Samstag, Oktober 5

Er wolle seine Angestellten den ganzen Tag im Büro «gefangen halten», um die Produktion zu steigern, sagte der australische Bergbauunternehmer Chris Ellison bei einer Präsentation. Mit dieser Aussage hat der Milliardär eine Debatte im Land losgetreten.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Chris Ellisons Bergbauunternehmen Mineral Resources ist es bereits verboten, von zu Hause aus zu arbeiten. Künftig sollen sie während der Arbeitszeit auch kein Café ausserhalb des Firmengebäudes mehr aufsuchen. Das sagte der 67-jährige Gründer und Geschäftsführer von Mineral Resources während der Präsentation der Finanzergebnisse, die Ende August auf Youtube veröffentlicht wurde.

Mit viel Überzeugung erklärte er, dass er die Angestellten «den ganzen Tag gefangen halten» wolle. «Ich möchte nicht, dass sie das Gebäude verlassen. Ich möchte nicht, dass sie die Strasse entlanggehen, um eine Tasse Kaffee zu trinken», sagte er. Und weiter: «Wir haben vor ein paar Jahren herausgefunden, wie viel das kostet.»

Finanzielle Probleme scheint das Unternehmen kaum zu haben. Sonst hätte sich der ursprünglich aus Neuseeland stammende Ellison im vergangenen Jahr wohl kaum einen Lohn von 3,7 Millionen Euro auszahlen können.

Psychologen, ein Fitnessstudio und ein Restaurant

Ellisons Aussagen haben im Internet eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Dabei hatte der Firmenchef vor noch nicht allzu langer Zeit die Absicht, die Bindung seiner rund 7000 Mitarbeiter an das Unternehmen zu verbessern. Er sprach über den «wirklich grossen Fokus auf die psychische Gesundheit» in seiner Firma und darüber, dass das Unternehmen neun Psychologen auf der Gehaltsliste habe, von denen sieben in den Minen-Camps in Westaustralien arbeiteten.

Diese Minen, in denen Eisenerz und Lithium gefördert wird, sind so abgelegen, dass die Arbeiter für ihre Schichten ein- und ausgeflogen werden müssen. Diese sogenannten «Fifo»-Arbeiter – «fly in, fly out» – arbeiten während zwei bis vier Wochen bis zu zwölf Stunden am Stück, einschliesslich der Wochenenden. Danach haben sie eine bis zwei Wochen frei.

Die Mitarbeiter, die Ellison «gefangen halten» will, sind allerdings eher in der Firmenzentrale in Perth tätig. Seit Jahren versucht er, den Arbeitsplatz für seine Angestellten immerhin so attraktiv zu gestalten, dass sie das Bürogebäude nicht verlassen müssen.

Das Unternehmen hat in ein Restaurant, ein Fitnessstudio und eine Hausarztpraxis investiert. So müssen die Mitarbeiter ihr Büro selbst zur Mittagszeit nicht verlassen. Ein Kaffee im Haus kostet rund 1.80 Euro, und auch die Mahlzeiten und das Fitnessstudio sind subventioniert und damit billiger als ausserhalb. Auch Kinderbetreuung soll bald im Haus angeboten werden.

«Zufriedene Mitarbeiter sind produktive Mitarbeiter»

Passend dazu hat Ellison seinen Mitarbeitern auch das Arbeiten von zu Hause verboten. Denn auch das hat seiner Meinung nach Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis. «Die Industrie kann es sich nicht leisten», sagte er dazu in seiner Präsentation. «Wir können nicht zulassen, dass Leute nur drei Tage pro Woche arbeiten, aber den Lohn von fünf Tagen Arbeit kassieren.»

Im Internet und in den lokalen Medien echauffierten sich viele über die Aussagen des Firmenchefs. «Zufriedene Mitarbeiter sind produktive Mitarbeiter», schrieb ein Internetnutzer auf der Plattform X. Andere haben Verständnis für Ellison: «Die Menschen werden dafür bezahlt, zu arbeiten und sich am Arbeitsplatz aufzuhalten, es sei denn, es ist Mittagszeit.» Wenn den Mitarbeitern die Unternehmensrichtlinien nicht passten, dann stehe es ihnen frei, einen anderen Job zu suchen.

Kein Rechtsanspruch auf Home-Office

Australische Arbeitnehmer haben grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Home-Office. Allerdings haben sie unter bestimmten Umständen das Recht, flexible Arbeitsregelungen zu verlangen. Dies ist möglich, wenn Arbeitnehmer mindestens zwölf Monate bei der gleichen Firma gearbeitet haben und Eltern oder Betreuer eines Kindes im schulpflichtigen Alter sind, sie eine Behinderung haben, 55 Jahre oder älter sind, familiäre oder häusliche Gewalt erlebt haben oder schwanger sind.

Doch auch wenn keine rechtliche Grundlage für Home-Office besteht, machen die Gewerkschaften in Australien der Wirtschaft einen Strich durch die Rechnung. Beispielsweise erkämpfte die Gewerkschaft der Finanzbranche, dass die Angestellten einer der grossen Banken weiterhin von zu Hause arbeiten durften, als im vergangenen Jahr etliche Mitarbeiter in die Büros zurückbeordert wurden.

Dass Home-Office grundsätzlich kein Nachteil für die Firmen sein muss, zeigte im letzten Jahr eine Umfrage des Nachrichtendienstes News.com.au. Mehr als 50 000 Australierinnen und Australier nahmen an der Umfrage teil. 30 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Produktivität davon abhänge, wie sie sich an diesem Tag fühlten, und nicht davon, ob sie von zu Hause aus arbeiteten oder nicht. Fast genauso viele Befragte (29,2 Prozent) fanden sogar, dass sie im Home-Office wesentlich produktiver seien. 22,4 Prozent gaben dagegen an, weniger produktiv zu sein und zwischendurch Hausarbeiten wie Wäschewaschen zu erledigen.

Ellison ist nicht der einzige CEO, der vom Home-Office-Modell nicht begeistert ist. Auch der JPMorgan-Chase-CEO Jamie Dimon oder der Tesla- und X-Chef Elon Musk forderten im vergangenen Jahr ein Ende der Home-Office-Regelung aus der Pandemiezeit.

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