Samstag, Oktober 5

Im Herbst wartet ein knallharter Kampf um jede Wählerstimme. Kamala Harris hat auch empfindliche Schwächen, und Donald Trump wird keine Mittel scheuen.

Man darf vermelden: Die Demokraten sind quicklebendig und bereit für den Wahlkampf gegen Donald Trump. Sie haben die post-trumpsche Erschöpfungsdepression überwunden und ihre defensive Dauerempörung endlich abgelegt. Mit Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin gehen die Demokraten in die Offensive – und das tun sie, man staunt, mit Lust statt mit dem üblichen Moralin.

Der Parteitag der Demokraten war ein Jubelfest, eine viertägige Megashow mit schillernder Parteiprominenz und einer poppigen Parade von Stars aus Musik und Fernsehen. Die 50 000 Parteimitglieder tanzten, lachten, weinten, sangen mit und skandierten den Schlachtruf: «Wenn wir kämpfen, siegen wir!» Der Event war nahezu perfekt organisiert trotz dem späten Kandidatenwechsel; die Partei demonstrierte damit ihre Potenz. Und, was den Rating-besessenen Donald Trump ärgern muss: Die Fernsehquoten haben diejenigen am Parteitag der Republikaner im Juli überflügelt. Die Demokraten dominieren plötzlich die Aufmerksamkeitsökonomie.

Demokraten kapern republikanische Themen

In der Nominierungsrede enthüllte Kamala Harris eine geschickte, fast durchtriebene Wahlkampfstrategie: Sie annektiert die traditionellen Banner der Republikaner, wie Freiheit, Sicherheit und Verteidigung. Unter der Führung von Kamala Harris werden die Demokraten plötzlich zu derjenigen Partei, welche traditionelle, amerikanische Werte verteidigt: den Gemeinsinn, die nachbarliche Hilfsbereitschaft, den gesunden Menschenverstand, die Arbeitsethik. Die Verteidigung der Demokratien gegen Diktatoren.

Harris jongliert mit dem Freiheitsbegriff und führt ihn auf die Bedeutung in der Gründerzeit zurück: sprichwörtliche Freiheit von der Tyrannei. Der Tyrannei durch Waffenfanatiker, der Tyrannei durch Übergriffe auf persönliche Rechte, der Tyrannei einer habgierigen Wirtschaft, der Tyrannei eines Präsidenten, der seine Abwahl nicht akzeptiert. Die Feinde der Freiheit macht Kamala Harris natürlich bei den Republikanern und ihrem Gegner Donald Trump aus. «Sie haben den Verstand verloren», summiert Kamala Harris.

Die Schwächen von Kamala Harris

Doch das geschickte Politmarketing und der Trubel des demokratischen Parteitags sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin empfindliche Schwächen aufweist. So ist sie draussen im Land, bei Wählern, welche die Politik in Washington zwischen den Präsidentschaftswahlen nicht verfolgen, kaum bekannt. Ihr politisches Programm formiert sich eben erst. Donald Trumps Wähler hingegen kennen ihren Favoriten genau – sie lieben ihn und werden für ihn in die Wahllokale strömen.

Dass Kamala Harris ein Blind Date für viele Wähler ist, muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Sie kann sich als Hoffnungsträgerin präsentieren, gerade weil sei umstrittene Themen vermeiden kann: Aber die Wahlkampfmanager von Donald Trump werden derweil negative Werbung verbreiten, um das Image von Harris möglichst schnell zu beschädigen.

Dabei hilft, dass Harris als Bidens Vizepräsidentin politisch verletzbar ist: Die Einwanderung und die Inflation plagten Joe Biden, und sie bleiben eine Hürde für Kamala Harris. Im Feld sieht vieles anders aus als in der Parteizentrale: So könnten sich unabhängige Wähler im wichtigen Swing State Pennsylvania wenig begeistert zeigen von den Umweltregulierungen, die Kamala Harris verspricht. Sie fürchten um die wenigen industriellen Arbeitsplätze, die ihnen noch verblieben.

Der Wahlkampf wird wahrscheinlich chaotisch

Auch wenn Harris in manchen Umfragen Donald Trump inzwischen leicht überholt hat, ein Sieg in diesem Kopf-an-Kopf-Rennen will hart erkämpft sein. Man darf nicht vergessen: Donald Trump ist ein gewiefter Kämpfer. Er verfügt über eine enorm loyale Wählerschaft und geniesst einen unerschütterlichen Rückhalt in der republikanischen Partei.

Selbst wenn Harris am 5. November siegen sollte, hört der Kampf nicht auf. Donald Trump erklärt bereits, wie vor vier Jahren, dass die Demokraten die Wahl stehlen wollen. In den Swing States stehen Scharen von Trump-getreuen Wahlbeobachtern bereit, welche die Auszählungen der Stimmzettel behindern werden. Es wird Klagen und Gegenklagen hageln. Der Weg ist noch weit, bis diese Wahl sicher über die Bühne gegangen ist und ein Sieger oder eine Siegerin feststeht.

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