Donnerstag, Januar 30

Eine reduzierte Version von Opulenz bei Dior, Pradas geblümter Cowboy-Boot und die Rückkehr der Krawatte: Was in Mailand und Paris bei der Präsentation der neuen Herrenmode auffiel.

Dass die Gerüchteküche in der Modebranche derzeit ziemlich brodelt, war auch an den soeben zu Ende gegangenen Männershows deutlich spürbar. In Paris fragten sich die Gäste bei Dior, ob dies nun wohl die letzte Show von Kim Jones für die französische Luxusmaison war. Schon seit einer Weile wird gemunkelt, dass dieser seinen Posten als Kreativchef der Herrenlinien bei Dior demnächst aufgeben würde. Doch kaum schickte Jones seinen ersten Look über den Laufsteg – ein Model ganz in schwarzer Seide gewandet, mit wallendem Rock und dramatischer Augenbinde mit Schleife – rückte diese Frage in den Hintergrund. Was man in den folgenden dreizehn Minuten erlebte, war überwältigend.

Untermalt mit sehnsüchtig-sentimentalen Klängen – eine Version von Michael Nymans Stück «McQueen: Time Lapse» – zeigte Kim Jones seine bisher stärkste Kollektion: Eine sanfte Mélange aus maskulinen und femininen Designcodes, bestehend aus hochpräzisen, stark reduzierten und doch anmutigenden Schnitten sowie einer reduzierten Farbpalette aus Schwarz, Crèmeweiss und sanften Rosa- und Grautönen. Es war Kim Jones› Ode an die Wurzeln des Haute-Couture-Hauses wie auch den prägenden Einfluss von Dior auf den Begriff Femininität in der Nachkriegszeit.

Seit seinem Dior-Debüt, der Herrenkollektion für Frühling/Sommer 2019, verhalf Jones der Luxusmarke mit seinen Kollektionen zu einem neuen Ansehen – vor allem auch bei einem jüngeren Publikum. Nebst einer Vermählung von Streetwear mit luxuriösen Couture-Codes experimentierte er schon immer an klassischen Männerschnitten herum. Auch diesmal: Raffiniert etwa war das klassische Anzugsjackett, dessen Verschluss etwas seitlicher liegt. In der jüngsten Version geht die Jacke sanft in einen sinnlich fallenden Schalkragen über. In edlem Seidenrips gefertigt, sah das ziemlich majestätisch aus.

Schlicht ergreifend: Die reduzierte Opulenz von Kim Jones› Herrenkollektion für Dior, Herbst/Winter 2025.

Es folgten Mäntel, deren Stickereien einen glitzernden Effekt wie frisch gefallene Regentropfen hatten. Raffiniert waren die schillernden Taftröcke, die sich als weit schwingende Mäntel entpuppten. Die Ärmel nach innen gestülpt wie eine Rocktasche. Von Sports- und Streetwear war in dieser Kollektion praktisch nichts zu sehen. Ausnahme waren ein Paar schwarze Sneaker, die aufwendig mit opulenten Perlenstickereien verziert waren. Ansonsten dominierten schwarze Lederschuhe- und Bottinen, deren Front in skulpturale Knoten aus Seidensatin übergingen.

Diese Kollektion rührte in ihrer opernhaften Schönheit manch Zuschauer zu Träne. Und nach der Show war man sich einig: Egal, ob er bei Dior bleiben wird oder nicht, Kim Jones ist ein Meister der Mode. Wenige Stunden später steckte ihm Anna Wintour den «Chevalier de la Légion Honneur»-Orden, die ranghöchste Auszeichnung Frankreichs für zivile Verdienste, an sein Revers.

Was blieb ausserdem von der Pariser Herrenmodewoche in Erinnerung?

Ein weiteres Highlight in Paris war Willy Chavarria: Mit der Kollektion «Tarantula» betrat der New Yorker Designer erstmals Pariser Boden. Typisch wie immer war seine mexikanisch-amerikanische Thematik und ein diverser Cast, diesmal etwa mit Musikern wie dem Kolumbianer J Balvin, queeren Persönlichkeiten wie dem transgender Model Indya Moore oder der transgender DJ Honey Dijon. Auch die Modedesigner Jerry Lorenzo von Fear of God oder Luu Dan waren dabei.

Chavarrias Kennzeichen ist eine kastige Macho-Silhouette mit angeberischem Spitzrevers. In der American Church in Paris inszenierte er diese in Form von schimmernden Samtanzügen und breitschultrigen Männerversionen von Bouclé-Jacken, mit Kontrastbordüren und schmucken Logo-Goldknöpfen, wie man sie von Chanel her kennt. Chavarrias Zelebration von Latino-Identitäten im besten Sonntagsstaat brachte eine Brise Aufgeregtheit in das etwas behäbig wirkende Etablissement der Pariser Modestadt.

Generell war in Paris eine grosse Abwendung von zu nachlässigen Athleisure- und Streetwear-Looks hin zu eleganteren bis äusserst festlichen Looks auszumachen. Während man Sneakers kaum mehr sichtete, durfte ein Accessoire in vielen Kollektionen nicht fehlen: die Krawatte. Sie ist für kommenden Herbst aus keinen Key-Looks wegzudenken. In verschiedenen Längen und Tragarten verleiht sie den Outfits wieder mehr Halt und Würde.

Krawattenlooks auch in Mailand

Es mag manchen erfreuen, amüsieren oder befremden, dass ausgerechnet dieses ur-männliche Accessoire, das bis vor kurzem stilistisch dem Tode geweiht war, nun eine phänomenale Wiederauferstehung erlebt. Nach dem Abebben der einst so dominanten Street- und Sportswear in der Luxusmode vermittelt sie auch dank jüngsten Aufkommen eines «Quiet Luxury»-Trends vor allem eines: eine hohe Kompetenz des Trägers in Sachen Stil und Garderobe. So konnte man schon vor der Pariser Modewoche in Mailand bei vielen Marken neu interpretierte Versionen der traditionellen Herrengarderobe ausmachen.

Sophie Jordan, Menswear Buying Director von Mytheresa, fasst den grossen Trend beider Männermodewochen in Mailand und Paris wie folgt zusammen: «In dieser Saison geht es um echte Kleidung, keine Gimmicks, sondern um begehrenswerte und tragbare Kleidung.»

Während in Paris vor allem fast dandyhafte Eleganz dominierte, hatte Mailand mit der Prada-Kollektion ein weiteres Highlight zu bieten. Rudimentär, fast wild wirkten diesmal die Looks, strahlten aber in ihrem Vintage-Flair eine kernige Kraft aus. Menschliche Natur, grundlegende Instinkte und fundamentale Kreativität waren die Stichworte, die man den Kollektionsnotizen entnahm. Ins Auge stachen etwa Shearlingfelle, Ohrringe in Basketball-Motiv und die Fetisch-Schuhe der Saison: Cowboy-Boots mit floralem Seventies-Muster.

Florale Seventies-Muster bei Prada-Herrenkollektion, Herbst/Winter 2025.

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