staat könnte künftig Probleme haben, gute Leute zu finden», glaubt Graugnard. Seine Stimme für Trump aber bereut er nicht. «In einer Umfrage würde ich immer noch sagen, dass ich ihn unterstütze.» Graugnard ist als gläubiger Katholik ein überzeugter Abtreibungsgegner. Vor allem bereitet ihm die wachsende Staatsverschuldung der USA Sorgen. Einzig konservative Politiker würden versprechen, zumindest Lösungen für diesen Missstand zu suchen, meint er. Ähnlich wie Musk sagt er über die Massnahmen zum Staatsabbau: «Vieles ist leider notwendig, weil wir uns in einer Krise befinden.»

Jung, gut ausgebildet, arbeitslos

In Washington sind derzeit jedoch Tausende von entlassenen Staatsangestellten nicht in Graugnards komfortabler Lage. Linden Yee und ihr Verlobter arbeiteten beide für die Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID). Sie waren über ein privates Dienstleistungsunternehmen – einen «government contractor» – indirekt angestellt. Wie ihre Kollegen mit Beamtenstatus wurden sie zunächst aus dem Hauptquartier der USAID ausgeschlossen. Vier Wochen später habe sie eine E-Mail mit einer Einladung für eine Telefonkonferenz in fünf Minuten erhalten: «Die Regierung befahl meinem ‹contractor›, uns alle zu entlassen.»

Nun steht Yee vor dem Nichts. Sie habe etwa 400 Bewerbungen geschrieben. «Aber für meine Fähigkeiten und Interessen ist der Markt schlecht.» Die 25-Jährige hat einen Bachelor in internationalen Beziehungen und ein Master-Diplom in internationaler Entwicklung. «Ich wollte immer für mein Land arbeiten und anderen Menschen helfen.» Doch nun braucht Yee selbst Hilfe. Sie und ihr Verlobter haben Arbeitslosengelder beantragt. Aber auch die würden nicht reichen, um die teure Miete in der Hauptstadt zu bezahlen. Wenn es nicht mehr anders geht, würden sie nach West Virginia zur Familie ihres Verlobten ziehen. Für Yee und ihren Verlobten ist derzeit nur eines klar: «Es wird bestimmt eine Budget-Hochzeit.»

Musk beschimpfte die USAID unter anderem als «kriminelle Organisation». Dem widerspricht Yee entschieden. Es stehe in den Leitlinien der Organisation, dass sie die amerikanischen Interessen stärken müsse. «Jedes einzelne Programm wird mit dem Gedanken überprüft, ob es gut für Amerika ist. Ob es sowohl unserem Volk als auch den Völkern im Ausland nützt.» Sie glaube derweil nicht daran, dass die von Musk erzeugte «Atmosphäre der Angst» die Beamten fleissiger macht. Im Gegenteil: «Die Leute verwenden nun jede freie Minute darauf, sich für andere Stellen zu bewerben.»

Yee ist derweil überzeugt davon, dass das Chaos und die Unberechenbarkeit ein bewusster Teil des ganzen Plans sind. Trump und Musk wollten Fakten schaffen, bevor ihre Massnahmen vor Gericht angefochten werden könnten.

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