Sonntag, Oktober 6

Die grossen Kaufhäuser der USA stehen mit dem Rücken zur Wand: Die Inflation mindert die Kauflust, und die mächtigen Luxusmarken verkaufen ihre Ware direkt an ihre Kunden. Auch die vielen Übernahmeversuche lösen das Grundproblem der Branche nicht.

Für einmal standen wieder alle Schlange bei Macy’s. Am vergangenen Donnerstag schoss die New Yorker Kaufhauskette ihr grosses Feuerwerk zum amerikanischen Unabhängigkeitstag in den Nachthimmel. Die halbe Stadt versammelte sich für das Spektakel am Hudson River, und die Polizei musste den Zugang zum Westufer Manhattans grossflächig beschränken, damit sich die Massen verteilten.

Von einem solchen Andrang kann der Macy’s-CEO Tony Spring sonst nur träumen. In vielen seiner über 500 Kaufhäuser im Land läuft derzeit wenig. Die Touristen kennen Macy’s wegen des ikonischen Shopping-Tempels mitten in Manhattan. Aber die Kette führt auch zahlreiche Kaufhäuser in schrumpfenden Kleinstädten im Mittleren Westen. Diese Standorte bieten viel Verkaufsfläche, bringen aber wenig Umsatz.

Die Kauflaune bleibt aus

Angesichts der wegbleibenden Kundschaft ist verständlich, warum die Aktie von Macy’s im vergangenen Jahrzehnt um zwei Drittel eingebrochen ist. Das Unternehmen wird noch mit etwas mehr als 5 Milliarden Dollar bewertet, und das auch nur, weil Private-Equity-Firmen Macy’s kaufen und von der Börse nehmen möchten. 5,8 Milliarden Dollar boten sie den Aktionären Ende 2023; mittlerweile besserten sie das Angebot gemäss dem «Wall Street Journal» auf 6,9 Milliarden auf.

Manche Analysten argwöhnten, dass die Investoren Macy’s filetieren und bloss die Liegenschaften gewinnbringend verkaufen wollen. Die Spitze der Kaufhauskette lehnte das erste Angebot jedenfalls ab und hält die Bieter seither in vorsichtigen Verhandlungen auf Distanz.

Vorerst wollte man sich selbst wieder aufrappeln. Dafür wurde Tony Spring geholt, der zuvor recht erfolgreich Bloomingdale’s geführt hatte, das edlere Tochterunternehmen von Macy’s. Nun kehrt er im Mutterhaus mit eisernem Besen. Bis 2026 will er 150 Kaufhäuser im Land schliessen, Dutzende schon in diesem Jahr. Zudem sollen kleinere, frische Läden auch jüngere Kunden anlocken.

Die grosse Konsolidierung

Solche Veränderungen sind nötig, denn der amerikanische Retail-Sektor steckt – wie der europäische – im Umbruch. Traditionshäuser wie Sears oder Barneys sind bereits verschwunden, und auch die verbleibenden Hauptkonkurrenten von Macy’s wie Nordstrom oder Kohl’s kämpfen mit dem Wandel. Sie haben an der Börse in den vergangenen fünf Jahren ebenfalls stark an Wert verloren und mussten ihrerseits Übernahmeversuche abwehren.

Am vergangenen Donnerstag gab nun der Eigentümer von Saks Fifth Avenue bekannt, dass er den Konkurrenten Neiman Marcus für 2,65 Milliarden Dollar kaufen will. Im Gegensatz zur breiter aufgestellten Kaufhausgruppe Macy’s sind beide Unternehmen vor allem im Luxusbereich aktiv. Sie führen jeweils einige Dutzend Kaufhäuser, die sich geografisch recht gut ergänzen.

Dass Saks und Neiman Marcus zusammengehen, überrascht die Beobachter daher nicht; sie verhandeln bereits seit Jahren immer wieder miteinander. Für Aufsehen sorgte eher, dass sich auch die grossen Techfirmen Amazon und Salesforce an Saks beteiligen und künftig Minderheitsaktionäre bei dem Traditionshaus sein sollen. Saks ist ein Kunde beider IT-Unternehmen.

Gespannt wartet man noch auf das Verdikt der in letzter Zeit ziemlich übergriffig agierenden Wettbewerbsbehörde FTC, die den Deal gutheissen muss. Die FTC blockiert seit April das Zusammengehen zweier amerikanischer Luxusmodefirmen, was in den USA vielerorts Befremden auslöst: Für günstige Versace-Taschen zu sorgen, galt bisher eigentlich nicht als Kernauftrag der Kommission.

Die Pandemie war noch nicht der Härtetest

Aber auch die FTC muss wohl erst mit der neuen Realität in den amerikanischen Einkaufspassagen klarkommen. Die Branche hat jedenfalls sehr unstete Jahre hinter sich. Zunächst hatte die Pandemie enorme Probleme mit sich gebracht; Neiman Marcus meldete im Herbst 2020 Insolvenz an, um sich neu aufzustellen.

Ab 2021 besserte sich die Lage etwas, die Amerikaner stürmten nach der Aufhebung der Covid-Restriktionen noch einmal die Läden. Sie hatten wegen der grosszügigen staatlichen Hilfen und weil sie lange auf Shopping-Ausflüge verzichten mussten, verhältnismässig viel Geld auf der Seite. Manche gaben das Ersparte an der Fifth Avenue wieder aus.

Doch in den vergangenen zwei Jahren hat die hohe Inflation bei vielen Konsumenten die Lust auf den kleinen und grossen Luxus schwinden lassen. Viele haben ihr Sondervermögen aus der Pandemie inzwischen aufgebraucht, zudem kühlt die Notenbank Fed den Arbeitsmarkt mit ihren hohen Zinsen langsam ab.

Die neuen Jobdaten, die am vergangenen Freitag publiziert wurden, lagen zwar nur leicht unter den Erwartungen: Die US-Wirtschaft schuf im Juni noch einmal 206 000 Stellen. Dennoch können die Kaufhäuser nicht davon ausgehen, dass ihre Kunden sie auch in Zukunft aus ihren Schwierigkeiten herauskaufen können.

Die Portemonnaies der Kunden sind ohnehin nicht das grösste Problem der Branche, sondern die sich verändernden Einkaufsgewohnheiten. Gerade die jüngeren Amerikaner sind praktisch veranlagt: Können sie dieselbe Ware bequemer und zum Teil günstiger digital ordern, tun sie das.

Zudem wird den Kaufhäusern die einträgliche Position als Mittelsmann zwischen Marken und Kundinnen streitig gemacht, vor allem im gehobenen Segment. Zusehends schliessen sich die einst unabhängigen europäischen Luxusmarken zu Grossunternehmen zusammen und diktieren den Verkaufsläden, wie und wo ihre begehrte Ware genau verkauft werden darf.

Allen voran LVMH aus Frankreich, das führende Luxusunternehmen der Welt, hat derart viele und starke Marken unter seinem Dach versammelt, dass es in Verhandlungen mit Saks oder Neiman Marcus am längeren Hebel sitzt. Es gibt jedenfalls gute Gründe, warum der Patron Bernard Arnault einer der reichsten Männer der Welt geworden ist.

Der Zulieferer wird zum Gegner

Zusehends richten diese Luxusgiganten auch eigene Läden an prominenter Lage ein: Der Louis-Vuitton-Shop an der Fifth Avenue etwa ist nur sieben Parallelstrassen vom wichtigsten Kaufhaus von Saks entfernt. Auch ihre Marken bewerben Unternehmen wie LVMH auf den sozialen Netzwerken direkt; die Jungen müssen sich nicht mehr im Schaufenster von Saks darüber informieren, was gerade angesagt ist.

Hierin liegt das langfristig grösste Problem der Branche: Diese jungen Kundinnen und Kunden machen im gehobenen Segment erst einen kleinen Teil der Käuferschaft aus. Aber in Zukunft werden sie entscheiden, wo Parfums, Schuhe und Handtaschen noch gekauft werden. Saks, Neiman und Macy’s müssen sich gewaltig anstrengen, um diese Kunden noch für sich zu gewinnen. Mit einem grossen Feuerwerk pro Jahr, das weiss auch der Macy’s-Chef Tony Spring, ist es jedenfalls nicht getan.

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