Donnerstag, Januar 16

Am 1. Februar tritt die revidierte Jagdverordnung in Kraft. Sie definiert den Abschuss von Bibern genauer und legt klare Regeln fest. Naturschutzorganisationen reagieren entsetzt. Die Biberfachstelle besänftigt.

Manche finden sie putzig, andere betrachten sie als unermüdliche Holzfäller. Sicher ist: Die Biber arbeiten hart. Sie bauen, schleppen und reparieren. Mit ihren Zähnen fällen sie dicke Bäume, zerren Äste durch den Bach und perfektionieren ihren Damm. Ist der Damm fertig, staut sich das Wasser. Dort bauen die Biber ihr Zuhause.

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Biber arbeiten zielstrebig, ihre Bauprojekte fördern die Artenvielfalt. Dank ihrer Tätigkeit entstehen in den Gewässern und an Land stets neue Strukturen und dynamische Lebensräume. Doch die Tiere bringen auch Probleme. Landwirtschaftliche Flächen und Infrastrukturen können unter ihren Aktivitäten leiden. Angeknabberte Baumstämme sind ein sichtbares Zeichen ihrer Anwesenheit.

Die Beziehung zwischen der Schweiz und dem Biber ist kompliziert. Anfang des 19. Jahrhunderts jagte man ihn, bis er ausgerottet war. Sein Fleisch und Fell waren begehrt. Biberfleisch galt als Delikatesse – und die Kirche verfügte, dass es dank dem fischähnlichen Schwanz dem Fisch gleichzusetzen sei. Als Fleischersatz landete Biber auf den Tellern.

Erst 1956 begann in Bern, der Ost- und Westschweiz die Wiederansiedlung – initiiert durch Privatpersonen. Seither hat er sich rasant ausgebreitet. Heute gibt es laut der Biberfachstelle des Bundes rund 4900 Tiere. Doch bleibt das so?

Bund erlaubt präventives Abschiessen

Im Dezember hat der Bundesrat das revidierte Jagdgesetz beschlossen. Bundesrat Albert Rösti gab darin den Biber – neben dem Wolf – zum Abschuss frei. Theoretisch können Biber unter gewissen Umständen schon heute geschossen werden. Das obliegt jedoch strengen Auflagen und muss von den kantonalen Behörden geprüft und bewilligt werden.

Diesen Ablauf will der Bund nun klarer regeln. Laut der neuen Verordnung dürfen einzelne Biber künftig geschossen werden, wenn sie eine «Gefährdung von Menschen» darstellen. Oder wenn sie «erhebliche Schäden» verursachen, die nicht durch andere Massnahmen verhindert werden können.

Dazu zählen Schäden durch angestaute Gewässer, die Siedlungen oder wichtige Bauten bedrohen. Auch fruchtbare Ackerböden, die durch Biberbauten überschwemmt werden, fallen darunter. Baut der Biber einen Damm in der Nähe von Siedlungsgebieten, oder blockiert er Drainagesysteme, könnte er laut Verordnung künftig «präventiv» von Wildhütern geschossen werden.

«Das Abschiessen ist reine Sisyphusarbeit»

Die revidierte Ordnung sorgt bei Naturschutzorganisationen für Kritik. Raffael Ayé, Geschäftsführer von Birdlife Schweiz, sagt: «Der Bundesrat sendet ein falsches und ungenaues Signal.» Er betont, dass es bereits bewährte Lösungen gebe, um einen Abschuss von Bibern zu vermeiden. So könnten etwa Bäume mit Metallgittern geschützt werden. Zudem könnte Wildhüter Biberdämme, die zu hoch sind und für Überschwemmungen sorgen, etwas abbauen, damit das gestaute Wasser wieder abfliessen kann. In Ausnahmefällen könnten ganze Dämme mit kantonaler Bewilligung entfernt werden. Die neuen Regeln des Bundes fördern aus Ayés Sicht das unnötige und voreilige Töten der Tiere.

Es gibt aber auch viele, die die Biber kritisch sehen. Vor allem Landwirte haben Probleme mit den Tieren. Die Biber verstopfen Entwässerungssysteme, überfluten Äcker und vergreifen sich nachts an den Feldern. Der Schweizer Bauernverband erklärte 2023 gegenüber SRF: «Das einst geschützte Tier ist nun zum Schädling geworden.»

Raffael Ayé bestätigt, dass es einzelne Biber gebe, die erhebliche Schäden verursachten. Er zeigt Verständnis für den Ärger der Landwirte, betont aber den Nutzen der Biber für die Landschaft: «Sie gestalten Gewässer und schaffen Lebensräume für Fische und Amphibien.»

Die Vorstellung, dass Abschüsse das Problem lösen, hält Ayé für zu kurz gedacht. «Jedes freie Revier wird bald wieder von einem neuen Biber besetzt.» Es sei sinnvoller, mit den bereits ansässigen Tieren «Lösungen zu suchen». Biber seien territoriale Tiere und verteidigten ihr Revier gegenüber Artgenossen. «Das Abschiessen ist reine Sisyphusarbeit», sagt Ayé. Solange man Biber töte, entstünden unbesiedelte Lebensräume, die bald wieder bevölkert würden. «Die Idee, das Gewehr als Lösung zu nutzen, ist grundlegend falsch.»

Es herrschen strengere Vorgaben als beim Wolf

Die Biberfachstelle des Bundes sieht keinen Anlass zur Sorge, dass Biber künftig wahllos getötet würden. Christof Angst, Leiter der Biberfachstelle, sagt: «Niemand kann einfach das Gewehr nehmen und Tiere erschiessen.» Die neuen Regeln setzen klare Grenzen. Eingriffe seien nur erlaubt, wenn festgelegte Schutzmassnahmen nicht ausreichten, um grosse Schäden zu verhindern. Beim Biber gelten also strengere Vorgaben als beim Wolf, wo der Bestand unabhängig vom Schaden reguliert werden kann.

Das Prinzip der Verhältnismässigkeit bleibe bestehen, betont Angst. Fresse ein Biber Zuckerrüben auf einem Feld, werde deswegen kein Tier geschossen. «Hier sprechen wir von einem kleinen Schaden», sagt Angst. Landwirte erhalten in solchen Fällen eine Entschädigung.

Anders sieht es aus, wenn beispielsweise Hochwasserschutzbauten betroffen sind. Beschädigt ein Biber solche Anlagen und bedroht damit nahe gelegene Siedlungen, drohen Überschwemmungen und hohe Kosten. Das gilt es laut Gesetz zu verhindern. Als Erstes würden entsprechende Schutzmassnahmen eruiert. «Ein Abschuss bleibt immer die letzte mögliche Massnahme.»

Biber leisten wichtige Arbeit für den Bund

Jährlich verursacht der Biber laut Angst Schäden zwischen 50 000 und 80 000 Franken in der Schweizer Land- und Forstwirtschaft. Mit der wachsenden Population hätten auch die Schäden zugenommen. Im Vergleich zum Nutzen, den die Tiere für die Natur hätten, seien das niedrige Beträge, sagt Angst.

Er hebt die positiven Seiten des Bibers hervor. Die Schweiz will in den nächsten vierzig Jahren viertausend Kilometer Gewässer in schlechtem Zustand revitalisieren. Das kostet bis zu 1,5 Millionen Franken pro Kilometer. «Der Biber erledigt diese Arbeit kostenlos», sagt Angst. Doch auch seine Tätigkeit habe Grenzen. Damit der Biber nicht unkontrolliert agiere, brauche es klare Regeln.

Naturschutzorganisationen reicht das nicht. Ende Dezember starteten Birdlife und Pro Natura die Petition «Rettet den Biber». Darin fordern sie die Kantone auf, «bewährte Lösungen umzusetzen, statt unnötige Biber-Abschüsse zu tätigen». Innerhalb weniger Wochen unterzeichneten mehr als 20 000 Personen. Für Raffael Ayé, den Geschäftsführer von Birdlife, ist klar: «Das zeigt, wie beliebt der Biber in der Bevölkerung ist.»

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