Samstag, April 19

Das Seco hat die amerikanische Anwaltskanzlei Akin damit beauftragt, die maroden Handelsbeziehungen zu Washington zu kitten. Doch die Frage ist, wie aussichtsreich solch traditionelle Lobbyarbeit in Trumps Washington ist.

Wall Street, Fifth Avenue, Sand Hill Road – manche Strassenzüge in den USA sind weltbekannt, sei es als Hochburg der Finanzindustrie, als Inbegriff des Luxus-Shoppings oder als Sitz vermögender Investoren. Eine weniger bekannte Adresse ist die K Street in Washington. Dabei ist die Strasse im Nordwesten der Hauptstadt ein Machtzentrum, hier haben Amerikas Top-Lobbyisten ihre Büros.

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An der Hausnummer 2001 sitzt die Firma Akin, in einem Wolkenkratzer mit Dachterrasse, Steakhouse und Fitnessstudio. Die Adresse ist die grösste Niederlassung der Kanzlei. 270 Anwälte und Berater arbeiten in den obersten vier Stockwerken des Glas-Neubaus. Sie beraten Firmen, Organisationen und ausländische Regierungen bei Handels-, Energie- oder Steuerfragen und helfen ihnen, bei Amerikas Politikern Gehör zu finden.

Auch die Schweiz zählt neuerdings zum Kundenstamm. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat die Firma Mitte März mit einem Mandat beauftragt. Kostendach: 500 000 Franken, wie auf der Beschaffungsplattform Simap ersichtlich ist. Das Ziel: den Import von KI-Chips aus Amerika zu sichern. Ab Mitte Mai könnten die von Präsident Biden erlassenen Exportverbote greifen. Diese Hochleistungschips sind entscheidend für die Entwicklung von KI. Die amerikanische Kanzlei soll sicherstellen, dass die Schweiz weiterhin uneingeschränkten Zugang zu diesen Chips hat.

Die Kanzlei soll Bern künftig auch in anderen Fragen zur Handelspolitik beraten, wie die Tamedia-Zeitungen berichteten. Dazu dürfte der Umgang mit den Zöllen zählen, die Washington jüngst gegen die Schweiz verhängte. Auch wenn diese vorerst für 90 Tage ausgesetzt wurden, war das Signal aus Washington deutlich: Die Sonderbeziehung zwischen den beiden Ländern ist nur noch Schweizer Wunschdenken.

Wer sind die Lobbyisten, auf die das Seco neuerdings seine Hoffnungen setzt?

Am Anfang stehen zwei FBI-Beamten

Die Geschichte von Akin Gump Strauss Hauer & Feld, kurz Akin genannt, beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Oktober 1945 tun sich die früheren FBI-Agenten Richard Gump und Robert Strauss zusammen. Beide sind Ende zwanzig und kennen sich aus dem Jurastudium in Texas. Statt in der Bundespolizei Karriere zu machen, gründen sie in Dallas ihre eigene Anwaltskanzlei.

Strauss steigt bald in der Politik als Berater auf. Er wird Vorsitzender der Demokratischen Partei, leitet später Jimmy Carters erfolgreiche Präsidentschaftskandidatur und wird kurz vor dem Ende des Kalten Krieges amerikanischer Botschafter in der Sowjetunion. Strauss’ Verbindungen ins Weisse Haus verdankt die Kanzlei viele Mandate, auch vonseiten ausländischer Regierungen. In den neunziger Jahren vertrat Akin die Interessen der chinesischen Regierung, des saudischen Königshauses und der russischen Erdölfirma Lukoil.

Im Lauf der Jahrzehnte ändern sich die Partner, seit 1992 heisst sie Akin Gump Strauss Hauer & Feld. Heute beschäftigt Akin mehr als 900 Juristen und Berater in den USA, Europa, Asien und dem Nahen Osten. Wie jede grosse internationale Anwaltskanzlei berät sie in allen denkbaren Belangen, von Steuer- über Handels- bis zu Finanzfragen. Gemessen am Umsatz – 56,7 Millionen Dollar waren es im vergangenen Jahr – ist Akin die zweitgrösste Lobbying-Firma in Washington.

Wie alle Lobby-Firmen beschäftigt Akin zahlreiche frühere Kongressabgeordnete. Die Kanzlei ist auch deswegen bei ausländischen Regierungen beliebt, weil internationale Experten wie Ileana Ros-Lehtinen zu ihren Mitarbeitern gehören; die frühere Abgeordnete aus Florida sass von 2011 bis 2013 dem internationalen Ausschuss des Repräsentantenhauses vor. Solche Mitarbeiter sind für Lobby-Firmen wertvoll, da sie direkten Zugang zur Legislative bieten. Im vergangenen Jahr lobbyierte Ros-Lehtinen bei Akin im Auftrag der japanischen Stahlfirma Nippon Steel für die angestrebte Fusion mit US Steel.

Auch in Amerikas Tech-Industrie ist Akin gefragt: Die Nachrichtenplattform «The Information» zählt Akin zu den fünf führenden Lobby-Organisationen, die das Silicon Valley bevorzugt engagiert. Zu den Klienten gehört auch Open AI. Ein Lobbyist von Akin erklärte in einem Interview, ein Grossteil ihrer Arbeit bestehe heute darin, Themen der «nationalen Sicherheit und des strategischen Wettbewerbs mit China» zu bewerben.

Auf wen Trump wirklich hört, wissen selbst Lobbyisten nicht

Der strategische Wettbewerb mit China betrifft auch die Chip-Frage, die die Schweiz beschäftigt: Washington will mit neuen Exportverboten für KI-Chips verhindern, dass China über Umwege an diese Schlüsseltechnologie gelangt.

Die Aufgabe von Lobby-Firmen wie Akin ist es, der Regierung Trump klarzumachen, dass die Schweiz zu den vertrauenswürdigen Exportländern gehört. Eine zentrale Rolle spielen dabei Kongressabgeordnete. So hat diese Woche eine Gruppe von Senatoren einen offenen Brief ans Weisse Haus verfasst, in dem sie die Regierung bittet, die Exportrestriktionen aufzuheben. Inwiefern Akin an diesem Brief beteiligt war, bleibt wie vieles in der Lobbyarbeit im Dunkeln.

Jeff Berkowitz, Berater für Lobbyisten und PR-Teams in Washington, hat eine KI-Plattform entwickelt, die die Lobbyarbeit erleichtern soll. Er erklärt: «Gute Lobbyisten kennen bereits die Mitglieder des Kongresses, die Bedenken hinsichtlich der Ausfuhrkontrollbestimmungen haben.»

In turbulenten Zeiten, wie sie derzeit in Washington herrschen, haben Lobby-Firmen Hochkonjunktur. Je schwieriger eine Regierung zu verstehen ist, desto gefragter sind Mittelsmänner. «Trump scheut sich nicht, in der Aussenpolitik konventionelle Weisheiten mit Füssen zu treten», sagt Berkowitz gegenüber der NZZ. Das halte zurzeit jeden in Washington auf Trab.

«Wir haben in Washington eine Redensart: Wenn du nicht mit am Tisch sitzt, stehst du auf der Speisekarte.» Das Problem in Washington sei jedoch, dass zurzeit unklar sei, welche Themen wirklich Priorität hätten und auf wen Trump höre.

«Man muss Trump etwas bieten»

Emily Blanchard, Professorin für internationale Wirtschaftspolitik an der Universität Dartmouth, teilt diese Sicht: «Vielleicht hängt es nur davon ab, was er gerade auf Fox News gesehen hat», sagt die Ökonomin, die selbst jahrelang in Washington in der Politik tätig war. Sie vermutet, dass die traditionellen Netzwerke dort weiterhin Einfluss haben.

Länder wie die Schweiz könnten in dieser Situation versuchen, Lobbying und Diplomatie zu nutzen, um Kongressmitglieder zu umgarnen – und auch die Entscheidungsträger in Trumps Umfeld selbst. «Manchmal verschaffen einem die K-Street-Lobbyisten ein Treffen mit einem Kongressabgeordneten, der wiederum Trumps Chief of Staff Susie Wiles überzeugt, der Schweiz lieber früher als später ein Treffen mit Trump zu ermöglichen.»

Die eigentlich Arbeit sei damit aber noch lange nicht gemacht, sagt Blanchard. Trump wolle schliesslich immer ein Geschäft machen. «Wenn Sie eine Audienz beim Präsidenten bekommen, müssen Sie ihm etwas anbieten, um wieder Zugang zu KI-Chips zu bekommen.»

Hinter verschlossener Türe könnte die Schweiz betonen, dass sie als wichtiger Partner im strategischen Wettbewerb mit China agiere, ein Bindeglied der globalen Finanzmärkte sei und ein strategischer Partner gegen russische Aggression. «Dem Präsidenten mag das nicht so wichtig sein, aber ganz sicher einigen seiner Beratern», sagt Blanchard. «Trump ist unstet, und es gibt tatsächlich Momente, in denen er auf die Meinung seiner Berater hört. Und dann muss man dafür sorgen, dass zumindest denen die Bedeutung der Partnerländer bewusst ist.»

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