Das Soloalbum «Who Is the Sky?» des stilbildenden amerikanischen Pop-Musikers klingt zwar abwechslungsreich und beschwingt. Aber die Fröhlichkeit entspricht nicht ganz seinem Talent.
Achtzig Millionen Dollar soll man den Talking Heads für eine Comeback-Tournee angeboten haben. Aber der Bandleader David Byrne wollte das nicht. Der Sänger und Texter der stilbildenden amerikanischen Formation zog es vor, sein eigenes Ding zu machen. Obwohl sich die vier Musiker, die 1991 im bitteren Streit auseinandergegangen waren, unterdessen wieder versöhnt haben.
Damals kämpften sie mit Anwälten gegeneinander. Die Mitmusiker warfen Byrne vor, ihre Leistung nicht gewürdigt zu haben. Und natürlich ging es auch um Geld. In jeder Band gibt es gruppendynamische Konflikte. Für die Entfremdung bei den Talking Heads trug David Byrne aber zweifellos die Hauptverantwortung.
Ein egozentrischer Mensch
Seine autistisch wirkende Scheu war nicht gespielt – der Musiker leidet am Asperger-Syndrom. Aber er missbrauchte sie auch als Ablenkung und Rechtfertigung eines arroganten Gehabes. Der Schlagzeuger Chris Frantz beklagt sich in seiner Autobiografie darüber, dass sich hinter der neurotischen Introversion des Talking-Heads-Sängers ein überambitionierter und egozentrischer Mensch verberge. Darunter litt offenbar auch die Frau des Drummers, die Talking-Heads-Bassistin Tina Weymouth.
David Byrne soll Kompositionen der ganzen Band als eigene Lieder ausgegeben und allgemeine Belange der Band ohne Rücksprache mit seinen Kollegen entschieden haben. In der Öffentlichkeit dominierter er immer aufdringlicher als der Musiker, um den sich alles drehen sollte. Selbst das Ende der Talking Heads mussten die Bandkollegen einem Interview entnehmen, das David Byrne der «LA Times» gegeben hatte.
Das neue Mastering von Jonathan Demmes exzellentem Talking-Heads-Konzertfilm «Stop Making Sense» (1984) brachte die Band vor zwei Jahren wieder zusammen, und die gute Stimmung von Byrne, der Bassistin Tina Weymouth, dem Schlagzeuger Chris Frantz und dem Keyboarder Jerry Harrison wirkte echt. Gelöst sassen sie bei Gruppen-Interviews nebeneinander.
Aber das war’s dann. David Byrne schaut lieber nach vorne als zurück. Statt eine Wiedervereinigung der Talking Heads im Studio anzupeilen, nahm der amerikanische Star, bekannt geworden durch seinen näselnd-neurotischen Gesang, durch seine paranoiden Texte und sein Unbehagen in der Kultur, wieder einmal ein Soloalbum auf. Als parodistische Verkörperung eines verknoteten Intellektuellen hat sich David Byrne ein Leben lang aus den Zwängen der Zivilisation frei zu tanzen versucht. Auf «Who Is the Sky?» ist der Grundton nun zwar leicht und heiter, aber auch ziemlich seicht.
Die gespielte Naivität ermüdet
Seine letzten Konzerttourneen, die auch nach Zürich führten, zeigten ihn und seine Begleiter auf phantastischem Niveau, die Musiker spielten sich in einen ekstatischen Rausch. So ergab sich eine Kommunion mit dem Publikum von seltener Intensität. Davon ist auf dem neuen Album nun wenig zu spüren. Byrne kämpfte mit Schreibblockaden, die seinen Songs anzuhören sind. Und man fragt sich, warum «Who Is the Sky?» allenthalben so gute Kritiken bekommt. Zwar dekliniert er mit seiner Begleitband, dem Ghost Train Orchestra, alle möglichen Musikstile durch, Salsa zum Beispiel oder Elektronik. Und er gibt sich stets Mühe, gute Laune zu verbreiten.
Doch die Fröhlichkeit klingt aufgesetzt, die Songs haben zu wenig Konturen und Struktur, die Melodien klingen kraftlos, der Humor zündet nicht, die gespielte Naivität ermüdet bald. Schon sein letztes Studioalbum, «American Utopia» (2018), schien nicht an frühere Werke heranzukommen. Live allerdings klangen die Songs dann interessanter. Vielleicht gilt dasselbe auch für das neue Repertoire. Im Konzert kriegt es jedenfalls eine zweite Chance.