Kiki Kogelnik Foundation

Das Kunsthaus Zürich zeigt eine grosse Retrospektive auf das ungewöhnliche Schaffen einer innovativen Künstlerin der Pop-Art.

Sie war eine Ausreisserin. Das schreien ihre knalligen Bilder von den Wänden im Kunsthaus Zürich. Demontage dessen, was gerade angesagt ist: Das war ihre Triebkraft. Damit war Sigrid – Kiki – Kogelnik ihrer Zeit immer eine Nasenlänge voraus. «Ich erzähle den Leuten, was kommt, sie lachen, und zwei Jahre später sagen sie: Du hattest recht. Ich glaube, ich habe einfach ein Gespür für Zeit und was sie ausdrückt.»

Der Österreicherin war der heimatliche Kunstbetrieb einen Tick zu kleinkariert. Sie ging nach New York: «Wenn man von Europa hierherkommt, ist das faszinierend, es ist wie ein Traum. Die neuen Ideen sind hier, die Materialien sind hier, warum davon nicht Gebrauch machen?» Eine Frau, die zugreift, die ihren Traum lebt, die sich selbst verwirklicht, und dies in der Kunst: Das war ein Verstoss gegen die biederen Usancen der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre.

Die Kunstszene von damals wollte keine aufmüpfigen Frauen. Genauer waren es zwei Kunstszenen, gegen die Kogelnik den Mittelfinger erhob: jene der Platzhirsche des Wiener Aktionismus Hermann Nitsch, Otto Muehl, Günter Brus und Konsorten sowie jene des New Yorker Boy-Klubs rund um den narzisstischen Silberschopf Andy Warhol. Kiki Kogelnik sah sich als Frau mit einem männlich dominierten Kunstbetrieb konfrontiert. Sie fiel zwischen den beiden Kunstschauplätzen, zwischen welchen sie pendelte, gleichsam zwischen Stuhl und Bank. Der Aufprall auf dem harten Pflaster der Realitäten aber stimulierte ihren künstlerischen Genius.

Kogelnik war eine transatlantische Brückenbauerin: Geboren 1935 in Graz und aufgewachsen in Bleiburg, Kärnten, nahe der slowenischen Grenze, zog sie 1962 nach New York. 1993 nahm sie die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Österreich besuchte sie dennoch häufig.

Lange verkannt

Kogelnik wusste ihr Rebellentum in Kunst umzusetzen – gute Kunst, mit der sie auch vermittels der progressiven Wiener Galerie St. Stephan ihre Heimat konfrontierte. Allerdings auch lange verkannte und viel zu spät anerkannte Kunst. Dies hüben wie drüben. Ihr internationaler Durchbruch ist überfällig. Er erfolgt jetzt im Rahmen einer Revision, der viele Museen und Sammlungen ihren Blick auf die jüngere Kunstgeschichte unterziehen.

Dies geschieht zwar bisweilen im Zeichen eines wohlfeilen Frauenquotendenkens, um dem Zeitgeist zu gefallen. Letztlich zählt aber, was dabei an wertvollen Beiträgen grosser Künstlerinnen zutage gefördert wird. Vor Kiki Kogelnik galten solche Aufarbeitungen und späte Würdigungen bedeutenden Künstlerinnen wie Tamara de Lempicka, Frida Kahlo, Meret Oppenheim oder auch Georgia O’Keeffe.

Bemühungen um Gleichstellung der Kunst von Frauen in Ehren: um die Qualität eines Werks aber wie jenes von Kiki Kogelnik, das von einer eigenständigen künstlerischen Weltsicht durchdrungen ist und zeitlose Gültigkeit hat – darum geht es nun in erster Linie. Kogelnik befasste sich mit der Konsumgesellschaft, dem Nutzen oder Unsinn von technischem Fortschritt sowie mit dem weiblichen Körper und seinen Implikationen – Themen, die heute noch immer aktuell sind. Es ist also höchste Zeit, sich mit Kogelnik zu befassen. «Now Is the Time» heisst denn auch die Zürcher Schau. Es ist die bis anhin grösste Retrospektive zu Kogelniks Werk. Der Titel ist von einem Bild aus der Serie von Frauendarstellungen der Künstlerin aus den siebziger Jahren entlehnt.

Das entsprechende Gemälde zeigt in Lebensgrösse eine junge Frau in gepunktetem bauchfreiem Shirt und Minirock und zwei verschiedenfarbigen Plateau-Pantoletten – eine rot, eine grün. Sie tanzt, ihr Mund steht offen, ihre Wangen glühen: Selbstvergessen geht sie in der Bewegung auf. Das Werk steht exemplarisch für den kreativen Elan der Künstlerin selber.

Kostümierung, Posing und die Lust am Rollenspiel ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr gesamtes Werk. Für die grossformatigen Leinwände orientierte sich Kogelnik an den exaltierten Posen der Models in Modezeitschriften. Dabei hatte sie stets die Identitäten, die die Gesellschaft Frauen offeriert, im kritischen Blick: die Muse ebenso wie die Superwoman, die Ehefrau, Geliebte, Heilige, Prostituierte und Karrieristin.

Heute könnte man Kogelnik als Querdenkerin im besten Sinn bezeichnen. Mit spontan-energischem Pinselstrich, der über den Bildrand hinausgreift, malte sie «Marilyn»-Bilder, die wie die Konterkarierung der wild-gestischen Frauenakte eines Willem de Kooning wirken. Dabei zielte Kogelnik mit den provokativ gemalten Riesenbrüsten direkt auf den Mythos der Monroe als «Sexbombe». Die damit einhergehende kritische Anspielung auf den Sexismus, der sich um das amerikanische Idol rankte, ist Ausdruck ihres je eigenen humorvoll-feministischen Ansatzes.

«Bombs in Love», 1964, Mixed Media mit Plexiglas und Acryl auf Bombengehäuse; «Starry-Eyed», 1974, glasierte Keramik.

Das Schicksal der vom Showbusiness in den Abgrund getriebenen Schauspielerin, die 1962 an einer Überdosis Schlaftabletten starb, war ein beliebtes Thema der amerikanischen Pop-Art. Kogelniks Ankunft in New York fiel mit dem Sturm dieser Kunstrichtung auf den etablierten amerikanischen abstrakten Expressionismus zusammen. Andy Warhol stellte gerade seinen berühmten ersten Siebdruck von Monroe her. Dieser zielte auf die öffentliche Glamourfigur. Kogelnik hingegen hatte in ihrer Werkserie deren Schattenseiten im Blick.

Obwohl sie Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Claes Oldenburg kennenlernte, blieb sie Aussenseiterin mit ihrer je eigenen Auffassung von Pop. Auf ihre furiose, noch weitgehend der Abstraktion verpflichtete Malweise der Anfänge folgte rasch eine Wende zum Figürlichen. Kogelnik war innovativ wie kaum eine andere Kunstschaffende ihrer Zeit. Sie experimentierte mit Collage und Airbrush. Griff später auch kühn auf die althergebrachte Keramik zurück. Ihre Palette bestand nun aus kräftigen, kontrastreichen Farben wie Orange und Pink, dazu immer wieder auch Silber. Körper und Gliedmassen, Raketen, Telefonhörer, Herzen und Totenköpfe in leuchtenden Farben prägten nun ihre Kunst.

Körper als Massenware

Radikal sind ihre sogenannten Hangings. Kogelnik nahm die Umrisse menschlicher Körper, schnitt daraus Schablonen in Schaumstoff oder Vinyl und hängte diese an Kleiderbügel. Da ergeben sich Assoziationen mit weiblichen Tätigkeiten wie Wäscheaufhängen und Schneidern. Die feministisch geprägte «Body Art» von Carolee Schneemann, einer engen Freundin von Kogelnik, spielt hinein. Der menschliche und vor allem auch weibliche, noch bei Marilyn Monroe idealisierte Körper wird in diesen Installationen zur formbaren Massenware.

Diese bunten Installationen waren allerdings nur dem äusseren Schein nach genuine Pop-Art. Sie übten nicht nur Kritik an patriarchalen Gesellschaftsstrukturen, sondern auch am Warenfetisch der Konsumwelt, den die Pop-Art-Kollegen in den Augen Kogelniks allzu sehr verherrlichten.

Man muss keine Feministin sein, um gute Kunst zu machen. Das hat Kiki Kogelnik bewiesen. Mit ihrem frechen «signature style» hob sie sich von der landläufigen feministischen Kunst ihrer Zeit ab. Moralisierende Botschaften sucht man vergebens. Vor allem aber brach Kogelnik auch mit der von Depressionen und Todessehnsucht erdrückten und von Blut triefenden österreichischen Kunst vom Frühexpressionismus bis zum Wiener Aktionismus: dies mit ihrer frisch-eigenwilligen Interpretation von amerikanischer Pop-Art.

«Ohne Titel (Stillleben mit Körperteilen)», zirka 1964, Tinte auf Papier; «Ikarus», 1965, Öl und Acryl auf Leinwand.

«Kiki Kogelnik», Kunsthaus Zürich, bis 14. Juli.

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