Der Plan des Bundesrats, Kapitalbezüge im Alter höher zu besteuern, ist politisch so gut wie gescheitert. Aber nun präsentiert die Mitte-Partei einen Vorschlag, der mehrheitsfähig ist.

Der Aufschrei war gross, und er hallt noch immer nach: Als der Bundesrat letzten Herbst bekanntgab, dass er im Rahmen seines grossen Entlastungspakets die privilegierte Besteuerung von Kapitalbezügen aus der zweiten und dritten Säule einschränken will, fegte ein Sturm der Empörung durchs Land.

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Vor allem die Finanzministerin Karin Keller-Sutter musste sich heftige Vorwürfe gefallen lassen, ihre eigene Partei zog eine ungewöhnlich harte Gegenkampagne auf. Die FDP drohte mit dem Referendum gegen das ganze Paket. Im Internet bietet die Partei ein Tool an, mit dem jedermann eine eigene Vernehmlassungsantwort gegen den Vorschlag einreichen kann.

Doch die Empörten können sich entspannen, der Plan des Bundesrats ist politisch praktisch abgeschrieben. FDP und SVP waren schon immer vehement dagegen, und nun legt sich auch die Mitte-Partei in ihrer Stellungnahme zur Vernehmlassung fest: Sie will die Reduktion des Steuerprivilegs, die dem Bund 160 Millionen Franken im Jahr einbringen würde, ebenfalls ablehnen. Damit ist eine Mehrheit im Parlament nicht mehr realistisch.

Beim Bund zeigt man sich weiterhin überzeugt von dem Vorschlag, der so konstruiert ist, dass primär grosse Kapitalbezüge schärfer besteuert werden. Ziel ist die Gleichbehandlung mit Personen, die ihr Sparkapital als Rente beziehen. Trotzdem wäre es angesichts des geballten Widerstands erstaunlich, wenn der Bundesrat daran festhielte. Offen ist, ob er die Massnahme ersatzlos streicht – oder eine Alternative vorschlägt, die dem Fiskus ebenfalls mehr Geld einbringt.

Mitte will mehr Geld einziehen

In diesem Punkt sind die bürgerlichen Parteien tief gespalten. SVP und FDP sprechen sich aus Prinzip gegen höhere Einnahmen aus, die Mitte hingegen verlangt sie explizit. Im Originalton: «Entgegen der Auffassung des Bundesrats vertritt die Mitte die Haltung, dass für die Defizitbereinigung nebst den Sparbemühungen auch vertieft einnahmenseitige Massnahmen geprüft werden müssen.»

Mit anderen Worten: Bürger und Firmen sollen höhere Steuern oder andere Abgaben zahlen, um die drohenden Lücken ab 2027 zu verhindern. Und prompt steht das Alterssparen wieder zur Debatte. Die Mitte lanciert einen neuen Vorschlag zum gleichen Thema: Der Bund soll die Steuerabzüge für freiwillige Einkäufe in die zweite Säule (berufliche Vorsorge) beschränken.

Heute kann man nicht nur die ordentlichen Pensionskassenbeiträge vom Einkommen abziehen, sondern auch zusätzliche Einzahlungen bis zu einem Maximalbetrag, der vom Lohn und der Vorsorgelösung abhängt. Heute kann diese Obergrenze sehr hoch sein. Sie orientiert sich am maximal versicherbaren Jahreslohn im überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge – und dieser beträgt zurzeit 907 000 Franken.

Damit sind der Steueroptimierung Tür und Tor geöffnet. Wie viel manche Steuerpflichtige einzahlen, offenbaren die Kapitalbezüge im Alter. 2021 gab es laut dem Bund gut 1900 Bezüge über einer Million Franken, in rund 500 Fällen lagen sie über 2 Millionen, und 74 Bezüge überstiegen 5 Millionen.

«Wir wollen Exzesse verhindern»

Gut beratene Spitzenverdiener können mit Einkäufen enorme Summen ansparen und gleichzeitig ihre Einkommenssteuern senken. Wie weit das gehen kann, hat die «Sonntags-Zeitung» Anfang Jahr anhand offizieller Zahlen mehrerer Kantone veranschaulicht. In Zug hat ein Spitzenverdiener 2022 mindestens 7,5 Millionen Franken als Alterskapital bezogen. Andere Zahlen stammten aus dem Kanton Bern, wo der Anreiz, Steuern zu sparen, aus bekannten Gründen relativ gross ist: Die Ehepaare der höchsten Einkommensklasse, die freiwillige Einkäufe tätigten, haben 2022 im Durchschnitt über 500 000 Franken einbezahlt.

Das gehe zu weit, findet die Mitte. Das heutige Maximum sei «unverhältnismässig hoch», schreibt sie in der Vernehmlassung. «Die ursprünglich als Vorsorgeförderung gedachte Regelung hat sich zu einem Vehikel der Steueroptimierung für die höchsten Einkommen entwickelt und führt zu substanziellen Einnahmeausfällen beim Fiskus.» Als Möglichkeit nennt die Mitte eine Halbierung des Maximums. Damit könnte man immer noch Jahreslöhne bis 450 000 Franken steuerprivilegiert versichern.

«Wir wollen nicht den Mittelstand treffen, sondern nur die obersten Spitzenverdiener», erklärt der Mitte-Ständerat Erich Ettlin. Als diplomierter Steuerexperte kennt er die Materie bestens. «Unser Vorschlag zielt darauf ab, Exzesse zu verhindern. Das sind Einzelfälle, aber sie schaden dem Vertrauen in unser Steuersystem.» Somit ist anzunehmen, dass die Mehreinnahmen für den Bund nicht sehr gross wären. Eine Schätzung legt die Mitte nicht vor. Sie versteht ihren Vorschlag mehr als Anregung: Der Bundesrat solle ihn prüfen und allenfalls eine konkrete Vorlage ausarbeiten.

Es gäbe eine einfachere Variante, die Begünstigung des Alterssparens zu reduzieren: Das Parlament könnte die Einkäufe begrenzen, die jährlich maximal abgezogen werden dürfen. Je nach Höhe dieser Obergrenze wären die Auswirkungen breiter verteilt und nicht mehr auf Spitzenverdiener beschränkt. Einen solchen Vorschlag würde die Mitte-Partei aber eher kritisch beurteilen, wie Ständerat Ettlin sagt.

Ein Referendum der Linken zeichnet sich ab

Es ist, wie so oft: Die Mitte hat es in der Hand. Wenn sie beim Alterssparen eingreifen will, dürfte sie damit im Parlament durchkommen. Mit Unterstützung von SP, Grünen und GLP sind Mehrheiten in beiden Kammern möglich. Die Mitte spielt nicht nur in dieser Frage eine Schlüsselrolle, sondern in der gesamten Finanzdebatte. Insofern durfte man auf ihre Stellungnahme zum Entlastungspaket am meisten gespannt sein.

Die dreiseitige Eingabe fällt gleichermassen kritisch wie kryptisch aus. Die Mitte deutet an, dass sie einen Teil der Kürzungsvorschläge ablehnt, ohne zu sagen, welche. Mit einer Ausnahme: Die Reduktion des Bundesbeitrags an die AHV, mit 200 Millionen Franken eine der grösseren Massnahmen, lehnt die Mitte in dieser Form ab.

Zudem fordert sie weitere Mehreinnahmen, wobei sie neben der Beschränkung beim Alterssparen folgende Ansätze nennt: Aufhebung der Steuerbefreiung von Kantonalbanken, Beteiligung des SBB-Segments Immobilien an den Kosten der Bahninfrastruktur sowie zusätzliche Steuern auf Finanztransaktionen. Letzteres ist schon länger ein Thema, der Bundesrat lehnt die Idee ab, nicht zuletzt, weil sie wenig Geld einbringe.

Der weitere Verlauf der Finanzdebatte bleibt unberechenbar. Die bisher vorliegenden Eingaben entsprechen den Erwartungen: Die FDP unterstützt die Stossrichtung der vorgeschlagenen Kürzungen, die SP lehnt sie rundum ab. Namhafte Massnahmen betreffen etwa die Integration von Flüchtlingen, die Klimapolitik (Gebäudeprogramm), den Bahnausbau sowie Forschung und Bildung. Die Debatten im Parlament sollen im Dezember beginnen. Ein linkes Referendum liegt in der Luft, die Volksabstimmung dürfte im Herbst 2026 stattfinden.

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