Dienstag, November 26

Kamala Harris wäre die erste dunkelhäutige Präsidentin der USA. Doch gerade bei afroamerikanischen Männern ist die Begeisterung für sie nicht so gross wie für Joe Biden vor vier Jahren. Mit schwarzer Star-Power und neuen Wirtschaftsversprechen will sie dies nun ändern.

Eine überwältigende Mehrheit der Afroamerikaner wird auch in diesen Wahlen für die Demokraten und ihre Präsidentschaftskandidatin stimmen. Doch gemäss einer zu Beginn dieses Monats durchgeführten Umfrage der «New York Times» ist die Begeisterung in dieser Wählergruppe kleiner als vor vier Jahren. Demnach sind 70 Prozent der afroamerikanischen Männer und 83 Prozent der afroamerikanischen Frauen entschlossen, für Kamala Harris zu stimmen. Biden hingegen gewann 2020 nicht weniger als 87 bzw. 95 Prozent dieser Stimmen. Der Rückhalt schrumpfte demnach besonders bei den schwarzen Männern: um 17 Prozent.

In wichtigen Swing States wie Michigan oder Georgia, wo der Anteil der afroamerikanischen Wähler beträchtlich ist (14 beziehungsweise 33 Prozent), kann diese Minderheit bei den Präsidentschaftswahlen über Sieg oder Niederlage entscheiden. Harris hat dieses Problem erkannt und versucht es nun offensiv anzugehen. Zum einen setzt die Demokratin auf die Unterstützung von dunkelhäutigen Persönlichkeiten wie Barack Obama oder der Basketball-Legende Magic Johnson. Zum anderen präsentierte Harris am Montag eine Wirtschaftsagenda, die besonders attraktiv für afroamerikanische Männer sein soll.

Eine Schelte von Obama

Vergangene Woche trat Obama erstmals nach dem Parteitag der Demokraten im August in diesem Wahlkampf auf. Der ehemalige Präsident wählte dafür mit Pennsylvania den wichtigsten Swing State aus. Bei einem Zwischenstopp in einem Wahlkampfbüro in Pittsburgh sprach er den Afroamerikanern ins Gewissen. Der immer noch sehr populäre Politiker beschwerte sich darüber, dass der Enthusiasmus für Harris nicht so gross sei wie damals für ihn 2008. Und besonders «unter den Brüdern» scheine die Begeisterung weniger ausgeprägt zu sein.

Dabei sei die Wahl doch nicht so schwierig, meinte Obama. Als dunkelhäutige Frau kenne Harris die Probleme und Sorgen der Afroamerikaner. «Sie wuchs auf wie ihr.» Trump hingegen bringe immer wieder seine Missachtung gegenüber ihnen als Gemeinschaft und als Menschen zum Ausdruck. Obama suggerierte deshalb, dass Frauenfeindlichkeit der Grund für die Vorbehalte gegenüber Harris sein könnte: «Es bringt mich auf den Gedanken – und ich spreche nun direkt zu den Männern –, dass euch die Idee einer Frau als Präsidentin nicht gefällt.»

Gewöhnlich hat Obama ein gutes Gespür für sein Publikum und vergreift sich nicht im Ton. Doch dieser Auftritt kam nicht gut an. Der afroamerikanische Kolumnist Paul Butler bezeichnete Obama in der «Washington Post» gar als den «Schimpfer-in-Chief». Zu Recht wies er darauf hin, dass auch weisse oder hispanische Männer eher zu Trump neigen als ihre Frauen. Wenn Sexismus hier eine Rolle spielen solle, dann seien die Weissen und die Latinos noch frauenfeindlicher.

Auch die Basketball-Legende Magic Johnson umwarb besonders die Männer bei einem kürzlichen Harris-Rally in Michigan: «Wir müssen unsere schwarzen Männer an die Urnen bringen. Das ist die oberste Priorität.»

Ein Lockangebot für schwarze Männer

Im Gegensatz zu Obama scheint Harris die Afroamerikaner indes nicht mit einer Schelte, sondern mit wirtschaftlichen Versprechungen von sich überzeugen zu wollen. Sie müsse sich jede Stimme verdienen, betont die Präsidentschaftskandidatin. Am Montag präsentierte ihr Wahlkampfteam deshalb eine Agenda, in der es über Harris hiess: «Sie wird schwarzen Männern die Werkzeuge geben, um Vermögen zu bilden und ihre Familien zu unterstützen.»

Konkret verspricht Harris etwa den Zugang zu Krediten für Kleinunternehmer, zu Ausbildungsprogrammen und Arbeitsstellen für Personen ohne Hochschulabschluss, zu einer ausreichenden Gesundheitsversorgung, zu Wohnraum oder auch zu günstigem Internet. Mit diesen Massnahmen will Harris offensichtlich die afroamerikanische Arbeiterschicht und selbständige Kleinunternehmer ansprechen. Das sind sozioökonomische Gruppen, die Trump in der weissen Wählerschaft längst von sich überzeugt hat. Angesichts der hohen Inflation, aber auch der Immigration der vergangenen Jahre scheint Trump diese Schichten nun auch unter Latinos und Afroamerikanern stärker anzusprechen. Unter anderem warnt der ehemalige Präsident die Schwarzen davor, dass die Migranten ihnen ihre Arbeitsplätze wegnehmen würden.

Der 47-jährige Ahmad Taylor aus Pontiac in Michigan stimmte vor vier Jahren für Biden. Aber dies sei ein Fehler gewesen, erklärte er kürzlich gegenüber der «Washington Post». In seiner Stadt hat sich in den vergangenen Jahren nichts verbessert, das Leben ist teuer geworden, und Washington unterstützte mit vielen Milliarden Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. «Wir stimmen hier normalerweise für die Demokraten. Aber was hat uns das gebracht?», sagt er. Ein anderer Einwohner von Pontiac, Bashir Abdul Aziz, will nun Trump wählen. Dieser kümmere sich zwar nicht wirklich um die Afroamerikaner. «Aber er führte das Land wie ein Unternehmen.»

Erschwerend für Harris kommt hinzu, dass sich die Stimmung in den USA stark von jener vor vier Jahren unterscheidet. Biden profitierte etwa von einer starken Mobilisierung der afroamerikanischen Wähler, nachdem ein weisser Polizist den Afroamerikaner George Floyd ermordet hatte. Die Frage der sozialen und historischen Gerechtigkeit stand im Vordergrund. Heute sind die Teuerung, die Immigration oder die Kriege im Ausland die grossen Themen.

Auch Bidens Popularität unter Afroamerikanern hatte jedoch gelitten. Harris scheint diesen Abwärtstrend zumindest aufgehalten zu haben. Ein Beispiel dafür ist der bei jungen Afroamerikanern beliebte Radiomoderator und Comedian «Charlamagne tha God» (Lenard McKelvey). Er hatte Trump und Biden als «Müll» bezeichnet, unterstützt nun aber Harris. Am Dienstagabend moderierte er eine Fragestunde mit der Vizepräsidentin, die von rund 140 Radiostationen landesweit übertragen wurde. Harris weiss, wo sie ihr Publikum findet. Aber es bleiben ihr nur noch drei Wochen bis zur Wahl, um die afroamerikanischen Männer von sich zu überzeugen.

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