Samstag, Dezember 21

Immer häufiger kommen sich Spaziergänger, Velofahrer und Waldbesitzer in die Quere. Im Kanton Zug kommt es nun zum Showdown.

Der Wald ist zur Kampfzone geworden. Laut einer neuen Studie des Bundesamts für Sport sind 10,9 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren regelmässig mit dem Mountain- oder Gravelbike unterwegs. Häufig im Wald oder auf Wanderwegen. Immer wieder eskalieren die Konflikte zwischen Spaziergängern, Waldbesitzern und Velofahrern. So etwa 2017, als Unbekannte am Üetliberg Eisenstangen in einen Waldweg steckten und auf diese Weise einen bei Mountainbikern beliebten Singletrail in eine potenzielle Todesfalle verwandelten.

Aber auch Mountainbiker greifen zu illegalen Mitteln. Immer wieder entdecken Waldbesitzer illegale Bike-Trails. Ein besonders dreister Fall ereignete sich kürzlich in Steinhausen im Kanton Zug. Auf einer Länge von rund 200 Metern trugen die Täter rund fünf Kubikmeter Waldboden ab und errichteten Sprungschanzen. Für solche Anlagen braucht es eine Baubewilligung, die in diesem Fall nicht vorlag.

Es sind Aktionen wie diese, vor allem aber die täglichen Begegnungen auf schmalen Wegen, die nun zum Showdown an der Urne führen. Die IG Mountainbike Zug hat erfolgreich das Referendum gegen das neue kantonale Waldgesetz ergriffen. Am 24. November kommt es zur Abstimmung. Es ist schweizweit der erste Urnengang, bei dem das Volk direkt über die unterschiedlichen Ansprüche an den Freizeitraum Wald entscheidet.

Gegen «Verbotskultur im Wald»

Die Velolobby geht vor allem wegen eines Paragrafen auf die Barrikaden. In Zukunft ist «Radfahren nur auf Waldstrassen sowie auf den im Richtplan bezeichneten Mountainbike-Routen erlaubt». Zudem können «störende Tätigkeiten im Wald auf und abseits von Strassen und Wegen eingeschränkt oder verboten werden, wo es die Waldhaltung oder andere öffentliche Interessen erfordern».

An dieser Bestimmung scheiterte ein runder Tisch aller Beteiligten. An einer öffentlichen Podiumsdiskussion zeigte sich, dass es zu einem Frontalzusammenstoss gekommen war. Laut Martin Siegrist, dem Präsidenten der IG Mountainbike, zeigt eine Datenerhebung des Vereins, dass künftig nur noch rund die Hälfte der heute befahrenen Strecken mit dem Velo befahrbar sein wird. «Uns ist bewusst, dass es Regeln braucht. Doch hoffen wir auf einen pragmatischen Lösungsansatz und nicht auf eine Verbotskultur im Wald», sagte Siegrist gemäss dem Onlineportal «Zentralplus».

Wald Zug, der Verband der lokalen Waldbesitzer, hat seinerseits die Zusammenarbeit mit den Mountainbikern bis auf weiteres ausgesetzt. Die Arbeiten zur Erstellung eines Routennetzes ruhen deshalb vorerst. «Mit ihrem absoluten Anspruch verletzen die Biker den Respekt vor fremdem Eigentum», schreibt der Vereinspräsident Seppi Roth in einer Medienmitteilung. Derzeit verfüge der Kanton Zug über 300 Kilometer Waldstrassen. Zudem seien im kantonalen Richtplan designierte Bike-Strecken eingetragen. Roth schliesst nicht aus, dass die Waldeigentümer zu einem späteren Zeitpunkt der Schaffung von weiteren Bike-Trails zustimmen.

«In dieser Diskussion spitzen sich die vielfältigen Konflikte um die Waldnutzung zu. Deshalb verfolgen wir die Abstimmung im Kanton Zug mit grossem Interesse», sagt Benno Schmid, Mediensprecher von Wald Schweiz, dem Verband der Schweizer Waldeigentümer. Der Druck auf den Wald habe in den letzten Jahren stark zugenommen und sich während der Corona-Pandemie nochmals akzentuiert. «Es sind nicht nur die Biker, sondern auch viele andere Anspruchsgruppen wie Wanderer, Reiter oder Pilzsammler, die den Wald für ihre Freizeitaktivitäten nutzen», stellt Schmid fest.

Der nationale Verband wird sich nicht in den kantonalen Abstimmungskampf einmischen. Es sei Sache der Kantone, die Regeln zu definieren. Für die Waldbesitzer ist entscheidend, dass Spielregeln geschaffen würden. «An diese müssen sich alle halten, die im Wald unterwegs sind», betont Schmid.

Die Diskussion, die im Kanton Zug die Gemüter erhitzt, steht in anderen Kantonen noch bevor. So zum Beispiel im Thurgau. Dort lehnte es das Parlament diesen Frühling aus formaljuristischen Gründen ab, Strafbestimmungen gegen das Fahren und Reiten abseits von befestigten Strassen und Wegen ins Waldgesetz aufzunehmen. Zuerst will man ein Mountainbike-Konzept erarbeiten. Damit ist der Konflikt nur aufgeschoben. Spätestens wenn das Konzept vorliegt, braucht es trotzdem Sanktionen im Waldgesetz.

Der Kanton Solothurn hat kürzlich die Überarbeitung seines Waldgesetzes in die Vernehmlassung geschickt. Um die Problematik des Veloverkehrs zu entschärfen, «können in einem partizipativen Planungsprozess spezielle Wege gekennzeichnet werden», heisst es im Entwurf. Dass dies nicht so einfach ist und zu Streit zwischen den verschiedenen Interessengruppen führen kann, zeigt sich im Kanton Zug.

Rücksicht statt Konfrontation

Am besten wäre es, wenn sich alle Waldnutzer vernünftig verhalten würden und aufeinander Rücksicht nähmen. An entsprechenden unverbindlichen Regeln fehlt es nicht. So hat Schweiz Mobil im Auftrag des Bundesamts für Strassen und unter Mitwirkung der Schweizer Wanderwege, von Swiss Cycling, von der Beratungsstelle für Unfallverhütung und der Suva einen Mountainbike-Kodex erarbeitet. Darin steht zum Beispiel: «Velo- und Mountainbikefahrer respektieren die Rechte der Grundeigentümer (z. B. keine Fahrt abseits von bestehenden Wegen).»

Wald Schweiz empfiehlt seinen Mitgliedern, in besonders belasteten Gebieten zusätzliche Lenkungsmassnahmen zu ergreifen. Dazu gehört, einzelne Mountainbike-Trails zu schaffen oder wilde Trails zu legalisieren. In Zug tut sich derzeit nichts in dieser Richtung. Die Beteiligten befinden sich auf Kollisionskurs.

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