Der in Ungnade gefallene Star präsentiert sich an einer Gala. Diese ist aber nicht Teil des Festivals. Soviel Gras ist noch nicht über die #MeToo-Anschuldigungen gewachsen, dass eine Palme herausschauen würde.

Ein bisschen teuflisch wirkt er ja immer. Mit seinem wächsernen Gesicht und dem schelmischen Grinsen. Aber gerade sieht er auch recht lässig aus. Er macht einen gelösten Eindruck. Kevin Spacey, 65 Jahre alt, steht selbstbewusst, mit breiter Brust, im Beach Club des Hotel Carlton in Cannes.

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Herein kam man nur auf Einladung, drinnen ist das Gedränge trotzdem gross. Die Fotografen flippen aus. «Quel bordel», schimpft einer. Ein anderer ruft: «Welcome back, Kevin!»

Spacey ist zurück in Cannes. 2016 war er letztmals an der Croisette. Gleich danach ging es bergab. Er wurde von mehr als 30 Männern der sexuellen Übergriffe bezichtigt. Darunter der Hollywoodstar Guy Pearce, der sich über eine Belästigung beim Dreh zu «L.A. Confidential» (1997) beklagte.

Die Karriere schien ruiniert. Ridley Scott operierte Spacey aus dem gerade fertiggestellten Film «All the Money in the World», Netflix feuerte ihn, «House of Cards» fiel zusammen. Die #MeToo-Anschuldigungen hatten Spacey zu Fall gebracht.

Er soll Spenden eintreiben

Doch er wurde freigesprochen. Erst von einer Zivilklage in New York, dann nach einem langwierigen Prozess in London. Jetzt will er sich rehabilitieren. Die Auszeichnung in Cannes kommt gelegen: An der Croisette wird Kevin Spacey für sein Lebenswerk geehrt. Allerdings nicht vom Festival selbst. Soviel Gras ist noch nicht über die Sache gewachsen, dass eine Palme herausschauen würde.

Die Würdigung wird ihm von einer caritativen Organisation namens Better World Fund zuteil, die sich laut ihrer Website für Frauenrechte einsetzt, für den Schutz von Kindern und für die Bildung. Wie Kevin Spacey ins Portfolio passt, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Doch wer in Cannes eine Spendengala an bester Lage ausrichtet, braucht zugkräftige Namen, sonst kommt keiner. Kevin Spacey, so scheint es, ist wieder ein Argument.

In seiner Rede zollt er den Organisatoren Respekt, die Mut bewiesen hätten, ihn einzuladen: «Wer hätte je gedacht», fragt Spacey, «dass es eine mutige Idee sein könnte, jemanden zu ehren, der in jedem Gerichtssaal, den er je betreten hat, entlastet wurde? Aber hier sind wir nun.»

Dann verglich er sein Schicksal nicht ganz uneitel mit dem von Kirk Douglas, «dem auch Widerstand entgegenschlug, nachdem er sich für den Drehbuchautor Dalton Trumbo einsetzte». Dieser war während des Kalten Krieges als vermeintlicher Kommunist auf der schwarzen Liste in Hollywood gelandet. Trumbo sei «gecancelt» worden, drückte es Spacey aus. Offensichtlich sieht er sich als Opfer einer vergleichbaren Hexenjagd.

Einen neuen Film hat er auch

Ist Kevin Spacey nun wieder salonfähig? Dafür spricht, dass er nicht nur wegen der Gala in Cannes ist, sondern, weil im Filmmarkt des Festivals ein Thriller mit ihm verkauft wird. «The Awakening» heisst die britische Produktion, die allerdings nach B-Ware aussieht. Ausser Spacey ist niemand Namhaftes involviert.

Wie der Produzent Matt Hookings gegenüber Euronews erklärte, ist die Anwesenheit des Stars in Cannes eine Form von «Guerilla-Marketing», um Aufmerksamkeit auf das Filmprojekt zu lenken. Die Gala komme der Produktion zupass, erklärte Hookings. Alles nur ein Publicity-Stunt?

Ja und nein. Kevin Spacey ist wieder am Ort des Geschehens, das hat Signalwirkung. Und an der Better-World-Fund-Gala geehrt zu werden, kann ein gutes Vorzeichen sein. Vergangenes Jahr wurde Juliette Binoche ebenda ausgezeichnet. Dieses Jahr ist sie wieder in Cannes, als Jurypräsidentin des Festivals.

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