Donnerstag, Mai 15

Das Zürcher Obergericht rechtfertigt die Abkehr vom Öffentlichkeitsprinzip.

Zwei Nachbarn an der Zürcher Goldküste liegen sich seit langem in den Haaren, und man ahnt, weshalb. Der eine besitzt ein grosses Grundstück direkt am See. Mehr als 2000 Quadratmeter Land, darauf ein Einfamilienhaus, viele Bäume und ein eigener kleiner Hafen mit Bootshaus. Der andere besitzt drei Liegenschaften direkt dahinter, auf der rückwärtigen Seite der Seestrasse.

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Vor über drei Jahren hat der Eigentümer vorne am See ein Baugesuch eingereicht und bewilligt bekommen: Abriss des alten Hauses und Neubau. Zudem soll anstelle des Bootshauses ein Seepavillon entstehen. Dagegen wehrte sich der Nachbar vor Gericht durch alle Instanzen – ehe er kürzlich vor Bundesgericht unterlegen ist.

Ein Grund für den Konflikt dürften die Dimensionen des geplanten Neubaus am Seeufer sein. Denn während ein Teil des Altbaus aus den 1940er Jahren nur einstöckig war, soll der Neubau ein Stockwerk höher werden, wie einst das Baugespann zeigte. Und freie Sicht auf den See ist Gold wert.

Wie gesagt: Man kann sich vorstellen, warum sich diese beiden Nachbarn in den Haaren liegen. Aber um es genauer zu wissen, müsste man sie schon fragen können – deshalb endet diese Geschichte an diesem Punkt.

Denn wem das exklusive Grundstück am See gehört, ist nicht ohne weiteres in Erfahrung zu bringen. Wenn man die Adresse in der Online-Grundbuchabfrage eingibt, springt ein rotes Warnfenster mit Ausrufezeichen auf, als habe man gerade Hausfriedensbruch begangen. «Keine Daten verfügbar», steht da, die Eigentümerauskunft im Internet sei für dieses Grundstück gesperrt.

Das gab es noch nicht, als der Kanton Zürich im Herbst 2023 mit einigem Rückstand auf andere Kantone eine Online-Grundbuchabfrage einführte. Doch ein gutes Jahr später, Anfang Dezember 2024, führte das für die Grundbuchämter zuständige Obergericht die Sperrmöglichkeit nachträglich ein. Für jeden Eigentümer, ohne Angabe von Gründen.

Kommuniziert wurde dies erst einen Monat später. Bis zu jenem Zeitpunkt hatten gerade einmal hundert Grundeigentümer ihre Daten sperren lassen. Einen Monat später waren es dann aber bereits mehr als 4500. Und jetzt, fünf Monate nach der Einführung, sind es gegen 6000.

Damit sind bald bei einem Prozent aller Grundstücke im Kanton die Daten gesperrt. Allerdings nur online. Wenn man persönlich beim Grundbuchamt nachfragt, sind sie weiterhin verfügbar.

Kritische Fragen aus dem Kantonsparlament

Diese teilweise Relativierung des Öffentlichkeitsprinzips hat unter Zürcher Kantonsparlamentariern Fragen aufgeworfen – und zwar links wie rechts. Manuel Sahli von der Alternativen Liste und Sonja Rueff-Frenkel von der FDP wollten vom Obergericht wissen, wie es dazu gekommen sei.

Dieses nennt in seiner Antwort verschiedene Gründe. Bei persönlichen Anfragen auf dem Grundbuchamt habe man eine gewisse Kontrolle, wer sich nach den Daten erkundige. Diese fehle online. Zudem müssten besonders exponierte Personen wie Politiker oder Strafverfolger befürchten, von Querulanten, Stalkern oder Kriminellen besucht zu werden, wenn ihr Wohnsitz online abrufbar sei.

Dies ist ein indirektes Eingeständnis in Bezug darauf, dass das System jene Sicherheit womöglich nicht gewähren kann, die es bieten müsste. Denn laut Gesetz muss das Online-Grundbuch so beschaffen sein, dass man es nicht nach den Namen von bestimmten Personen abfragen kann, sondern nur nach Adressen. Die Suche nach dem Wohnsitz von Staatsanwalt Meier wäre so nicht möglich.

Wenn allerdings Dritte die gesamten Informationen aus dem Online-Grundbuch systematisch absaugen und daraus eine Kopie der Datenbank erstellen, sind auch solche personenbezogenen Abfragen möglich.

Und genau solche systematischen Datensammlungen hat es kurz nach Einführung des Zürcher Online-Grundbuchs in Ansätzen gegeben. Die technischen Sicherheitsvorkehrungen gegen Serienabfragen hatten sich als unzureichend erwiesen.

Inzwischen wurden sie zwar verschärft, doch insbesondere die kantonale Datenschutzbeauftragte scheint weiterhin Bedenken zu haben. Sie empfahl dem Obergericht, die Möglichkeit der Datensperrung einzuführen. Und dieses entschied, den Datenschutz in diesem Fall höher zu gewichten als das Öffentlichkeitsprinzip.

Bei den Personen, die bisher von der Sperrung Gebrauch machten, handelt es sich laut dem zuständigen Notariatsinspektorat mehrheitlich um Private, die ein einzelnes Grundstück besitzen. Es befänden sich aber auch Immobilienverwaltungsfirmen darunter.

Übrigens: Hinter dem umstrittenen Bauvorhaben am Zürichsee steht kein Spitzenpolitiker und auch kein Staatsanwalt – dies ergibt ein Anruf auf dem Grundbuchamt –, sondern ein wenig bekannter Unternehmer.

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