Dienstag, November 5

Kamala Harris’ Stieftochter Ella Emhoff ist für die einen Stilikone, für die anderen ein Schreckgespenst moderner Weiblichkeit. Hilft oder schadet sie den Demokraten damit eher?

Dafür, dass Kamala Harris von Republikanern gern als kinderlose Katzenfrau verhöhnt wird, ist die womöglich nächste «first daughter» erstaunlich oft ein Thema. Wenn es ums Diskreditieren geht, sind Stieftöchter offensichtlich genauso willkommen wie leibliche Kinder, und als Zielscheibe für Ultrakonservative eignet sich Ella Emhoff wirklich hervorragend. Denn die 25-Jährige tritt nicht in brav-femininen Kostümen und Kleidchen auf, sondern in oft androgynen, immer ausgefallenen Outfits. Sie trägt kaum Schminke, dafür Nickelbrille, viele kleine Tattoos und – OMG! – sichtbares Achselhaar. Wenn sie nicht bei Modeschauen sitzt oder selbst als Model läuft, entwirft sie bunte Strick-Accessoires oder hängt mit anderen coolen New Yorkern im Hipster-Stadtteil Bushwick ab. Mit anderen Worten: Sie ist so ziemlich alles, was Ivanka Trump nicht ist.

Für manche Trump-Anhänger sieht sie allerdings nicht nur «weird» aus, sie verhält sich auch so. Auf ihrem Profilbild auf Instagram erscheint ihr Gesicht übergross mit der Lupe herangezoomt, auch sonst posiert sie eher übertrieben. Beim Parteikongress der Demokraten stand sie Arm in Arm mit ihrem Vater, Harris’ Ehemann Douglas Emhoff, woraufhin der prominente Trump-Unterstützer Charlie Kirk sofort Bilder der beiden postete und sie mit dem Prädikat «seltsam» versah.

Weil man kein freundschaftliches Verhältnis zu den Eltern pflegen darf? Schon gar kein kumpeliges? Zum Vergleich: Donald Trump erklärte einmal in einer Talk-Show, wenn Ivanka nicht seine Tochter wäre, würde er sie wahrscheinlich daten. Auch über ihre Brüste soll er schon einmal phantasiert haben. Das: natürlich das Normalste der Welt?!

Über Nacht bekannt

Ella Emhoff und ihr vier Jahre älterer Bruder Cole haben sich das plötzliche Rampenlicht nicht ausgesucht. Bis zur Wahl von Joe Biden als US-Präsident und Kamala Harris als Vize waren beide einfach nur Mitglieder einer etwas prominenteren Patchwork-Familie mit Senatorin im Haus. Über Nacht kannte sie die halbe Welt und wusste bald, dass sie ihre Stiefmutter liebevoll «Momala» nennen und sie damals zum ersten Treffen mit ihnen selbstgebackene Kekse mitgebracht hatte.

Allerdings scheint Ella die Aufmerksamkeit tatsächlich mehr zu geniessen oder zumindest mehr zu nutzen als ihr Bruder, der wie seine leibliche Mutter Kerstin Emhoff im Filmgeschäft arbeitet und weniger in Erscheinung tritt. Schon bei der Amtseinführung im Januar 2021 sorgte die Modestudentin durch ihren karierten Miu-Miu-Mantel mit breitem weissem Kragen und Schmucksteinen für Aufsehen. Bald darauf war sie bei der New York Fashion Week das erste Mal auf dem Laufsteg zu sehen und bekam Werbeaufträge.

Auch ihre Strickdesigns bekamen entsprechend mehr Beachtung. Nach ihrem Abschluss an der renommierten Parsons School of Design gründete sie den Soft Hands Knit Club und zeigt in Videos, wie sie ihre «knit paintings» anfertigt. Sie besuchte die Met Gala und flog nach Mailand zur Fashion Week – mit dem vom Steuerzahler finanzierten Secret Service im Schlepptau.

Wertvolle Geheimwaffe für Kamala Harris?

Doch gerade weil sie ein bisschen anders aussieht und anders auftritt, als man es sonst vom Nachwuchs der politischen Elite gewohnt ist, kommt sie besonders bei der Gen Z an. Sie repräsentiert ein weltoffenes, alternatives Amerika, mit ihr können sich auch sogenannte «Geeks» und «Weirdos» identifizieren, die sich sonst vom Mainstream oft ausgeschlossen fühlen. Auf Instagram folgen ihr mittlerweile fast eine halbe Million Nutzer. Sosehr sich manche Republikaner an dieser Frau reiben mögen, für Kamala Harris könnte sie eine wertvolle Geheimwaffe auf dem Weg ins Weisse Haus sein.

Trotzdem scheint sich die Familie (oder Harris’ Wahlkampfteam) entschieden zu haben, ihre Präsenz im Wahlkampf auf ein Minimum zu reduzieren. Zumindest schien die Frequenz ihrer Posts auf Instagram nach der offiziellen Nominierung deutlich abzunehmen, Ende August sagte Emhoff ausserdem alle Events ihres Strickklubs bis auf weiteres ab. Das Sicherheitsrisiko für sie und die Mitglieder sei zu gross, hiess es – und womöglich auch das Risiko, noch mehr Angriffsfläche zu bieten.

Im März hatte Emhoff einen Spendenaufruf für das Palästinenserhilfswerk UNRWA gepostet, offensichtlich ohne sich bewusst zu sein, dass die US-Regierung die Finanzierung gerade wegen möglicher Verbindungen zur Hamas pausiert hatte. Als die «New York Post» darüber berichtete, entfernte Emhoff den Link umgehend. Entsprechend gab die 25-Jährige in letzter Zeit keine nennenswerten Interviews und beschränkte ihre politischen Aktivitäten auf Aufrufe, wählen zu gehen. «Es gibt nur eine Option für positiven Wandel, und das sind Kamala Harris und Tim Walz», schrieb sie auf ihrer Seite.

Sie selbst gab ihre Stimme bereits am vergangenen Sonntag ab und fertigte zur Feier des Tages ein neues Strickbild für ihre Follower an: mit der amerikanischen Flagge und dem Text «I voted». Überflüssig zu erwähnen, wo sie ihr Kreuzchen gesetzt hat.

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