Der Sicherheitsverantwortliche einer Bäckerei ist vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden.
Ein tödlicher Unfall in einer Bäckerei in Kloten im Mai 2015 beschäftigt nach wie vor die Gerichte: Damals führte ein Maler Arbeiten an einer Müll-Press-Box aus, die vor der Laderampe der Bäckerei abgestellt war. Er bat einen Angestellten der Bäckerei, ihm beim Öffnen der Entladeklappe des Müllcontainers behilflich zu sein. Dieser Angestellte fragte bei seinem Vorgesetzten, dem Sicherheitsverantwortlichen der Bäckerei, nach.
Der Sicherheitsverantwortliche ist heute 48 Jahre alt und der Beschuldigte in diesem Verfahren. Er erlaubte dem Angestellten und einem zweiten Mitarbeiter, dem Maler zu helfen, die Klappe zu öffnen und dafür einen Elektro-Niederhubwagen, der auch «Ameise» genannt wird, zu benutzen – allerdings nur unter dem Hinweis, dass die Entladeklappe beim Öffnen gesichert werden müsse.
Die Gabeln der «Ameise» wurden unter die Klappe geschoben, so dass diese auf den Gabel-Enden auflag. Dann wurde die Klappe mit den Gabeln um einige weitere Zentimeter angehoben. Sekunden später rutschte die Klappe allerdings von den Gabeln ab, klappte zu und traf den Maler am Kopf. Dieser erlitt schwerste Kopfverletzungen mit einer zentralen Atemlähmung und verstarb noch am Unfallort.
Zuerst schuldig, dann freigesprochen
Die Anklage wirft dem Sicherheitsbeauftragten vor, er habe seine Sorgfaltspflichten verletzt und hätte das Hochheben der Entladeklappe verbieten müssen. Er wurde der fahrlässigen Tötung angeklagt. Das Bezirksgericht Bülach sprach ihn am 19. September 2019 der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 130 Franken.
Das Gericht stellte eine grundsätzliche Schadenersatzpflicht gegenüber der Ehefrau des Verunfallten fest und verpflichtete den Beschuldigten zur Bezahlung einer Genugtuung von 40 000 Franken an diese. Den Eltern des Opfers musste er je 10 000 Franken Genugtuung bezahlen.
Der Sicherheitsverantwortliche ging dagegen in Berufung. In zweiter Instanz sprach ihn das Obergericht am 6. November 2020 frei. Die Ehefrau des Verstorbenen erhob Beschwerde ans Bundesgericht. Dieses hiess ihre Beschwerde gut, hob das Obergerichtsurteil wieder auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung ans Zürcher Obergericht zurück.
Dieses hat nun ein neues Urteil gefällt, das schriftlich veröffentlicht worden ist. Laut den Erwägungen war das Öffnen der Entladeklappe für die Ausführung der Arbeit des Malers nicht notwendig und auch nicht Vertragsbestandteil. Es sei auf Wunsch und Initiative des Malers erfolgt, der die Klappe habe bewegen wollen, um die Scharniere von aussen in eine andere Position zu bringen und zwecks Reinigung besser an sie herankommen zu können.
Beschuldigter für Verhalten des Malers nicht verantwortlich
Es stehe fest, dass der Maler zum Unfallzeitpunkt gewusst habe, dass die Entladeklappe ungesichert auf den Gabeln des Niederhubwagens lag und diese Situation so nicht belassen werden konnte. Dennoch sei der Maler an die Containeröffnung herangetreten, um hineinzuschauen. Warum er dies getan habe, lasse sich nicht mehr eruieren, heisst es im Urteil des Obergerichts.
Angesichts der Umstände habe der beschuldigte Sicherheitsverantwortliche nicht damit rechnen müssen, dass der Maler auf die Idee komme, in die Müll-Press-Box hineinzuschauen. Dass dies gefährlich gewesen sei, setze kein Spezialwissen des Malers voraus, sondern die Kenntnis einfacher physikalischer Gesetze.
Die Geschehensabläufe, welche zum Tod des Malers geführt hätten, seien für den Beschuldigten deshalb nicht voraussehbar gewesen. Wörtlich steht im Urteil: «Mit einem derart unsinnigen Verhalten bei solch einem hochriskanten Vorhaben kann und muss nicht gerechnet werden, weshalb dieses auch nicht dem Beschuldigten anzulasten ist.»
Somit wurde der Beschuldigte erneut freigesprochen, und sämtliche Zivilansprüche der Privatkläger wurden abgewiesen. Ein Ende der juristischen Auseinandersetzung ist damit aber noch nicht abzusehen. Auch gegen diesen Entscheid ist wieder eine Beschwerde eingegangen.
Urteil SB230210 vom 19. 11.42024, noch nicht rechtskräftig.